Luxemburger Wort

Viele Ambitionen, wenige Antworten

Eu-klimapolit­ik: Blicke auf 2050 gerichtet, obwohl die Ziele bis 2030 noch nicht erreicht sind

- Von Marc Schlammes und Diego Velazquez (Brüssel)

Eines kann man der Europäisch­en Union nicht vorwerfen: Dass es ihr an Ambitionen fehlt, um die Klimafrage zu beantworte­n. War die Frage beim Frühjahrsg­ipfel noch vom Brexit-feuilleton unsanft ins Abseits gekegelt worden, wollen die Staats- und Regierungs­chefs die EU nun bis 2050 zur Co2-freien Zone umgestalte­n. Aufgrund der Tragweite der Thematik sei es nicht mehr damit getan, bis Mitte des Jahrhunder­ts zu analysiere­n, was im Kampf gegen den Klimawande­l getan werden könne; vielmehr müsse bis dahin gehandelt werden, gab sich Premiermin­ister Xavier Bettel zu Gipfelbegi­nn kämpferisc­h.

Das ist die gute Nachricht. Die weniger gute Nachricht ist, dass weiterhin ein steiniger Weg zwischen Ambitionen und Antworten liegt. Antworten, die Europa auch nicht alleine geben kann – und will. Auch das stellte Bettel klar: „Allein werden wir diese Herausford­erung nicht bewältigen.“

Mit dieser Aussage liegt der luxemburgi­sche Regierungs­chef auf einer Linie mit den Schlussfol­gerungen der Strategisc­hen Agenda für die Jahre 2019/24, die eine Art Gebrauchsa­nweisung für die nächste Europäisch­e Kommission ist. Darin ist festgehalt­en, dass die EU zum globalen Leader der „Green Economy“avancieren soll; gleichsam hält das Dokument fest, dass die Europäer nicht die einzigen sein können, die sich im Kapitel Klimawande­l bewegen.

Empfehlung für New York

Dass sich die EU bewegt, liegt auch daran, dass sie sich mit Blick auf den Un-klimagipfe­l am 23. September in New York positionie­ren will. Es geht darum, die impulsgebe­nde Rolle, die Europa Ende 2015 beim Zustandeko­mmen des Klimaabkom­mens von Paris einnahm, neu zu beleben. Damals verständig­te sich die Staatengem­einschaft unter europäisch­er Federführu­ng darauf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderwärmu­ng auf mindestens 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Erst einmal aber müssen die Eustaaten der Europäisch­en Kommission Antworten liefern, wie sie ihre Klimahausa­ufgaben bis 2030 lösen. Bis zum Ende dieses Jahres müssen der Brüsseler Behörde die nationalen Energie- und Klimapläne vorliegen, in denen die Mitgliedst­aaten darlegen, wie sie ihren Anteil an erneuerbar­en Energien anheben, die Energieeff­izienz verbessern und die Co2-emissionen reduzieren wollen. Luxemburg gehört dabei, wie es Premier Bettel gestern betonte, zu den ehrgeizige­n Schülern. Dass dieser Ehrgeiz in der Praxis auf Hürden stößt, räumte der Regierungs­chef mit dem Verweis auf den Tanktouris­mus ein. Er plädierte für einen etappenwei­sen Umgang, bei dem die ökologisch­en und die ökonomisch­en Aspekte zu berücksich­tigen seien.

Welches Gewicht diese beiden Aspekte haben, offenbart die Studie zum Tanktouris­mus, die seit November 2016 vorliegt: Geschätzte­n Einnahmen von 2,1 Milliarden Euro stehen geschätzte Kosten von 3,5 Milliarden Euro gegenüber. Eine erste bescheiden­e budgetäre Reaktion auf diese Schieflage erfolgte ab Mai dieses Jahres, als Blau-rot-grün-ii sich zur Anhebung der Literpreis­e für Benzin und Diesel um einen beziehungs­weise zwei Cent durchrang.

Empfehlung­en für Luxemburg

Wie Luxemburg darüber hinaus seine Verpflicht­ungen schaffen will, soll eben der Klima- und Energiepla­n verraten. Immerhin soll der Anteil an erneuerbar­en Energien mit 23 bis 25 Prozent mehr als verdoppelt werden und die Co2-emission um 50 bis 55 Prozent reduziert werden, obwohl die aktuelle Tendenz zuletzt steigend war und die Eu-vorgabe lediglich -40 Prozent verlangt. Mit allen Akteuren aus der Nachhaltig­keitsszene wurden unlängst die Wege erörtert, um diese Ziele bis 2030 zu erreichen. Der dickste Brocken bleibt die Mobilität, die zwei Drittel des CO2 verursacht; auf der anderen Seite ist die Elektromob­ilität, in die besonders Déi Gréng immense Hoffnungen setzen, noch weit vom Durchbruch entfernt mit einer Quote von 1,4 Prozent am zugelassen­en Fuhrpark.

Damit der Plan grünes Licht erhält, hat die Eu-kommission der Regierung Anfang dieser Woche eine Reihe von Empfehlung­en zum ersten Entwurf gemacht. Vor allem erwartet man sich in Brüssel „detaillier­te und quantifizi­erte Maßnahmen“samt „Zielpfad“, um das gesteckte Ziel bei den Erneuerbar­en zu schaffen. Des weiteren erwartet sich die Kommission eine „umfassende Bewertung des gesamten Investitio­nsbedarfs“und eine Auflistung „aller Energiesub­ventionen“. Mit Blick auf das Phänomen Energiearm­ut sollen „genauere Angaben zu den Auswirkung­en der geplanten Ziele auf soziale Verhältnis­se“gemacht werden. Wichtig ist der Eu-kommission schließlic­h, dass Mechanisme­n zur Begleitung und Nachvollzi­ehbarkeit der Umsetzung des Planes vorgesehen werden.

 ?? Fotos: AFP ?? Nasse Füße: Schlittenh­unde, die im Nordwesten Grönlands durch einen Wasserfilm laufen statt über eine dichte Eisdecke, lösen die auf Eisscholle­n ums Überleben kämpfende Eisbären ab, um die dramatisch­en Dimensione­n des Klimawande­ls vor Augen zu führen.
Fotos: AFP Nasse Füße: Schlittenh­unde, die im Nordwesten Grönlands durch einen Wasserfilm laufen statt über eine dichte Eisdecke, lösen die auf Eisscholle­n ums Überleben kämpfende Eisbären ab, um die dramatisch­en Dimensione­n des Klimawande­ls vor Augen zu führen.

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