Gutachten befürwortet Gemeindefusionen
Im kleingliedrigen Rheinland-pfalz könnte es bald nur noch 14 statt bisher 24 Landkreise geben
Das Thema Gemeindefusionen schlägt nicht nur in Luxemburg Wellen. Kein deutsches Bundesland ist so kleingliedrig wie Rheinland-pfalz. Die Landesregierung hat nun ein Gutachten eingeholt.
Dieses Grundsatzpapier der Politikund Verwaltungswissenschaftler Martin Junkernheinrich und Jan Ziekow favorisiert umfassende Fusionen. Sie schlagen vor, Kreise zusammenzulegen. Zudem verliert die Mehrzahl der kreisfreien Städte ihre Selbstständigkeit. Die rheinland-pfälzischen Landkreise haben, so das Gutachten, durchschnittlich etwa 125 000 Einwohner – und mithin rund ein Drittel weniger als der Einwohnerschnitt der westdeutschen Flächenländer. Zudem gibt es so viele kleine eigenständige Orte wie in keinem anderen Bundesland.
Erfolgsgeschichte
Grundsätzlich hat man in Rheinland-pfalz mit Gebiets- und Verwaltungsreformen gute Erfahrungen gemacht. Zwischen der Landesregierung und den Kreisen beziehungsweise Gemeinden gab es bis zum Ende des letzten Jahrhunderts noch drei sogenannte Regierungsbezirke. Diese wurden auf Betreiben des damaligen Fdpministers Rainer Brüderle abgeschafft und durch „Aufsichtsund Dienstleistungsdirektionen“ersetzt, die nicht geografisch, sondern funktional begründet sind. Trotz kleinerer Probleme ist dies eine Erfolgsgeschichte.
Aber es ist fraglich, ob eine Umstrukturierung der darunterliegenden Ebene ähnlich erfolgreich sein kann, denn hier dominiert der direkte Kontakt des Bürgers mit „seinem“Rathaus. Im benachbarten Saarland hat man sich in den 1970er-jahren an solchen Gebietsreformen versucht. Damals wurden beispielsweise die Orte Brebach und Fechingen fusioniert und dann der Landeshauptstadt Saarbrücken zugeschlagen. Nun firmieren die beiden Orte unter dem offiziellen, aber wenig identitätsstiftenden Namen „Saarbrücken-brebach-fechingen“. Zudem dauerte es im Saarland deutlich länger als gedacht, bis sich das Einsparpotenzial auswirken konnte – was zum Teil auf politische Kuhhändel zurückgeht. So hatte sich Fechingen kurz vor der Fusion noch ein Hallen- und Freibad genehmigt, das heute von der Stadt Saarbrücken unterhalten werden muss. Ein weiteres Beispiel: Dudweiler war mit damals knapp 30 000 Einwohnern das größte Dorf Deutschlands, bevor es in den 1960er-jahren Stadtrechte erhielt. Aber die neue Stadt existierte nur wenig mehr als ein Jahrzehnt, dann wurde sie ebenfalls Saarbrücken zugeschlagen.
Identitätsgefühle und Geld
Als Entschädigung erhielt man einen eigenen Bezirksbürgermeister, eine eigene Stadtteilbibliothek und andere Kompensationen, die nur schwer abgeschafft werden konnten. Denn, wenn nun Dienste eingestellt werden müssen, wie die Schließung eben jener Stadtteilbibliothek, wird das als fremdbestimmter Verlust erlebt. Es gibt also die unüberschaubare Gemengelage von Identitätsgefühlen und Geld. Noch immer fühlen sich die Bürger von Dudweiler nicht als „Saarbrücker“.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) betonte deshalb, dass noch nichts entschieden sei. Er fuhr den beiden Gutachtern sogar in die Parade. Ein Beispiel: Lewentz legte sich fest, dass die heutige Stadt Frankenthal kein Stadtteil von Ludwigshafen werden soll. Ähnlich reagierte Lewentz auf den Vorschlag, alle Ortsgemeinden unter 300 Einwohnern aufzulösen: „Diesen Verlust der Eigenständigkeit wird es mit uns nicht geben.“Das Gutachten hatte vorgeschlagen, dass ein Ort künftig mindestens 300 bis 600 Einwohner aufweisen solle.
Möglich sind also eher Fusionen auf einer Ebene, wo die Bürger emotional weniger verwurzelt sind. So unterstützt die Landesregierung den Vorschlag, Kreise zu fusionieren und die Eigenständigkeit mittelgroßer kreisfreier Städte aufzuheben. Es könnte also bald nur noch 14 statt bisher 24 Landkreise und nur noch fünf statt bisher zwölf kreisfreie Städte geben: Mainz, Kaiserslautern, Koblenz, Trier und Ludwigshafen. Dagegen würden Landau, Neustadt, Pirmasens, Speyer, Worms und Zweibrücken die Kreisfreiheit verlieren. Aber auch hier betont die Landesregierung, dass die Identität nicht verloren gehen dürfe. „In jedem Fall behalten diese Städte ihre Oberbürgermeister, ihren Stadtrat, ihre Stadtverwaltung“, so Lewrenz.