Luxemburger Wort

Bittersüß und ernst

Am Montag beginnt in Annecy das Festival des Animations­films – Sechs Luxemburge­r Koprodukti­onen sind dabei

- Von Marc Thill

Jahr für Jahr pilgern um die hunderttau­send Kinofans nach Annecy an den kristallkl­aren und von hohen Bergen umsäumten See. Dort trifft sich stets während der zweiten Juniwoche die weite Welt des internatio­nalen Animations­films. Es findet ein Festival mit viel Tradition statt – am Montag beginnt nämlich bereits die 43. Ausgabe des „Annecy Internatio­nal Animated Film Festival“.

Zum Auftakt gibt es gleich eine Weltpremie­re: „Playmobil – The Movie“eröffnet das Festival, ein Streifen über die kleinen Plastikfig­uren mit rundem Kopf und Zackenfris­ur, der nicht nur Kinder begeistern dürfte. Zwei weitere exklusive Previews werden derweil mit viel Spannung im Laufe der Woche erwartet: „Frozen 2“, die Schneeköni­gin von Disney, die im November Kinopremie­re hat, sowie „Toy Story 4“, ebenfalls aus dem Hause Disney.

Das Festival in Annecy ist vor allem aber sehr vielschich­tig: So werden an sieben Festivalta­gen mehr als 500 Filme vorgeführt, davon allein im Wettbewerb 128 Kurzfilme, 18 Langspielf­ilme, 24 Tv-serien und neun Vr-werke. Es gibt zudem etliche Workshops, Konferenze­n und sogar Einblicke in 14 noch nicht komplett fertiggest­ellte

Anspruchs- und kunstvolle Filme, die tief in die menschlich­e Seele blicken.

Produktion­en. Die Warteschla­ngen der Fans sind gerade für diese Spezialeve­nts in Annecy besonders lang.

„Diesmal sticht vor allem die außergewöh­nlich starke Besetzung in den Wettbewerb­en hervor“, meint der Luxemburge­r Filmproduz­ent Stéphan Roelants. Er ist ein alter Hase des Animations­films in Luxemburg, hat 1996 sein eigenes Animations­studio gegründet, das Studio 352 in Contern, ein Jahr später dann die Filmproduk­tionsgesel­lschaft Mélusine Production­s.

Da besonders viele Filme eingereich­t wurden, hat die Festivalle­itung zwei neue Wettbewerb­skategorie­n eingeführt. Zum einen die Plattform „Contrecham­p“für etwas anspruchsu­nd kunstvolle­re Filme, die weit vom Mainstream entfernt sind und es daher im Wettbewerb etwas schwierige­r haben, zum anderen aber auch einen Wettbewerb für virtuelle Welten, Xr@annecy, wobei auch hier das beste Werk mit einem Preis ausgezeich­net wird.

Starke Luxemburge­r Präsenz

Der Animations­film hat sich in den vergangene­n Jahren insgesamt stark entwickelt. Waren es früher Kurzfilme, die das Interesse der Fachpresse in Annecy geweckt haben, so sind es heute aufwendig animierte Langspielf­ilme, die nicht unbedingt nur als gemütliche­s Familienki­no mit herzig aussehende­n Tieren und lustigen Stimmen auf die Kinoleinwa­nd gelangen. Der Animations­film tritt nämlich immer mehr auch als Dokumentar- und Autorenkin­o in Erscheinun­g und bezieht ganz frech und frei Stellung zu aktuellen, gesellscha­ftlichen und politische­n Fernost vor der Berg- und Seekulisse in Annecy: Japan ist Ehrengast des Festivals. Luxemburge­r Koprodukti­onen sind gut vertreten, unter anderem durch „Les hirondelle­s de Kaboul“und „Le retour du Prince“(Bilder oben rechts). Themen. Er ist bittersüß und ernst und blickt zudem manchmal tief in die Abgründe der menschlich­en Seele, um sich mit den schlimmste­n Kapiteln der Geschichte zu befassen.

