Große Freude am kleinen Format
Durchdachte und stille Arbeiten von „Intro_petits formats“lassen Zeit zum Entdecken
Zum vorerst vorletzten Mal bittet das Konschthaus beim Engel zur künstlerischen Vorstellungsrunde: Das Format „INTRO_“bot seit vergangenem Jahr in zahlreichen Ausstellungen kompakte Einblicke in Kunstgattungen, stets am Beispiel von Künstlerinnen und Künstlern, die aus Luxemburg stammten oder hier arbeiteten. Auf niedrigschwellige Weise sollten so auch neue Besuchergruppen für das gegenwärtige Kunstschaffen im Großherzogtum begeistert werden.
Nachdem in der Vergangenheit unter anderem Werke aus den Bereichen Malerei, Design oder Zeichnung vorgestellt worden sind, widmet man sich in der aktuellen Runde „INTRO_PETITS formats“mit dem Kleinformat einem Aspekt, der selten exponiert im Vordergrund steht. Ein Versäumnis, wie die Ausstellung lehrt: Die Arbeiten von fünf Künstlerinnen und Künstlern zeigen die Kraft und das Können, die im kleinen Format hoch konzentriert erscheinen. Das Spektrum der ausgestellten Beiträge erstreckt sich von Keramik bis Fotografie, von sinnlich bis intellektuell.
Die Faszination für die Schönheit und Finesse natürlicher Strukturen leitet die Arbeiten der in Fischbach lebenden Künstlerin Doris Becker: In Keramik und Porzellan setzt sie ihre Beobachtungen in filigrane Kleinskulpturen um, die in ihrer Gestaltung von Form, Oberfläche und Struktur nicht nur imitieren, sondern das Prinzip der natürlichen Formen zudem noch organisch weiterentwickeln.
Mit Papierarbeiten widmet sich Vincent Wilwers einer klassischen Gattung des kleinen Formats. Sein bevorzugtes Motiv ist ebenfalls ein kleines Alltagsobjekt, dem er in seinen Zeichnungen und Aquarellen die raumgreifende Anmutung einer weitläufigen Landschaft verleiht: ein zerknülltes Papiertaschentuch.
Mit großem zeichnerischen Können setzt er die Gipfel und Täler dieses Mikrokosmos in Bilder um.
Farbe von Polaroidfotos auf neuen Trägern
Der Fotograf und Filmemacher Guy Bollendorf ist mit drei Serien vertreten, die das wohl beliebteste Kleinformat der Fotografiegeschichte zur Grundlage haben: In einer Feinarbeit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert, werden die Farbemulsionen von Polaroidbildern extrahiert und auf neue Träger transferiert.
Bollendorf erschafft mit diesem Prinzip thematische Verschränkungen innerhalb eines Bildes, die immer wieder neue Sinnebenen öffnen.
Durch Birgit Thalau ist mit dem Schmuckdesign auch ein Genre vertreten, das in seiner künstlerischen Bedeutung außerhalb der eigenen Szene oftmals wenig Beachtung findet. Dabei stehen die freikünstlerischen Arbeiten, die der Gestaltung von Autorenschmuck vorausgehen, der Bildenden Kunst in nichts nach: Beeindruckendes Zeugnis dafür sind Birgit Thalaus Materialbefragungen und künstlerischen Dokumentationen.
Anne Lindner, die im Jahr 2013 für eine Fotoserie mit dem Prix révélations des CAL ausgezeichnet wurde, überträgt mit ihren teils abstrakten, teils naiv-figurativen Wachsbildern ihre angestammte Technik ins Kleinformat – konzeptionell und gestalterisch, aber der schwächste Beitrag der Ausstellung.
Die Schau vermittelt über Genregrenzen hinweg und auf kleinem Raum die hohe Konzentration und die Kunstfertigkeit, die das Arbeiten im Kleinformat auszeichnen. Während in der Aufmerksamkeitsökonomie – auch der Kunstwelt – oftmals die größten, lautesten und schrillsten Beiträge gewinnen, bieten die durchdachten, stillen Arbeiten die willkommene Abwechslung, im genauen Hinsehen und ohne Eile zu entdecken. Eine Wohltat! „Intro_petits formats“, noch bis zum 29. Juni in der Galerie Konschthaus beim Engel (1, rue de la Loge, Luxemburg). Dienstags bis samstags, von 10.30 bis 18.30 Uhr, geöffnet.