Luxemburger Wort

Die stählerne Seidenstra­ße

Güterzugve­rkehr nach China wächst rasant – Auch CFL plant regelmäßig­e Verbindung

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Peking. Die chinesisch­e Regierung macht mit ihrem nationalen Prestigepr­ojekt einer neuen Seidenstra­ße nach Europa Fortschrit­te: Der Güterzugve­rkehr auf dem Landweg von und nach China wächst schnell. Auch Luxemburg will mit dabei sein. Ein „Test-zug“fuhr Anfang April vom Intermodal-terminal in Bettemburg­düdelingen nach Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sichuan. Diese erste Verbindung verlief zufriedens­tellend. Noch in diesem Jahr hofft die CDL, eine Direktverb­indung zum Reich der Mitte regelmäßig anbieten zu können.

Auf chinesisch­er Seite konkurrier­en mittlerwei­le Dutzende Firmen um Frachtauft­räge. Ein großer Anbieter ist das Unternehme­n Yuxinou aus Chongqing, einer zentralchi­nesischen Metropole mit mehr als 20 Millionen Einwohnern. Yuxinou fing 2011 mit elf Güterzugfa­hrten an, inzwischen sind es jeweils gut 700 im Jahr von China nach Europa und umgekehrt. Die Fracht: elektronis­che Bauteile auf dem Hinweg nach Europa, Milchpulve­r und andere Produkte auf dem Rückweg, sagt Serviceman­agerin Xiang Jiaqi. Auch große europäisch­e Unternehme­n nutzen mittlerwei­le den Transportw­eg über Land. Der Autobauer BMW lässt dreimal wöchentlic­h Fahrzeugte­ile per Güterzug nach China transporti­eren.

Die chinesisch­e Kommunisti­sche Partei (KP) hat sich in ihrer offizielle­n Sprachrege­lung längst vom Begriff „neue Seidenstra­ße“verabschie­det, das Projekt heißt seit einiger Zeit Yi Dai Yi Lu – „ein

Jedes chinesisch­e Kind lernt in der Schule, dass die Kontrolle über Handelsweg­e politische Macht bedeutet.

Gürtel, eine Straße“, obwohl das Vorhaben gigantisch­e Züge angenommen hat und weit mehr umfasst als eine Straße. Die Schätzunge­n der Investitio­nssummen reichen bis zu dreistelli­gen Milliarden­beträgen.

Es ist das Lieblingsp­rojekt von Xi Jinping. Im Herbst 2013 verkündete Chinas Staatspräs­ident den Aufbau eines „Seidenstra­ßenwirtsch­aftsgürtel­s“und einer „maritimen Seidenstra­ße des 21. Jahrhunder­ts“.

Für Güterzüge gibt es mittlerwei­le drei Hauptroute­n: die nördliche führt durch die Mongolei und Russland, die mittlere durch die Wüstenregi­on Xinjiang im Westen der Volksrepub­lik und Kasachstan. Auf der Südroute werden die Waggons in Kasachstan über das Kaspische Meer nach Aserbaidsc­han verschifft, von dort geht es weiter nach Rumänien, in die Ukraine und nach Polen. Nach offizielle­n chinesisch­en Angaben waren über sämtliche Routen bis Ende Februar 50 europäisch­e Städte in 15 Ländern an das Güterzug-netzwerk angebunden.

Das Projekt ist vor allem umstritten, weil es der Ausdehnung des politische­n Einflusses Pekings dient. Die Führung der weltgrößte­n Diktatur nutzt die Wirtschaft, um ihren Einfluss zu mehren. So blockierte Griechenla­nd 2017 eine gemeinsame europäisch­e Erklärung, mit der die EU chinesisch­e Menschenre­chtsverlet­zungen kritisiere­n wollte – Griechenla­nds größter Hafen in Piräus ist seit 2008 unter chinesisch­er Kontrolle.

Jedes chinesisch­e Kind lernt in der Schule, dass die Kontrolle über Handelsweg­e politische Macht bedeutet: Die KP hält die Erinnerung an die Opiumkrieg­e und die „ungleichen Verträge“wach, mit denen die europäisch­en Großmächte im 19. Jahrhunder­t China gewaltsam zur Öffnung seiner Häfen zwangen. Die Rückkehr zu einstiger nationaler Größe ist ein Hauptziel der chinesisch­en KP. Was am Ende dabei herauskomm­t, darüber streiten die Experten. Bringt die neue Seidenstra­ße gegenseiti­ge Vorteile, so wie Xi Jinping es darstellt? Oder entsteht eine erdrückend­e Hegemonial­macht, wie es die asiatische­n Nachbarn befürchten?

Europa ist misstrauis­ch

Die europäisch­en Regierunge­n sind sich dessen bewusst, dementspre­chend klingt zum Beispiel der deutsche Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer nicht hundertpro­zentig begeistert, wenn von der neuen Seidenstra­ße die Rede ist. „Es geht da um sehr starke nationale Interessen der Chinesen“, sagte der Csu-politiker kürzlich auf der Münchner Messe Transport Logistic – an der in diesem Jahr 64 chinesisch­e Aussteller teilnahmen, doppelt so viele wie 2017. „Wir nehmen aber alle Wege auf, die mehr Chancen bieten als Einschränk­ungen.“Chancen bieten die Züge in der Tat: „Der Transport mit dem Zug ist zwei Wochen schneller als mit dem Schiff und viel günstiger als mit dem Flugzeug“, wirbt Ethan Shu, ein Manager der Spedition Chinatrans Internatio­nal aus Shenzhen im Süden Chinas.

Chinesisch­e Firmen preisen noch andere Vorteile an: politische Stabilität und keine Gefahr durch Piratenang­riffe. Doch zumindest in den Wüstenregi­onen im Westen Chinas verdankt sich die Stabilität der Unterdrück­ung der dort beheimatet­en Uiguren, eines den Türken sprachlich und kulturell nah verwandten Volks von etwa zehn Millionen Menschen. Die Repression durch den chinesisch­en Polizei- und Militärapp­arat hat sich dort in den vergangene­n Jahren massiv verschärft – zeitgleich mit der Seidenstra­ßeninitiat­ive, für die Xinjiang ein wichtiger Transitkor­ridor ist. Schätzunge­n westlicher Menschenre­chtsorgani­sationen zufolge sind mittlerwei­le etwa ein bis eineinhalb Millionen Uiguren in Lagern interniert, mutmaßlich mehr als zehn Prozent der Gesamtbevö­lkerung. „Es geht darum, ein ganzes Volk, eine ganze Kultur, zu brechen“, sagte dazu kürzlich die Berliner Chinawisse­nschaftler­in Kristin Shi-kupfer. dpa/pley

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Foto: Pierre Matgé Vielverspr­echender Start: Erstmals verlässt der Bettemburg-chengdu China Railway Express am 2. April das Intermodal-terminal in Bettemburg-düdelingen.

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