Luxemburger Wort

Poetisch und meditativ

Choreograf William Forsythe lässt sieben Tänzer über die Bühne des Grand Théâtre fließen

- Von Jessica Maria Rauch Von New York über Chicago nach Stuttgart und Frankfurt

Das Bühnenbild ist spärlich, die Beleuchtun­g fokussiert, der Tanz gewohnt ungewöhnli­ch – eben alles so, wie man es vom Choreograf­en erwartet hat. William Forsythes „A Quiet Evening of a Dance“besteht unter anderem aus seinen Werken „Duo2015“, „Catalogue (Second Edition)“und „Seventeen/twenty One“. Die Gesamtkomp­osition in zwei Akten wirkt komplex und kraftvoll, ist mit Stille und Leben zugleich gefüllt, Nähe und Autonomie bilden eine Einheit.

Der Stil des mittlerwei­le 69-Jährigen ist eigenwilli­g und doch zugänglich. Die Art, wie Körperspra­che und Musik – beziehungs­weise absolute Stille, die lediglich vom Atmen und schwingend­en Bewegungen der Tänzerinne­n und Tänzer unterbroch­en wird – ineinander­greifen, ist bei Forsythe schon etwas ganz besonderes.

Der gebürtige Amerikaner erlaubt es dem Zuschauer, sich voll und ganz auf die Körper der sieben Tänzerinne­n und Tänzer, die zu den engsten ehemaligen Mitglieder­n seiner Company gehörten, ihre Bewegungen und ihre Emotionen konzentrie­ren zu können. Gelegentli­ch kann das für den ein oder anderen wahlweise langatmig oder aber tief inspiriere­nd wirken. An der herausrage­nden tänzerisch­en Qualität mit unübersehb­arer technische­r Versierthe­it und der über internatio­nale Karrieren hinweg gereiften Ausdruckss­tärke der Bühnendars­teller ist ohnehin nicht zu rütteln.

Vogelgezwi­tscher und Waldgeräus­che

Der erste Akt beginnt poetisch, fast meditativ. Ein „Prologue“mit Vogelgezwi­tscher und Waldgeräus­chen, die einen von der ersten Sekunde an in das Zusammensp­iel der Pas de Deux-partner Parvaneh Scharafali und Ander Zabala eintauchen lassen. Sie spiegeln förmlich den Zeitgeist unserer Paarbezieh­ungskultur wieder, die von Intimität und Distanz, Unabhängig­keit und Zusammenge­hörigkeit geprägt ist.

Es folgt „Catalogue (Second Edition)“, den William Forsythe für das Ensemble „Dance On“und die Tänzer Jill Johnson und Christophe­r Roman entwickelt­e. Ein Abschnitt hochkomple­xer Kommunikat­ion mit minimalist­ischen, zugleich starken Posen, der, ohne musikalisc­he Begleitung, zuweilen abstrakt und – so sagte es der Choreograf wohl einst selbst – komplizier­t wirken kann. Beide Künstler tanzten bereits Forsythe-stücke in der ganzen Welt.

Nicht der „Epilogue“mit fünf Darsteller­n, die sich mit Soli und Pas de Deux dynamisch abwechseln, beschließt den ersten Akt, sondern der „Dialogue (Duo2015)“mit Brigel Gjoka und Riley Watts, der die Zuschauer akustisch zurück in die Natur bringt und gekonnt auf dem Grat zwischen Unterhaltu­ng und Faszinatio­n dank fesselnder tänzerisch­er Leistungen wandert.

Der zweite Akt könnte kein größerer Kontrast zum ersten sein, kommt er mit barocken Klängen von Jean-philippe Rameau daher und berührt somit gleich auf mehreren Ebenen. Tänzerisch, spielerisc­h, gleichzeit­ig höchst präzise in der Ausführung sind die kontrastre­ichen Bilder in dieser zweiten Hälfte des Abends von einigen Höhepunkte­n geprägt.

Außergewöh­nliche Einzelleis­tungen wie die von Rauf Yasit, der unter dem Künstlerna­men „Rubberlegz“tanzt und choreograf­iert, sind unübersehb­ar und verleiten das Publikum zu Applaus. Somit war es zuweilen ganz und gar kein ruhiger Abend am vergangene­n Donnerstag im Grand Théâtre. William Forsythe gehört zu den bedeutsams­ten Choreograf­en des zeitgenöss­ischen Tanzes und blickt selbst auf eine Karriere auf den großen Bühnen dieser Welt zurück. Der gebürtige New Yorker verließ nach seiner Ausbildung unter anderem an der renommiert­en Joffrey Ballet School in Chicago sein Heimatland recht bald, um als Tänzer und Choreograf durchzusta­rten. Kein geringerer als John Cranko verpflicht­ete ihn für das Stuttgarte­r Ballett, später wurde Frankfurt für zwei Jahrzehnte als Ballettdir­ektor und Leiter seiner eigenen Kompanie seine tänzerisch­e Heimat.

An der Ausdruckss­tärke der Tänzer ist nicht zu rütteln.

 ?? Foto: Bill Cooper ?? In der Choreograf­ie von William Forsythe bringen die Tänzer gleicherma­ßen Intimität und Distanz, Unabhängig­keit und Zusammenge­hörigkeit zum Ausdruck.
Foto: Bill Cooper In der Choreograf­ie von William Forsythe bringen die Tänzer gleicherma­ßen Intimität und Distanz, Unabhängig­keit und Zusammenge­hörigkeit zum Ausdruck.

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