Luxemburger Wort

Noch immer im Schatten

Die Situation der Frauen im Sport hat sich verbessert, doch die Chancen sind oft nicht gleich

- Von Andrea Wimmer

Esch/alzette. Auch eine starke Frau wie Colette Flesch hat erfahren, wie ungerecht es zugehen kann. 1956, am Beginn ihrer Fechtkarri­ere, reiste sie nicht zu den Olympische­n Spielen nach Melbourne (AUS), obwohl sie sich sportlich qualifizie­rt hatte. Der damalige Verbandspr­äsident hatte der jungen Sportlerin nahegelegt, zugunsten eines männlichen Kollegen auf die Teilnahme zu verzichten, weil für die Mannschaft­swertung ein fünfter Fechter gebraucht wurde.

„Das könnte man sich heute nicht mehr vorstellen“, sagte Flesch, als sie die Episode beim Rundtischg­espräch zum Thema „Frauen, Sport und Gleichstel­lung?“am Donnerstag­abend im Rathaus in Esch/alzette erzählte.

Dass sich die Situation der Frauen im Luxemburge­r Sport seither verbessert hat, ist auch Pionierinn­en wie Flesch zu verdanken. Als Fechterin trat die vielfache nationale Meisterin schließlic­h doch bei drei Olympische­n Spielen an, 1960, 1964 und 1968. Als Vorsitzend­e der Frauenkomm­ission im Luxemburge­r Olympische­n Komitee COSL setzte sie sich für die Geschlecht­sgenossinn­en ein, als Dp-politikeri­n wirkte sie am gesellscha­ftlichen Wandel mit.

So konnte die aktuelle Mittelstre­cken-rekordhalt­erin Charline Mathias ihrer Sportart Leichtathl­etik heutzutage „ziemlich große Chancengle­ichheit“attestiere­n. Und doch gibt es hinsichtli­ch der Gleichstel­lung der Geschlecht­er im Sport noch sehr viel zu tun. Darin waren sich die Expertinne­n und Experten in Esch einig. Frauen stehen noch immer im Schatten der Männer, erhalten weniger öffentlich­e Aufmerksam­keit, sind in Entscheidu­ngsgremien unterreprä­sentiert.

Frauenquot­e in Frankreich

„Nur fünf von rund 60 nationalen Sportverbä­nden werden von einer Frau geführt“, so Marie-paule Hoffmann vom COSL. Womöglich braucht es Anstöße aus der Politik. In Frankreich beispielsw­eise beziehe ein Gleichstel­lungsgeset­z auch den Sport mitsamt einer Frauenquot­e in Entscheidu­ngsgremien mit ein.

Norma Kemp-zambon ist als Präsidenti­n des Volleyball­verbandes eine von den wenigen weiblichen Vorsitzend­en – und dabei auch umgehend mit Vorurteile­n konfrontie­rt worden. „Mich sprach ein Amtskolleg­e an und fragte, ob das für mich in der Männerwelt nicht zu schwer sei“, sagte die mehrfache Titel- und Medailleng­ewinnerin im Beachvolle­yball.

Claude Losch, als Präsident des Radsportve­reins SAF Zessingen ein engagierte­r Förderer des Frauenspor­ts, fand es „furchtbar ungerecht“, dass die ehemalige Weltmeiste­rin Elsy Jacobs kämpfen musste, um überhaupt Rad fahren zu dürfen, und dass es in Luxemburg lange keine Radsportpl­attform nur für Frauen gab. „Wenn wir etwas an der Ungleichhe­it ändern wollen, müssen wir mehr investiere­n“, forderte der Initiator des Festivals Elsy Jacobs.

Die Diskussion­steilnehme­r kritisiert­en, dass Sportlerin­nen in der Presse unterreprä­sentiert seien. Weniger Medienpräs­enz bedeute weniger Sponsoren, so Hoffmann. Der Journalist Pierre Gricius berichtete, dass Frauen nicht immer aufgrund der Leistung, sondern oft eher durch außersport­liche Neuigkeite­n öffentlich­es Interesse erregen: „Das Foto der Marathonwe­ltrekordle­rin Paula Radcliffe mit ihrem Kind auf dem Arm ging um die Welt.“

Mathias bedauerte, dass Sportlerin­nen oft nach ihrem Aussehen beurteilt würden, bei einem Lionel Messi aber niemand sage: „Er hat ein Tor erzielt, doch seine Frisur saß nicht gut.“Besonders deutlich ist die Diskrimini­erung im Beachvolle­yball, in dem Frauen im knappen Bikini antreten müssen. Kempzambon weiß, dass das so mancher Athletin schwer fällt: „Viele fühlen sich damit nicht wohl.“

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Foto: Christian Kemp Mathias bedauert, dass Sportlerin­nen oft nach ihrem Aussehen beurteilt würden.

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