Schattenboxen im Sonnenstaat
Mit einer Mischung aus Selbstlob, Attacken und Ressentiments eröffnet Donald Trump die Kampagne für seine Wiederwahl
Der Mann auf der Bühne der voll besetzten Arena hat die üblichen Verdächtigen schon abgewatscht, als er sich seine wichtigste Gegnerin vorknöpft. „Wenn Ihr wissen wollt, wie kaputt das System ist, müsst Ihr nur vergleichen, wie sie uns seit drei Jahren jagen, während Hillary ungeschoren davonkommt“, empört sich Donald Trump. Die Stimmung im Amway Center in Orlando kocht. „Lock her up!“(Sperrt sie ein!), grölt es aus 20 000 Kehlen.
Unwillkürlich möchte man in den Kalender schauen. Hillary Clinton hat die Us-präsidentschaftswahl 2016 verloren und spielt seither in der amerikanischen Politik keine Rolle mehr. Donald Trump sitzt seit zweieinhalb Jahren im Weißen Haus und kündigt vorgestern Abend seine Bewerbung für eine zweite Amtszeit ab 2020 an. Doch weite Strecken seiner Rede beschäftigen sich mit der Vergangenheit – der Mueller-untersuchung, dem angeblichen Sumpf in Washington und immer wieder Hillary Clinton. Mehr als ein halbes Dutzend Mal beschwört er ihren Namen, als handele es sich um einen bösen Geist. „Nur einer war besser als ich“„So etwas habt Ihr noch nicht gesehen“, hat Trump vor seinem Auftritt getwittert: „Es wird wild werden!“Den zweiten Teil des Versprechens löst er ein. Seine 80-minütige Bühnenshow im Sonnenstaat Florida gleicht einer bizarren Mischung aus politischem Aschermittwoch, fanatischer Sektenpredigt und enthemmtem Schattenboxen mit imaginären Gegnern. „Nur einer war besser als ich“, prahlt der 73-Jährige: „George Washington.“Seine Fans glauben es gerne. Doch der erste Teil von Trumps Ankündigung entpuppt sich als Bluff: Die offizielle Wahlkampferöffnung unterscheidet sich nur wenig von den üblichen Kundgebungen, die der Ex-realitytv-star alle paar Wochen veranstaltet.
Der Populisten-präsident setzt auf Bewährtes. Seine Rede gleicht einem „Best of“seiner eingängigsten Parolen, und sie folgt einem bekannten Schwarz-weiß-muster: Auf der einen Seite stehen die „hart arbeitenden Patrioten“, als deren größter Fürsprecher sich der Milliardär ausgibt, und auf der anderen Seite „die Lügenpresse“, „die kriminellen Ausländer“, der „wütende linksradikale Mob“und die ausländische Wirtschaftskonkurrenz. Kurzum: das Böse. Trump ist ein begnadeter Illusionskünstler, und sein erfolgreichstes Hilfsmittel ist die Angst. „Unsere politischen Gegner schauen mit Hass auf unsere Werte und mit blanker Verachtung auf die Menschen, deren Leben sie bestimmen wollen“, barmt er. Selbstlob, Übertreibungen, Ressentiments und Attacken wechseln sich in der Rede eilig ab. Als Erfolge listet Trump vor allem die boomende Wirtschaft, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und den Rechtsruck der Justiz auf. Die Außenpolitik streift er nur kurz. Umso heftiger fallen seine Warnungen vor den Einwanderern aus, die angeblich morden und Jobs wegnehmen. Ähnlich schlimm sind in seinen Augen die Demokraten, die „alle Grenzen öffnen“und „die Mittelschicht verraten“wollen. „Amerika wird nie ein sozialistisches Land“, verspricht der Präsident unter tosendem Beifall.
„Keep America Great“Statt „Make America Great Again“(Macht Amerika groß) soll der neue Slogan „Keep America Great“(Bewahrt Amerikas Größe) heißen. Entsprechend dünn wirkt das politische Programm. Wer erwartet hat, dass Trump neue Vorhaben vorträgt, wird enttäuscht – jedenfalls bis kurz vor dem Ende. Da verspricht der Präsident für die zweite Amtszeit in einem Satz mal eben die Entwicklung einer Therapie gegen Krebs, die Ausrottung von Aids und eine bemannte Marsmission. Sollte das nicht klappen, ist in vier Jahren garantiert Hillary Clinton schuld.