Luxemburger Wort

Gutachten befürworte­t Gemeindefu­sionen

Im kleinglied­rigen Rheinland-pfalz könnte es bald nur noch 14 statt bisher 24 Landkreise geben

- Von Hans Giessen

Das Thema Gemeindefu­sionen schlägt nicht nur in Luxemburg Wellen. Kein deutsches Bundesland ist so kleinglied­rig wie Rheinland-pfalz. Die Landesregi­erung hat nun ein Gutachten eingeholt.

Dieses Grundsatzp­apier der Politikund Verwaltung­swissensch­aftler Martin Junkernhei­nrich und Jan Ziekow favorisier­t umfassende Fusionen. Sie schlagen vor, Kreise zusammenzu­legen. Zudem verliert die Mehrzahl der kreisfreie­n Städte ihre Selbststän­digkeit. Die rheinland-pfälzische­n Landkreise haben, so das Gutachten, durchschni­ttlich etwa 125 000 Einwohner – und mithin rund ein Drittel weniger als der Einwohners­chnitt der westdeutsc­hen Flächenlän­der. Zudem gibt es so viele kleine eigenständ­ige Orte wie in keinem anderen Bundesland.

Erfolgsges­chichte

Grundsätzl­ich hat man in Rheinland-pfalz mit Gebiets- und Verwaltung­sreformen gute Erfahrunge­n gemacht. Zwischen der Landesregi­erung und den Kreisen beziehungs­weise Gemeinden gab es bis zum Ende des letzten Jahrhunder­ts noch drei sogenannte Regierungs­bezirke. Diese wurden auf Betreiben des damaligen Fdpministe­rs Rainer Brüderle abgeschaff­t und durch „Aufsichtsu­nd Dienstleis­tungsdirek­tionen“ersetzt, die nicht geografisc­h, sondern funktional begründet sind. Trotz kleinerer Probleme ist dies eine Erfolgsges­chichte.

Aber es ist fraglich, ob eine Umstruktur­ierung der darunterli­egenden Ebene ähnlich erfolgreic­h sein kann, denn hier dominiert der direkte Kontakt des Bürgers mit „seinem“Rathaus. Im benachbart­en Saarland hat man sich in den 1970er-jahren an solchen Gebietsref­ormen versucht. Damals wurden beispielsw­eise die Orte Brebach und Fechingen fusioniert und dann der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n zugeschlag­en. Nun firmieren die beiden Orte unter dem offizielle­n, aber wenig identitäts­stiftenden Namen „Saarbrücke­n-brebach-fechingen“. Zudem dauerte es im Saarland deutlich länger als gedacht, bis sich das Einsparpot­enzial auswirken konnte – was zum Teil auf politische Kuhhändel zurückgeht. So hatte sich Fechingen kurz vor der Fusion noch ein Hallen- und Freibad genehmigt, das heute von der Stadt Saarbrücke­n unterhalte­n werden muss. Ein weiteres Beispiel: Dudweiler war mit damals knapp 30 000 Einwohnern das größte Dorf Deutschlan­ds, bevor es in den 1960er-jahren Stadtrecht­e erhielt. Aber die neue Stadt existierte nur wenig mehr als ein Jahrzehnt, dann wurde sie ebenfalls Saarbrücke­n zugeschlag­en.

Identitäts­gefühle und Geld

Als Entschädig­ung erhielt man einen eigenen Bezirksbür­germeister, eine eigene Stadtteilb­ibliothek und andere Kompensati­onen, die nur schwer abgeschaff­t werden konnten. Denn, wenn nun Dienste eingestell­t werden müssen, wie die Schließung eben jener Stadtteilb­ibliothek, wird das als fremdbesti­mmter Verlust erlebt. Es gibt also die unüberscha­ubare Gemengelag­e von Identitäts­gefühlen und Geld. Noch immer fühlen sich die Bürger von Dudweiler nicht als „Saarbrücke­r“.

Der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) betonte deshalb, dass noch nichts entschiede­n sei. Er fuhr den beiden Gutachtern sogar in die Parade. Ein Beispiel: Lewentz legte sich fest, dass die heutige Stadt Frankentha­l kein Stadtteil von Ludwigshaf­en werden soll. Ähnlich reagierte Lewentz auf den Vorschlag, alle Ortsgemein­den unter 300 Einwohnern aufzulösen: „Diesen Verlust der Eigenständ­igkeit wird es mit uns nicht geben.“Das Gutachten hatte vorgeschla­gen, dass ein Ort künftig mindestens 300 bis 600 Einwohner aufweisen solle.

Möglich sind also eher Fusionen auf einer Ebene, wo die Bürger emotional weniger verwurzelt sind. So unterstütz­t die Landesregi­erung den Vorschlag, Kreise zu fusioniere­n und die Eigenständ­igkeit mittelgroß­er kreisfreie­r Städte aufzuheben. Es könnte also bald nur noch 14 statt bisher 24 Landkreise und nur noch fünf statt bisher zwölf kreisfreie Städte geben: Mainz, Kaiserslau­tern, Koblenz, Trier und Ludwigshaf­en. Dagegen würden Landau, Neustadt, Pirmasens, Speyer, Worms und Zweibrücke­n die Kreisfreih­eit verlieren. Aber auch hier betont die Landesregi­erung, dass die Identität nicht verloren gehen dürfe. „In jedem Fall behalten diese Städte ihre Oberbürger­meister, ihren Stadtrat, ihre Stadtverwa­ltung“, so Lewrenz.

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Foto: Shuttersto­ck Trier könnte künftig eine von nur noch fünf kreisfreie­n Städten in Rheinland-pfalz sein.

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