„Trump schießt sich selbst in den Fuß“
Ökonom Tom Fullerton: Strafzölle gegen Mexiko drohen zum Bumerang für die USA zu werden
Donald Trump schwingt die Sanktionskeule – und stellt die Beziehungen zwischen Mexiko und den USA damit auf eine harte Belastungsprobe. Im Interview erklärt Tom Fullerton, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Texas in El Paso, die möglichen negativen Folgen von Strafzöllen. Tom Fullerton, erst der Streit um Nafta, dann droht Donald Trump die Grenze zu zu schließen und nun will er Mexiko in der Flüchtlingskrise mit Strafzöllen belegen. Welche Konsequenzen hat diese Politik für den Handel?
Letztlich tragen Us-unternehmen den größten Schaden davon. Ganz besonders, weil eine Menge der Lieferketten unterbrochen werden, die seit Jahrzehnten bestehen. Das riskiert die wirtschaftliche Gesundheit vieler verarbeitender Betriebe in den USA. Einige davon dürften auf der Strecke bleiben. Außerdem nimmt der Inflationsdruck zu. Die Notenbank FED wird am Ende keine andere Wahl haben, als die Zinssätze zu erhöhen. Aus einer normalen Rezession könnte dann etwas werden, das sehr viel schlimmer ist als ein zyklischer Abschwung. Präsident Donald Trump denkt, dass er mit diesen Zöllen vor allem Mexiko trifft.
Das verarbeitende Gewerbe ist zwischen den USA, Mexiko und Kanada so stark miteinander verwoben, dass er sich wirklich selber in den Fuß schießt. Viele Güter gehen vor ihrer Fertigstellung mehrere Male hin und her über die Grenze – bei elektronischen Produkten wie Dvd-spiele, Fernseher, Computerschirme oder Mobiltelefone bis zu acht Mal. Und vergessen Sie nicht die Automobilindustrie. Die Produktion bei Us-unternehmen steht auf dem Spiel, wenn die Betriebe diese Effizienz nicht mehr nutzen können. Was würde denn passieren, wenn die Automobilindustrie plötzlich mit 10, 20 oder – wie angedroht – gar 25 Prozent Strafzöllen umgehen muss?
Zunächst einmal wird das zu einem erheblichen Preisanstieg für Automobile in den Vereinigten Staaten sorgen. Denn eine Menge an Schlüsselkomponenten werden heute in Mexiko gefertigt oder teilgefertigt. Das wird den gesamten Autosektor betreffen, nicht nur die amerikanischen Hersteller. Sehr schön festmachen lässt sich das an den Kabelsträngen, die sich heute durch moderne Automobile ziehen. Rund 70 Prozent von diesen Kabelbäumen werden in Mexiko gefertigt. Was würde eine solche Behinderung in der Handelspolitik denn speziell für eine Grenzregion wie El Paso und Juarez Ciudad in Texas bedeuten?
Allein hier gehen jeden Monat Waren im Wert von rund neun Milliarden Dollar über die Grenze. Zusammen macht das in diesem Sektor rund 108 Milliarden Dollar an Handelsvolumen aus. Wenn dieser Handel unterbrochen wird, durch Strafzölle, Grenzschließungen oder andere Maßnahmen, dann hat das weitreichende Konsequenzen für die Wirtschaft in der Region und den betroffenen Ländern. Der Bundesstaat Texas etwa liefert den überwiegenden Teil seiner Exporte nach Mexiko. Das betrifft weiter verarbeitete Petro-chemikalien, alle möglichen Landwirtschaftsprodukte, aber auch andere Volkswirt Tom Fullerton ist fest davon überzeugt, dass die USA mit den Strafzöllen falsch liegen. weiterverarbeitete Güter. In jedem Fall sorgt das für Unsicherheit und hält damit Investitionen zurück. Einige Experten sehen auch das Nafta-nachfolgeabkommen USMCA gefährdet. Das muss ja noch vom Kongress ratifiziert werden. Es scheint, der Präsident nimmt dies billigend in Kauf.
