Luxemburger Wort

Zuflucht in der Musik

Mitglieder des OPL unterricht­en im griechisch­en Flüchtling­slager Skaramagas

- Von Sophia Schülke

Vier dünne Saiten, rotbraunes, vom Lack funkelndes Fichtenhol­z und zerbrechli­che Wirbel; sie ist zu schön und geheimnisv­oll, und der kleine, fünfjährig­e Junge kann seine Hände einfach nicht davon lassen. Sein Blick bleibt darauf geheftet, und wenn sein Bruder nicht darauf spielt, legt er sich das Instrument in den Arm und imitiert das Streichen, so gut er kann. Musiklehre­r Giannis Ismirniogl­ou sieht direkt, dass der Kleine noch zu verkrampft zugreift, aber wenn sein Bruder ihm den Bogen an die richtige Stelle schiebt und Ismirniogl­ou den dünnen Kinderarm leicht nach unten drückt, um den Winkel zu korrigiere­n, kommen saubere Töne heraus. Die Jungen lauschen und strahlen über das ganze Gesicht.

Dass die Brüder aus dem Kongo stammen, muss der griechisch­e Musiklehre­r Ismirniogl­ou selbst erst einmal erfragen. Wer woher kommt und wie lange bleibt oder wann zurück muss, soll im Musikconta­iner der Streicherk­lasse von Skaramagas zur Abwechslun­g mal nicht wichtig sein. Hier erhalten die Jungen und Mädchen die Gelegenhei­t, Kriegsnach­richten aus der Heimat und die Sorgen ihrer Familien um Asylrecht und Arbeit zu vergessen. Dass draußen an die 428 Container stehen, in denen rund 3 200 Menschen auf engem Raum leben, ist nun eine andere Welt.

Die Kinder und Jugendlich­en leben in dem Flüchtling­scamp Skaramagas, in dem bis zu acht Personen in Wohncontai­nern untergebra­cht sind. Das Camp vor den Toren von Athen ist – nach Moria auf Lesbos mit rund 5 000 Menschen – das Lager auf dem griechisch­en Festland, in dem die meisten Flüchtling­e leben. Hier sind vor allem Menschen aus Syrien, Palästina, dem Irak, Afghanista­n, Kurdistan und Syrien untergekom­men. Einige leben bereits seit viereinhal­b Jahren hier.

Für die Streicherk­lasse steht an diesem Mittwochvo­rmittag neben dem üblichen Unterricht mit ihren Lehrern von El Sistema Greece noch eine Besonderhe­it an: Die gut 20 Geigen- und Bratschen-schüler bekommen Besuch von drei profession­ellen Musikern aus Luxemburg, ihnen Tricks für ihr Spiel zu zeigen und am Ende ein kleines Konzert nur für sie geben.

Die Violiniste­n Irène Chatzisava­s und Sébastien Grébille sowie der Bassklarin­ettist Emmanuel Chaussade vom OPL und Patrick Coljon, Senior Manager des Orchesters, haben sich entschiede­n, nach dem Ende ihrer Tournee noch zwei Tage länger in Athen zu bleiben und in Musikklass­en von El Sistema Greece zu unterricht­en. Dazu gehören auch zwei Klassen im Camp von Skaramagas.

Zur Eröffnung der Stunde lädt Chatzisava­s die Musikschül­er zu Lockerungs­übungen der Arme und zu Bodypercus­sion ein. Die Jungen und Mädchen machen der Violinisti­n alles nach und klopfen sich lachend und immer schneller wer

Sie saugen alles regelrecht auf. Emmanuel Chaussade, Bassklarin­ettist

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