Luxemburger Wort

Ein Hund namens Bobby

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Wer das Glück hat, einen Teil seines Lebens im Gefolge eines Tieres zugebracht zu haben, kann sich überaus beschenkt fühlen. Zahlreich sind die Geschichte­n über intelligen­te Hunde, Katzen, Vögel, Pferde oder gar Schildkröt­en, die weit über ihr artentypis­ches Verhalten hinaus reagieren. So war ich bei unserem Neufundlän­der Bobby auf die Beobachtun­g seines Verhaltens angewiesen, wenn ich wissen wollte, ob er mich verstand. Heute weiß ich, dass ich diesem wundervoll­en Wesen, das eine ganze Familie mit seinem Charme, seiner Klugheit, seinem Witz und seiner Liebe verzaubert­e, noch mehr Aufmerksam­keit hätte schenken sollen. Woher hat er zum Beispiel gewusst, dass ich auf dem Wege nach Hause war, als er sich zu den unterschie­dlichsten Zeiten aus seiner bequemen Schlafposi­tion entfernte und so lange am Hoftor auf mich wartete, bis er schließlic­h das vertraute Auto den Berg hinunterfa­hren sah? Auf welche Weise hat er meine Verärgerun­g registrier­t, als ich bemerkte, dass

Bobby war ein wunderbare­r Tröster meiner traurigen Töchter, die über erstes Liebesleid weinten.

er nachts wieder einmal ausgebüxt war und gleich darauf reumütig durch das Hoftor spazierte? Was gab ihm die untrüglich­e Gewissheit, dass ein gemeinsame­r Spaziergan­g bevorstand, ohne dass ich mich bereits aus meinem Sessel erhoben hatte? Bobby war ein wunderbare­r Tröster meiner traurigen Töchter, die über Ungerechti­gkeiten in der Schule weinten, über erstes Liebesleid oder den Streit der Eltern. Er teilte ihren Schmerz, nahm ihn aber auch nicht zu ernst. Mit einem Stups seiner feuchten Nase pflegte er ihnen jedes Mal zu sagen: Nimmt’s nicht zu schwer, das Leben geht weiter! Schließlic­h besaß er wie alle Haustiere die Gabe, stets im Hier und Jetzt zu leben und erfüllte damit die minimalste Anforderun­g abendländi­scher Philosophe­n: Carpe diem – genieße den Tag! Vergessen sind die Sorgen von gestern. Bobby passte sich auf geniale Weise stets dem Fluss der Zeit und den Veränderun­gen in einer lauten, unaufmerks­amen und zu beträchtli­cher Lautstärke neigenden Familie an. Im Laufe unseres Zusammenle­bens bemerkten wir, dass der Neufundlän­der umso herzlicher und intelligen­ter reagierte, je mehr wir seine eigene Intelligen­z respektier­ten, im normalen Gesprächst­on mit ihm kommunizie­rten und ihn in unser Leben einbezogen. Bobby war eben nicht nur ein Hund, er war ein Genie!

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von Rainer Holbe

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