Zentralbanken läuten Zinswende ein
Anleger zeigen sich erleichtert: Die Kurse an den internationalen Aktienbörsen ziehen auf breiter Front an
Luxemburg. An den internationalen Finanzmärkten hellte sich die Anlegerstimmung in den vergangenen fünf Handelstagen weiter auf. Zwar wiesen auch die jüngsten Konjunkturdaten angesichts der protektionistischen Us-politik auf eine sich weiter abschwächende Weltkonjunktur hin. Der sich deutlich abzeichnende Schwenk der global einflussreichen Zentralbanken hin zu einer wieder expansiveren Geldpolitik drängte entsprechende Sorgen jedoch in den Hintergrund.
Auch keimten Hoffnungen, es könnte auf dem Ende des Monats anstehenden G20-gipfel zu einer Annäherung zwischen den USA und China kommen. Selbst die Aussicht, dass mit Boris Johnson demnächst ein Brexit-hardliner britischer Premierminister sein könnte, sowie der ungelöste Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU, vermochten es nicht, die Zuversicht entscheidend zu trüben. An den Rand gedrängt wurden darüber hinaus die weiter zunehmenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran sowie ein sich zusätzlich abzeichnender Konflikt zwischen der EU und der Türkei. Wegen des insgesamt aufkommenden Optimismus erfreuten sich Risikoanlagen einer stärkeren Nachfrage.
In Folge zogen die Kurse an den internationalen Aktienbörsen auf breiter Front an. Gemessen an den weltweit bedeutenden Kursbarometern setzte sich der Eurostoxx-50-index mit einem Zuwachs von knapp drei Prozent an die Spitze der Aufwärtsbewegung. Auch in den anderen Marktsegmenten traten deutliche Kursänderungen ein. Vor dem Hintergrund der sich international abzeichnenden Lockerung der Geldpolitik zogen auch die Kurse der als sicher angesehenen Staatsanleihen weiter an. Im Ergebnis gaben die Kapitalmarktrenditen weiter nach. So fiel die Rendite der in der Eurozone führenden Staatsanleihe Deutschlands mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren in der Spitze auf unter -0,3 Prozent. Gold profitierte ebenfalls von dem Renditeverfall, weil auch die Opportunitätskosten der Goldhaltung abnahmen. Der Feinunzenpreis legte um mehr als 40 Us-dollar auf knapp unter 1 385 Us-dollar zu. Beobachter verwiesen darüber hinaus auf das sich weiter eintrübende Risikoumfeld, das doch einige Investoren zu verstärkter Vorsicht veranlasste.
Zentralbanken im Lockerungsmodus
Den Auftakt für eine künftig wieder lockerere Geldpolitik läutete die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Der EZB-CHEF Draghi erklärte auf der Ezb-konferenz in Sinatra, Portugal, dass wegen der sich weiter eintrübenden Weltkonjunktur und des nach wie vor zu niedrigen Preisdrucks erneute geldpolitisch stimulierende Maßnahmen erforderlich sein könnten. Dabei schloss er explizit erneute Zinssenkungen nicht aus. Daneben bestünde u. a. weiter Raum, das Anleihenkaufprogramm wieder aufzunehmen.
Einige Fachleute erwarten daher, dass die EZB ihren Einlagezinssatz bereits im Juli um weitere zehn Basispunkte auf -0,5 Prozent zurücknimmt. Auf Lockerungsmodus schwenkte darüber hinaus die Us-notenbank ein. Zwar beließ die Zentralbank ihren Leitzinssatz unverändert bei maximal 2,5 Prozent, ihre Vertreter verwiesen jedoch auf die existierenden Konjunkturrisiken sowie den unzureichenden Preisdruck und erklärten ihre Bereitschaft, gegebenenfalls geldpolitische Lockerungsmaßnahmen vorzunehmen.
Einige Investoren erwarten nunmehr ebenfalls bereits im Juli eine erste Leitzinssenkung. Das geldpolitische Entscheidungsgremium der japanischen Zentralbank bekräftigte auf seiner Sitzung, gleichsam nötigenfalls zusätzliche expansive geldpolitische Schritte einzuleiten. Der Chef der australischen Notenbank, Philip Lowe, erklärte darüber hinaus, die zuletzt erfolgte Absenkung des Leitzinses sei wahrscheinlich nicht ausreichend, das Wachstum anzukurbeln. Gegen den allgemeinen Lockerungstrend stemmte sich lediglich die norwegische Zentralbank. Sie hob ihren Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 1,25 Prozent an.
Wachstumsrisiken nehmen weiter zu
Die diese Woche veröffentlichten Wirtschaftsdaten deuteten wiederum auf eine weltweit weiterhin abflauende Konjunkturdynamik hin. So nahm beispielsweise der Preisdruck in der Eurozone weiter ab. Die jährliche Inflationsrate gab im Mai um 0,5 Prozentpunkte auf 1,2 Prozent nach und unterschreitet damit das von der EZB angepeilte Niveau von nahezu zwei Prozent wieder erheblich.
Daneben schwächte sich der Überschuss in der Handelsbilanz im April ab. Verantwortlich hierfür war der Export. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung in den Handelspartnerländern begrenzte deren Nachfrage nach europäischen Gütern. In Japan drang die Handelsbilanz im Mai sogar tief in den roten Bereich vor. Hatte sich der vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ermittelte Indikator der Konjunkturerwartungen in den vergangenen Monaten wieder in den positiven Bereich vorgearbeitet, sackte er im Juni mit minus 18,6 wieder nennenswert in den roten Bereich ab.
Jörg H. Hahn DZ Privatbank S. A.
Einige Investoren erwarten nunmehr bereits im Juli eine erste Leitzinssenkung.