Das Freihandelsabkommen hat positive Effekte auf die Beschäftigung, Investitionen und die Einkommen gehabt. Seit Einführung der Nafta-freihandelszone sind die Einkommen gewachsen. Insbesondere hier in El Paso und entlang der Grenze zu Mexiko. Den Verbrauchern und Haushalten geht es wegen Nafta heute deutlich besser. Der größere Wettbewerb hat vom Angebot an Produkten bis hin zu den Preisen in allen drei Ländern viel bewegt. Aber es ist doch unbestritten, dass in den USA auch viele Arbeitsplätze, wie zum Beispiel in der Textilindustrie verloren gegangen sind.
Aber nicht durch das Freihandelsabkommen. Einzelne Us-betriebe haben ihre Produktion in den Norden Mexikos verlagert. Die überwiegende Mehrheit der Jobs, die wir hier verloren haben, gingen nach Honduras, der Dominikanischen Republik oder China. Die haben alle nichts mit der Nordamerikanischen Freihandelszone zu tun. Tatsächlich verlor auch Mexiko Arbeitsplätze dorthin. Nafta wurde zum Sündenbock für alles gemacht. Der Präsident denkt, er schlage zwei Fliegen mit einer Klappe. Er bestraft Mexiko für die Durchlässigkeit bei den Flüchtlingsbewegungen und hilft gleichzeitig der einheimischen Industrie?
Das Problem besteht darin, dass arbeitsintensive Güter nicht mehr zu vertretbaren Preisen in den Vereinigten Staaten hergestellt werden können. Deshalb haben Unternehmen ihre Lieferketten ins Ausland verlegt. Das ist ein Phänomen, das sich auch in Europa und Asien beobachten lässt. Unternehmen, die ihr Hauptquartier in Detroit oder Chicago haben, investieren deshalb in Mexiko. Sie produzieren auf beiden Seiten der Grenze, weil ihnen das erlaubt, wirtschaftlich zu überleben. Sie halten es für eine Illusion, dass Protektionismus zu einer Rückkehr von Arbeitsplätzen führt?
Genau. Statt Produkten aus der bisherigen Nafta-zone würden wir dann solche aus Asien kaufen. Die Zentralen der Firmen wären nicht in Chicago oder Detroit sondern in Tokio oder Osaka. Unterbrochene Lieferketten bedeuteten für Us-unternehmen, dass sie in den USA nicht mehr zu Wettbewerbspreisen produzieren könnten und am Ende bankrott erklären müssen. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte lehrt uns, dass seit Hunderten von Jahren die Regionen am besten gefahren sind, die gehandelt haben. Heute bedeutet das internationaler Handel. Man würde denken, es gebe genügend kluge Leute im Weißen Haus, die dem Präsidenten das aufzeigen könnten?
Ja, und es gibt auch eine Menge gewählter Abgeordneter und Senatoren im Kongress, die dem Weißen Haus das gesagt haben. Nicht wenige Beobachter glauben, dass die Strafzölle oder vorher auch die Drohung, die Grenzen zu Mexiko zu schließen, politisches Theater sind, das darauf abzielt von anderen Dingen abzulenken. Das ist natürlich nur eine Spekulation, aber für mich die einzige plausible Erklärung, warum das verarbeitende Gewerbe in dieser Präsidentschaft immer wieder aufs Spiel gesetzt wird. Erwarten Sie, dass angesichts dieser Spannungen zwischen den USA und Mexiko das Nachfolgeabkommen USMCA in Kraft treten wird?
Das war schon vorher problematisch. Es geht schon lange nichts mehr ohne Probleme durch den politischen Prozess. Aber letztlich wird der Freihandel überleben. Vielleicht nicht mehr ganz so effizient wie bisher, aber besser als eine massive Beschränkung des internationalen Warenverkehrs. Die Märkte reagierten wiederholt empfindlich auf die Ankündigung von Strafzöllen oder Grenzschließungen. Was bedeutet das für die Wachstumserwartungen in den USA?
Der durch die Steuerreform Trumps erzeugte künstliche Stimulus hat zu einem Strohfeuer geführt, dessen Effekte bereits nachlassen. Solange es zu keiner massiven Störung des Wirtschaftszyklus kommt, rechne ich mit moderatem Wachstum. Die Handelspolitik bleibt einer der großen Unsicherheitsfaktoren. ►
Statt Produkten aus der bisherigen Nafta-zone würden wir dann solche aus Asien kaufen.