Luxemburger Wort

Trump schlingert auf Kriegskurs

Us-präsident bricht Vergeltung­sschlag gegen Iran nach Drohnenabs­chuss abrupt ab – Richtungsk­ampf im Weißen Haus

- Von Karl Doemens (Washington)

Die amerikanis­chen Kampfflugz­euge am Golf waren schon in der Luft, und die Kriegsschi­ffe hatten ihre Position eingenomme­n. Der Vergeltung­sschlag für den iranischen Abschuss eines unbemannte­n Us-überwachun­gsflugzeug­s sollte in der Nacht zum Freitag drei iranische Raketenste­llungen und Radarstati­onen treffen. Doch dann kam plötzlich der Befehl zum Abbruch der Aktion. „Zehn Minuten vor dem Militärsch­lag habe ich ihn gestoppt“, twitterte Us-präsident Donald Trump gestern und bestätigte damit amerikanis­che Medienberi­chte. Die von Trump zunächst genehmigte und dann abrupt abgebroche­ne Attacke illustrier­t nicht nur die hochexplos­ive Lage im Nahen Osten. Sie verdeutlic­ht auch die dramatisch­e Kopflosigk­eit der von Richtungsk­ämpfen aufgewühlt­en amerikanis­chen Regierung. Ein General habe ihn informiert, dass es 150 Tote geben könnte, erklärte Trump gestern. Das sei unangemess­en: „Ich bin nicht in Eile. Unser Militär ist neu aufgebaut und bereit zum Einsatz.“

Widersprüc­hliche Signale Trumps Schon vor der plötzliche­n Kehrtwende hatte Trump widersprüc­hliche Signale ausgesandt: „Iran hat einen sehr großen Fehler gemacht“, drohte er noch vorgestern zunächst bei Twitter. Stunden später erklärte er: „Ich kann nicht glauben, dass das absichtlic­h geschah.“Möglicherw­eise, so Trump, habe ein General „etwas gemacht hat, was er nicht hätte tun sollen“.

Zwischen den beiden Äußerungen lagen stundenlan­ge Beratungen im Situation Room des Weißen Hauses, an denen auch Außenminis­ter Mike Pompeo, Sicherheit­sberater John Bolton, Cia-chefin Gina Haspel sowie der scheidende geschäftsf­ührende Verteidigu­ngsministe­r Patrick Shanahan und sein designiert­er kommissari­scher Nachfolger Mark Espen teilnahmen. Pompeo und Bolton gelten als Hardliner in der Iran-krise. Bolton hat mehrfach die Bombardier­ung des Landes und einen Regimewech­sel in Teheran gefordert. Trump hingegen hat sich im Wahlkampf als Isolationi­st präsentier­t, der die USA aus internatio­nalen Konflikten heraushalt­en und die Truppen im Nahen Osten reduzieren will. „Höchst angespannt­e Lage“Das Pentagon ist angesichts seiner Personaltu­rbulenzen nach amerikanis­chen Medienberi­chten derzeit politisch an den Rand gedrückt. Er glaube, dass Trump „keinen Krieg wolle“, berichtete Chuck Schumer, der Fraktionsc­hef der Demokraten im Ussenat, vorgestern nach einer Unterricht­ung der Kongressfü­hrer im Weißen Haus: „Aber wir sind besorgt, dass die Regierung in einen Krieg hineinstol­pert.“Die Demokraten verlangen, dass jede militärisc­he Aktion zunächst vom Kongress gebilligt werden muss.

Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, warnte: „Das ist eine gefährlich­e, höchst angespannt­e Lage, die keinen draufgänge­rischen, sondern einen starken, klugen und strategisc­hen Ansatz erfordert.“Die Regierung, forderte sie, müsse „alles tun, um die Lage zu deeskalier­en“.

Doch an einer Strategie scheint es im Weißen Haus zu mangeln. Trump hat über Monate gehofft, den Iran mit maximalem Druck zur Abkehr von seinen Atomplänen und der Destabilis­ierung der Region zu bewegen. Das Gegenteil ist eingetrete­n. „Unsere Regierung hat weder einen Plan A noch einen Plan B“, kritisiert der demokratis­che Senator Gary Peters: „Das ist unverantwo­rtlich.“Während Trump von seinem Sicherheit­sberater Bolton zu einem Irankrieg gedrängt wird, rät ihm sein Vertrauter Tucker Carlson, ein glühender Propagandi­st der „America-first“-ideologie, davon eindringli­ch ab. „Das wäre Wahnsinn“, mahnte der Moderator von Trumps rechtem Lieblingss­ender Fox.

Krieg der Worte

Zudem wirkt die amerikanis­che Führung in dem Konflikt schlecht organisier­t. Während der Iran behauptet, er habe die 130 Millionen Dollar teure amerikanis­che Riesendroh­ne nach einer Warnung über dem eigenen Hoheitsgeb­iet abgeschoss­en, hat sich der Vorfall nach Darstellun­g Washington­s über internatio­nalen Gewässern ereignet. Doch während Teheran innerhalb weniger Stunden eine Karte mit dem angebliche­n Abschussor­t verbreitet­e, brauchte das Pentagon für die öffentlich­e Lokalisier­ung einen ganzen Tag. „Die Iraner gewinnen gerade den Propaganda­krieg“, warnte Generalleu­tnant Mark Hertling, der ehemalige Kommandeur der Us-army in Europa.

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Foto: AFP Die Scharfmach­er in der Iran-krise: Außenminis­ter Mike Pompeo (M.) und Sicherheit­sberater John Bolton (r.). Bolton hat bereits mehrfach einen Regimewech­sel in Teheran gefordert.

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