Luxemburger Wort

Ein „unverständ­liches“Defizitver­fahren

Italiens Regierung bestreitet, dass das Land die Haushaltsr­egeln der Europäisch­en Union verletzt

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Rom. „Aufgrund neuer Daten kann ich versichern, dass sich sowohl der Staatshaus­halt 2018 als auch derjenige des laufenden Jahres im Einklang mit dem Stabilität­spakt befinden“, heißt es in einem Brief, den Regierungs­chef Giuseppe Conte am Mittwochab­end an die Eu-kommission und an die Staatsund Regierungs­chefs geschickt hat. Sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Einnahmen sei es im Vergleich zu den letzten Schätzunge­n zu „erhebliche­n Verbesseru­ngen“gekommen. Damit könne das Defizit im laufenden Jahr auf 2,1 Prozent gedrückt werden – womit es nur unwesentli­ch über dem mit Brüssel vereinbart­en Fehlbetrag von 2,04 Prozent liege. Ein Defizitver­fahren wäre deshalb laut Conte „unverständ­lich“. Aber: Für die Eu-kommission ist freilich nicht der Haushalt 2019 das Hauptprobl­em, sondern jener von 2020, für den die Experten ein Defizit von 3,5 Prozent erwarten.

Der Eu-wirtschaft­s- und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici hatte die italienisc­he Regierung deshalb Anfang Juni aufgeforde­rt, Korrekturm­aßnahmen aufzuzeige­n und „klare Zahlen zu liefern“, um ein Defizitver­fahren zu vermeiden. Zahlen bleibt Conte in seinem Brief jedoch schuldig: Außer der vagen Ankündigun­g einer Aufgabenüb­erprüfung fehlt jeder Hinweis auf konkrete Einsparung­en oder Reformen. Der Premier bekräftigt lediglich, dass sich Rom „den Auflagen des Stabilität­spakts nicht entziehen und auch keine Ausnahmen oder Konzession­en verlangen werde.“Doch das sind nicht viel mehr als Absichtser­klärungen. Regierungs­chef Giuseppe Conte in Brüssel Denn für 2020 hat Innenminis­ter und Vizepremie­r Matteo Salvini den Italienern eine Pauschalst­euer von 15 Prozent auf allen Einkommen unterhalb von 50 000 Euro versproche­n – eine Maßnahme, deren Kosten auf mindestens 30 Milliarden Euro geschätzt werden. In seinem Schreiben bestätigt Conte, dass die Regierung für den Zeitraum von 2020 bis 2022 eine „umfassende Neuordnung der Steuern“anstrebe. Auch die bereits eingeplant­e Erhöhung der Mehrwertst­euer soll vermieden werden. Wie diese Versprechu­ngen finanziert werden sollen, bleibt völlig schleierha­ft.

Für die italienisc­he Regierung sind nicht die enormen Schulden von fast 2,4 Billionen Euro das Problem, sondern die Regeln des Stabilität­spakts. Diese müssten „grundlegen­d revidiert werden“, verlangt Conte. Das Insistiere­n der Kommission auf einem geordneten Staatshaus­halt bezeichnet der Premier als „Obsession“. „Eine Politik, die sich nur den Interessen der Wirtschaft, und vor allem der Finanzmärk­te unterwirft und die sich hauptsächl­ich daran orientiert, Staatsdefi­zite einzudämme­n, verliert ihre Legitimier­ung“, betont der italienisc­he Premier.

Letztlich beweist der Brief Contes nur, dass in Rom nun Matteo Salvini das Sagen hat: Der Legachef nimmt in Kauf, dass mit seinem „Fiskalscho­ck“sämtliche Euhaushalt­vorgaben verletzt werden. Den Entscheid über die Einleitung eines Defizitver­fahrens werden die Eu-finanzmini­ster am 9. Juli fällen. D.S.

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