Drama, Wut, Diskussionen
Videobeweis und neue Regelung führen zu großem Ärger bei der Fußball-wm der Frauen
Paris. Der Videobeweis sorgt auch wieder bei der Fußball-wm der Frauen für Ärger. In der dramatischen Schlussphase des finalen Gruppenspiels zwischen Schottland und Argentinien im Pariser Parc des Princes ließ die Unparteiische Ri Hyang-ok beim Stand von 3:2 einen parierten Foulelfmeter der Südamerikanerinnen wiederholen. Der Videoassistent hatte die Nordkoreanerin darauf hingewiesen, dass Torhüterin Lee Alexander bei der Ausführung des Strafstoßes die Torlinie um wenige Zentimeter verlassen hatte.
Das Ende vom Lied? Florencia Bonsegundo versenkte den zweiten Versuch zum Ausgleich, das Unentschieden nach 3:0-Führung bedeutete das bittere Aus für den Wm-neuling Schottland. Es folgten blankes Entsetzen und Tränen bei den Britinnen – zumal trotz langer Var-unterbrechung viel zu kurz nachgespielt wurde. Alles dank der Anwendung der neuen Richtlinie der Regelhüter des Weltverbandes FIFA.
Es wird genauer hingeschaut
Seit dem 1. Juni gilt die eigentlich zum Wohle der Keeper modifizierte Vorschrift, dass im Moment der Ausführung (nur) ein Fuß die Linie berühren muss. Früher waren es beide Füße, doch erst jetzt wird – bei der WM mithilfe der ausschließlich männlichen Schiedsrichter vor den Bildschirmen – genau hingeschaut. In Frankreich war es nach dem Siegtor der Gastgeberinnen gegen Nigeria (1:0) und dem Führungstreffer von Italien gegen Jamaika (5:1) bereits der dritte Vorfall dieser Art. Experten und Betroffene gehen auf die Barrikaden.
„Lee hat 27 Jahre lang Elfmeter so trainiert und jetzt bei einer WM sagen wir: ,Nein, das geht so nicht, du musst ganz anders trainieren!‘ Das ist lächerlich“, brachte es die schottische Ex-nationaltorhüterin Gemma Fay bei der BBC auf den Punkt. „Ich halte diese konsequente Umsetzung der Regel mit VAR für blanken Unsinn! Es sollte im Ermessen des Schiedsrichterteams bleiben“, forderte Ralf Kellermann, sportlicher Leiter der Frauenabteilung des VFL Wolfsburg und in seiner aktiven Zeit selbst Torwart, in seiner „Kicker“kolumne. Denn: „Es wird im Frauenfußball fast unmöglich, mit dieser Regel noch einen gut platzierten Elfmeter zu halten.“
Die Fachleute vom Schiedsrichter-blog „Collinas Erben“fordern ebenfalls: „Seht darüber hinweg, wenn das zweite Bein einen halben Meter vor der Linie ist. Lasst den VAR nur in krassen Fällen eingreifen.“
Zumal der Regelverstoß mit einer Gelben Karte geahndet wird – ein Elfmeterschießen unter diesen Bedingungen dürfte zur Farce werden, wenn eine verwarnte Torhüterin zur Passivität verdammt ist. sid