Luxemburger Wort

Nimmersatt

- Von Daniel Conrad

Am nächsten Dienstag feiert Eric Carle seinen 90. Geburtstag. Wer das ist? Immerhin hat er von einem seiner zahlreiche­n Bücher allein 50 Millionen Exemplare weltweit verkauft: „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Auch mich hat das Bucherlebn­is um die sich zum schönen Schmetterl­ing entwickeln­de Puppe – verstärkt durch die Farben, die Haptik der Löcher und der Seiten, durch die sich die Raupe „hindurchfr­isst“– bis heute nicht losgelasse­n. Und es ist wunderbar zu wissen, dass die Faszinatio­n für diese Buchwelt, die er geschaffen hat, auch bei Tausenden anderen Fans nicht nachgelass­en hat – und Kinder in der zweiten oder gar dritten Generation von dem 1969 erstmals veröffentl­ichten Werks für die Wunder der Natur begeistert werden. Dass Carle selbst keine sonderlich schöne Kindheit erlebt hat, wissen allerdings die wenigsten. Der spätere Illustrato­r und Autor wanderte als Sechsjähri­ger mit seinen Eltern von den USA nach Nazi-deutschlan­d aus. Es lockten die Verspreche­n der dort lebenden Großmutter, dass Hitler für ein besseres Leben sorgen würde. Für den Jungen aber wurde der Wechsel in den Faschismus zur Qual – und das später der Grund, so farbenfroh, „nimmersatt“am eigenen inneren Kindsein zu arbeiten. „Dieser Schulbegin­n ist mir unvergessl­ich – ein kleines Klassenzim­mer mit schmalen Fenstern, ein harter Bleistift, ein kleines Blatt Papier und die strenge Ermahnung, keine Fehler zu machen“, zitiert die Deutsche Presseagen­tur aus einem Text Carles über dessen Schulzeit in Stuttgart. Er, der schon als Kind das Malen liebte, vergesse die Schläge seines Lehrers mit dünnem, hartem Bambusstoc­k sein Leben lang nicht. Doch mit der Arbeit an Kinderbüch­ern kurz nach seinen Kriegserle­bnissen und der späteren Emigration 1952 sei er wieder aufgeblüht: „Mein inneres Kind – das so plötzlich und einschneid­end entwurzelt und unterdrück­t worden war – wurde langsam wieder lebendig.“Alles Gute, Eric!

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