Luxemburger Wort

Wasser, so weit das Auge reicht

Eine geistliche Betrachtun­g über das Meer – ein Ort der Reflexion und des Gebetes

- Von Kerstin-marie Berretz OP

Das Meer übt auf viele Menschen eine besondere Faszinatio­n aus. Egal, zu welcher Jahreszeit, egal, bei welchem Wetter – es ist immer spannend, gewaltig, schön und lebendig. Kein Wunder also, dass an der Nord- und Ostsee in allen Wochen des Jahres Urlauber anzutreffe­n sind, die gekommen sind, um das gute Klima ebenso zu genießen wie die fasziniere­nde Landschaft der Küste. Denn die Strände laden bei fast jedem Wetter zu langen Spaziergän­gen ein, und das kühle Wasser ist eine herrliche Erfrischun­g. Der kräftige Wind kann den Kopf frei blasen und so Platz schaffen für das, was wirklich wichtig ist. Ebbe und Flut können Lehrmeiste­r dafür sein, dass das Leben niemals statisch ist, sondern dass alles immer in Bewegung ist.

Lebensspen­dendes Meer

Und so ist das Meer nicht nur ein guter Ort, um zu entspannen und um sich zu erholen. Es kann gleichzeit­ig auch ein Ort der Reflexion und des Gebetes sein. Letztendli­ch kann das Meer sogar ein Sinnbild für Gott und den Glauben sein.

Denn das Meer spendet Leben. Aus ihm kam vor Millionen von Jahren das Leben ans Land, und noch heute gibt es Nahrung und dank moderner Technik Strom. Es schenkt Erholung und Erfrischun­g und lässt die Menschen aufatmen. So ist auch Gott, denn ohne ihn gäbe es kein lebensspen­dendes Meer; er ist der Ursprung allen Lebens. Und er schenkt auch heute jeden Tag und jede Sekunde Leben, indem er neues Leben entstehen lässt und uns Menschen erkennen lässt, was Leben bedeutet und wie wir Leben gestalten können. In Psalm 62 heißt es „Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe“und in Psalm 23 „Du führst mich ans Wasser des Lebens“. So wie das Meer Leben schenkt, nimmt es jedoch auch Leben. Jedes Jahr ertrinken Menschen im Meer, weil sie seine Kraft unterschät­zen, weil sie an unsicheren Stellen und zur falschen Zeit baden gehen. Stürme und Unwetter führen zu Sturmflute­n und überfluten ganze Landstrich­e: Und die Zahl der Flüchtling­e, die auf der Suche nach einem besseren Leben dasselbe im Mittelmeer verloren haben, ist unvorstell­bar groß.

Endliches Leben

Und so ist auch Gott der Herr über den Tod. Zwar können Menschen alles dafür tun, damit das Leben länger dauert und gut ist, aber am Ende ist alles Leben auf der Erde endlich. Zwar hat Jesus Christus den Tod überwunden und damit auch für uns Menschen das ewige Leben erworben, jedoch bleibt das Sterben des Leibes niemandem erspart.

Gleichzeit­ig drängt sich das Meer nicht auf. Niemand wird gezwungen, ans Meer zu fahren. Und es gibt Menschen, die nur wenige Kilometer entfernt von der Küste leben, jedoch nur selten ans Wasser fahren. Wer sich jedoch dazu entschließ­t, mit dem Meer zu leben, wie beispielsw­eise die Bewohner der Inseln oder Halligen, der muss sich ganz auf diesen Lebensraum einlassen.

Genauso drängt sich auch Gott den Menschen nicht auf. Er liebt und wirbt um den Menschen, allerdings – wie die Erfahrung des Elia am Berg Horeb zeigt – im leisen Säuseln und nicht mit Pauken und Trompeten. Es braucht daher die Entscheidu­ng eines jeden Einzelnen, sich Gott zuzuwenden. Jeder ist frei, sich dagegen zu entscheide­n. Wer sich dann aber auf Gott einlässt, der kann das nicht halbherzig tun, sondern wird ganz von Gott gerufen und angesproch­en. Und wie die Menschen an der Küste die Erfahrung machen, dass es sich am Meer gut leben lässt, so machen Menschen die Erfahrung, dass Gott zu einem Leben in Fülle ruft, wenn man seinem Ruf vertraut.

Wasser des Lebens

Dass das Meer gefährdet ist und an zu viel Plastikmül­l zu ersticken droht, dass der Klimawande­l dazu führt, dass die Wassertemp­eratur ansteigt und deswegen gefährlich­e Wetterphän­omene entstehen und dass Überfischu­ng und Tourismus dazu führen, dass das Leben im Meer gefährdet ist, ist unbestritt­en. Das Meer bietet dem Menschen nicht nur viel, es braucht den Menschen auch, damit er es schützt. Ebenso braucht der Glaube an Gott Menschen, die anderen vom Dreifaltig­en Gott erzählen und die Frohe Botschaft in die Welt tragen.

Warum beim Meer nicht beides zusammenbr­ingen? Menschen, die sich in aller Welt für den Schutz der Meere einsetzen. Und Menschen, die anderen aus christlich­er Überzeugun­g die Augen für Gottes bewahrensw­erte Schöpfung öffnen. Die päpstliche Umweltenzy­klika „Laudato si'„ kann beide inspiriere­n und an die Wasser des Lebens führen. KNA

 ?? Foto: KNA ?? Für viele ist das Meer nicht nur im Urlaub ein Sehnsuchts­ort. Vielen hilft es auch, sich neu zu sortieren und über Gott und die Welt nachzudenk­en.
Foto: KNA Für viele ist das Meer nicht nur im Urlaub ein Sehnsuchts­ort. Vielen hilft es auch, sich neu zu sortieren und über Gott und die Welt nachzudenk­en.

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