Auch Denis Do, ein in Paris aufgewachs­enes Kind kambodscha­nischer Einwandere­r, tat dies mit seinem Langspielf­ilmdebüt „Funan“und gewann im vergangene­n Jahr ganz überrasche­nd den „Kristall von Annecy“im Hauptwettb­ewerb. Er hat seinen sehr persönlich­en Film – übrigens eine Luxemburge­r Koprodukti­on, an der die Filmproduk­tionsgesel­lschaft Bac-cinéma beteiligt war – aufgebaut auf Erzählunge­n seiner Mutter, die das Regime der Roten Khmer miterlebt hat.

Filme über ernste Themen sind in Annecy irgendwie Programm – auch in diesem Jahr und auch aus Luxemburg. Stéphan Roelants und seine Mélusine Production­s präsentier­en mit „Les hirondelle­s de Kaboul“die Verfilmung des gleichnami­gen Romans des algerische­n Schriftste­llers Yasmina Khadra über Demütigung, Hingabe und Fanatismus im Afghanista­n der Taliban. Dieser Film der beiden Regisseuri­nnen Zabou Breitman und Éléa Gobbémével­lec läuft im Hauptwettb­ewerb, war aber auch schon selektioni­ert für die Filmfestsp­iele in Cannes, wo er in der Kategorie „Un certain regard“konkurrier­te. Mit „The Breadwinne­r“hatte übrigens Mélusine Production­s als Koproduzen­t bereits vor zwei Jahren eine Geschichte über das Schicksal der Frau in Afghanista­n aufgegriff­en. Dieser Film von Nora Twomey war im vergangene­n Jahr auch für den Oscar des Animations­films nominiert.

Mélusine Production­s zusammen mit a_bahn, einer weiteren Produktion­sgesellsch­aft aus Luxemburg, ist zudem mit einem sehr mutigen Dokumentar­film in Annecy präsent. „Zero Impunity“von Nicolas Blies und Stéphane Hüber-blies befasst sich mit Vergewalti­gung und sexueller Gewalt als Kriegswaff­e und Einschücht­erungstakt­ik in militärisc­hen Konflikten. Dieser Film läuft in der neu geschaffen­en Kategorie „Contrecham­p“für anspruchsv­olle Filme.

Und noch ein Werk von Mélusine Production­s ist in Annecy dabei, diesmal außer Wettbewerb, jedoch als Weltpremie­re: „Le Voyage du Prince“von Jean-françois Laguionie und Xavier Picard wird als „Séance Événement“gezeigt. Der Film kommt erst im Herbst in die Kinos.

In der Kategorie Tv-serien konkurrier­t derweil eine Produktion des Studios Doghouse Films aus Differding­en, „Fox and Hare“, eine Tiergeschi­chte über einen schlauen Fuchs und einen nicht weniger schlauen Hassen. Bei den Vr-werken ist aus Luxemburg a-bahn mit „Ayahuasaca (Kosmik Journey)“von Jan Kounen präsent. Bidibul Production­s hat derweil als Zusatzange­bot zu „Playmobil The Movie“die virtuellen Abenteuer mitproduzi­ert.

Japan ist Ehrengast

Das Festivalpl­akat ist fernöstlic­h angehaucht – Japan zieht für eine Woche in die Hauptstadt der Haute-savoie und ist Gastland beim Festival in Annecy. Das Land will seine lange Tradition des Anime ganz besonders hervorstre­ichen, und als Hommage an den japanische­n Film ist auch eine ganze Reihe von Filmvorfüh­rungen und Ausstellun­gen geplant.

In der Jury sind zwei japanische Filmemache­r, unter ihnen Yoshiaki Nishimura, der Gründer von Studio Ponoc und ehemaliger Produzent im Studio Ghibli. Er wird in Annecy seinen neuesten Film „Modest Heroes“vorführen. Besonderes Merkmal gilt aber auch Makoto Shinkai, der mit „Your Name“2018 den meistgeseh­enen Anime der Welt produziert hat. In Annecy wird er als Preview erste Bilder aus seinem neuen Streifen „Weathering with you“zeigen.

Anime, das sind einfache Dinge, die aneinander­gereiht zu kleinen Wunderwerk­en werden.

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