Frischer Wind
Nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens mit der EU: Japans Wirtschaft öffnet sich nach innen und außen
Ende Juni findet in Osaka der G20gipfel statt. Die Wirtschaft des Gastgeberlandes Japan steht in enger Wechselbeziehung zu den größten Wirtschaftsnationen, den USA und China. Das jüngst abgeschlossene Freihandelsabkommen mit der EU, das „Economic Partnership Agreement“(EPA), hat die größte Freihandelszone der Welt geschaffen und stellt ein symbolisches Gegengewicht zum zunehmenden Protektionismus dar. Darüber hinaus durchläuft Japan aktuell weitere Transformationen, die Investoren interessante Möglichkeiten bieten.
Der andauernde Handelskonflikt zwischen den USA und China hat seine Spuren in der Handelsbilanz Japans hinterlassen. Vor allem aus der Volksrepublik China ist die Nachfrage nach Produkten aus Japan deutlich zurückgegangen. Für das exportorientierte Land sind die USA und China die wichtigsten Abnehmerländer. Nach den zuletzt veröffentlichten Daten der Regierung in Tokio hat das japanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Januar und März 2019 auf das Jahr hochgerechnet – trotz eines Rückgangs des Exports um 2,4 Prozent – dennoch um 2,1 Prozent zugelegt.
Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Japan und der EU am 1. Februar 2019 wurde ein wichtiges Zeichen gegen den zunehmenden Protektionismus, der vor allem durch die USA vorangetrieben wird, gesetzt. Das über fünf Jahre in 19 Runden ausgehandelte und im Juli 2018 unterzeichnete EPA liefert bedeutende Impulse für eine weitere Ankurbelung der japanischen und europäischen Wirtschaft. Der breite japanische Aktienindex Topix hat seit dem Inkrafttreten von EPA bisher nur verhalten positiv darauf reagiert und innerhalb von drei Monaten um drei Prozent auf 1 622 Punkte zugelegt.
Für Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist die EU eine der wichtigsten Wirtschaftszonen für den Handel: Insbesondere Waren aus dem Maschinenund Automobilbau, der Elektronik- und der Chemieindustrie werden exportiert. Für die EU ist Japan der zweitwichtigste Handelspartner in Asien. Fast 74 000 Eu-unternehmen exportieren nach Japan, 78 Prozent davon sind kleine und mittlere Firmen. Dienstleistungen haben dabei einen größeren Anteil als Waren. Hauptexportgüter sind Arzneimittel, Medizinprodukte, Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, Kraftfahrzeuge und Beförderungsmittel.
Zölle auf Exporte fallen weg
Welche Regelungen für den Handel zwischen der EU und Japan gelten nun nach Inkrafttreten des „Economic Partnership Agreement“? Mittelfristig sollen 94 Prozent aller japanischen Exporte in die EU zollfrei werden. Schon jetzt entfallen für japanische Unternehmen 14 Prozent Einfuhrzoll für elektronische Geräte oder zehn Prozent für Autos. Für die EU sind 90 Prozent der Zölle auf Exporte nach Japan weggefallen. Nach Auslaufen verschiedener Übergangsfristen werden es sogar 97 Prozent sein. Auch bei den Dienstleistungen und nicht tarifären Handelshemmnissen wurden entscheidende Fortschritte erzielt. Mit dem Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen wird der Freihandel auf eine nachhaltige Grundlage gestellt.
Japanische und europäische Unternehmen profitieren vom Freihandelsabkommen, ist die größte denn durch den Abbau der Zölle und weiterer Handelshemmnisse ist es erheblich günstiger geworden, Waren und Dienstleistungen in die jeweils anderen Märkte zu exportieren. Japanische Unternehmen zeichnen sich durch moderate Bewertungen, Rekordgewinne im ersten Quartal 2019 und eine erhöhte Transparenz dank Corporate-governance-reformen aus. Besonders Unternehmen aus exportorientierten Branchen wie Autohersteller oder Elektronikunternehmen dürften durch das EPA Umsatz- und Gewinnsteigerungen verzeichnen.
Japan öffnet sich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Nach der Thronbesteigung Kaiser Naruhitos am 1. Mai weht ein frischer Wind durchs Land. Die „Reiwa“genannte neue Ära wird einige Änderungen mit sich bringen. Daher können auch wachstumsstarke Unternehmen profitieren, die Lösungen für heimische Herausforderungen anbieten. Die demografische Entwicklung mit einer homogenen alternden Bevölkerung und einer niedrigen Geburtenrate stellt nicht genügend Fachkräfte für den japanischen Arbeitsmarkt sicher. Von den rund 125 Millionen Einwohnern Japans sind lediglich 1,5 Millionen (ein Prozent) Ausländer. Auch wenn die japanische Regierung das Land für ausländische Fachkräfte öffnen will, ist der Fachkräftemangel für die nächsten Jahre nicht gelöst. Softwareunternehmen, deren Produkte dazu beitragen, Arbeitsabläufe ressourcenarm und effizient zu gestalten, bieten gute Investmentchancen. Die japanische Regierung plant auch, den Tourismus stärker auszubauen. Die Olympischen Spiele in Tokio im nächsten Jahr sowie die Weltausstellung im Jahr 2025 dürften dazu gute Gelegenheiten bieten. Vor diesem Hintergrund erscheinen Unternehmen, deren Produkte durch Touristen nachgefragt werden wie Hotels oder Discounter, als gute Anlagemöglichkeiten.
Ein weiterer interessanter Investmentbereich ist 5G, das in den nächsten Jahren ausgebaut wird. Kapitalinvestitionen in Informationsund Kommunikationsausrüstung sind in Japan 2018 um 60 Prozent und 2017 um 40 Prozent gestiegen. Insofern können Techwerte eine vielversprechende Investition sein. Zusammenfassend können wir sagen, dass infolge des Strukturwandels japanische Unternehmen äußerst profitabel sind. Die Gewinnmargen befanden sich 2018 auf einem Rekordniveau, das seit einigen Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde. Mitsuhiro Yuasa Fondsmanager
E. I. Sturdza Strategic Management Ltd.