Poetisch und meditativ
Choreograf William Forsythe lässt sieben Tänzer über die Bühne des Grand Théâtre fließen
Das Bühnenbild ist spärlich, die Beleuchtung fokussiert, der Tanz gewohnt ungewöhnlich – eben alles so, wie man es vom Choreografen erwartet hat. William Forsythes „A Quiet Evening of a Dance“besteht unter anderem aus seinen Werken „Duo2015“, „Catalogue (Second Edition)“und „Seventeen/twenty One“. Die Gesamtkomposition in zwei Akten wirkt komplex und kraftvoll, ist mit Stille und Leben zugleich gefüllt, Nähe und Autonomie bilden eine Einheit.
Der Stil des mittlerweile 69-Jährigen ist eigenwillig und doch zugänglich. Die Art, wie Körpersprache und Musik – beziehungsweise absolute Stille, die lediglich vom Atmen und schwingenden Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer unterbrochen wird – ineinandergreifen, ist bei Forsythe schon etwas ganz besonderes.
Der gebürtige Amerikaner erlaubt es dem Zuschauer, sich voll und ganz auf die Körper der sieben Tänzerinnen und Tänzer, die zu den engsten ehemaligen Mitgliedern seiner Company gehörten, ihre Bewegungen und ihre Emotionen konzentrieren zu können. Gelegentlich kann das für den ein oder anderen wahlweise langatmig oder aber tief inspirierend wirken. An der herausragenden tänzerischen Qualität mit unübersehbarer technischer Versiertheit und der über internationale Karrieren hinweg gereiften Ausdrucksstärke der Bühnendarsteller ist ohnehin nicht zu rütteln.
Vogelgezwitscher und Waldgeräusche
Der erste Akt beginnt poetisch, fast meditativ. Ein „Prologue“mit Vogelgezwitscher und Waldgeräuschen, die einen von der ersten Sekunde an in das Zusammenspiel der Pas de Deux-partner Parvaneh Scharafali und Ander Zabala eintauchen lassen. Sie spiegeln förmlich den Zeitgeist unserer Paarbeziehungskultur wieder, die von Intimität und Distanz, Unabhängigkeit und Zusammengehörigkeit geprägt ist.
Es folgt „Catalogue (Second Edition)“, den William Forsythe für das Ensemble „Dance On“und die Tänzer Jill Johnson und Christopher Roman entwickelte. Ein Abschnitt hochkomplexer Kommunikation mit minimalistischen, zugleich starken Posen, der, ohne musikalische Begleitung, zuweilen abstrakt und – so sagte es der Choreograf wohl einst selbst – kompliziert wirken kann. Beide Künstler tanzten bereits Forsythe-stücke in der ganzen Welt.
Nicht der „Epilogue“mit fünf Darstellern, die sich mit Soli und Pas de Deux dynamisch abwechseln, beschließt den ersten Akt, sondern der „Dialogue (Duo2015)“mit Brigel Gjoka und Riley Watts, der die Zuschauer akustisch zurück in die Natur bringt und gekonnt auf dem Grat zwischen Unterhaltung und Faszination dank fesselnder tänzerischer Leistungen wandert.
Der zweite Akt könnte kein größerer Kontrast zum ersten sein, kommt er mit barocken Klängen von Jean-philippe Rameau daher und berührt somit gleich auf mehreren Ebenen. Tänzerisch, spielerisch, gleichzeitig höchst präzise in der Ausführung sind die kontrastreichen Bilder in dieser zweiten Hälfte des Abends von einigen Höhepunkten geprägt.
Außergewöhnliche Einzelleistungen wie die von Rauf Yasit, der unter dem Künstlernamen „Rubberlegz“tanzt und choreografiert, sind unübersehbar und verleiten das Publikum zu Applaus. Somit war es zuweilen ganz und gar kein ruhiger Abend am vergangenen Donnerstag im Grand Théâtre. William Forsythe gehört zu den bedeutsamsten Choreografen des zeitgenössischen Tanzes und blickt selbst auf eine Karriere auf den großen Bühnen dieser Welt zurück. Der gebürtige New Yorker verließ nach seiner Ausbildung unter anderem an der renommierten Joffrey Ballet School in Chicago sein Heimatland recht bald, um als Tänzer und Choreograf durchzustarten. Kein geringerer als John Cranko verpflichtete ihn für das Stuttgarter Ballett, später wurde Frankfurt für zwei Jahrzehnte als Ballettdirektor und Leiter seiner eigenen Kompanie seine tänzerische Heimat.
An der Ausdrucksstärke der Tänzer ist nicht zu rütteln.