Verteidigungsminister gesucht
Falls Ursula von der Leyen Eu-kommissionspräsidentin wird, braucht Merkel ein neues Kabinettsmitglied
Bloß nicht zu früh freuen, sagen sie sich bei der Bundeswehr. Und selbst wenn es dann so weit sein sollte: keinesfalls öffentlich. Das tut man nicht bei der Truppe. Aber dass sie, von den Mannschaften bis hoch zu den Generalen, ihrer vielleicht demnächst scheidenden Chefin keine noch so kleine Träne nachweinen werden – das gilt: von Aachen bis Zweibrücken und erst recht von Afghanistan bis zum Südsudan.
Als Ursula von der Leyen vor fünfeinhalb Jahren die erste Verteidigungsministerin Deutschlands wurde, da stellte sie sich das ganz anders vor. Zwar sagte sie gern, wie gut sie wisse, dass ihr Schreibtischstuhl in Wirklichkeit eher ein Schleudersitz sei; aber sie ließ dabei stets durchblicken, wie sehr sie von sich überzeugt war – und in der Folge davon, dass sie ihr Büro im Berliner Bendlerblock einmal freiwillig verlassen werde. Und, das vor allem, nur in eine Richtung: nach oben.
Der holprige Aufstieg
Je mehr von der Leyen bestritt, als Ziel das Kanzleramt anzuvisieren – umso weniger wurde ihr geglaubt. Je häufiger sie beteuerte, jede Generation habe ihren Kanzler und für die ihre sei das nun mal Angela Merkel – umso mehr nahmen Fans wie Kritiker das zum Beleg für von der Leyens Ambition, die Ausnahme von dieser Regel zu werden. Als sich dann aber Malaisen und Affären mit Skandalpotenzial aneinanderreihten – um schlechte Ausrüstung, um teure externe Berater und immer wieder um fehlendes Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Truppe – da schien von der Leyens Karriere gestoppt.
Nicht ihre Kanzlerin, Emmanuel Macron und Viktor Orbán – eine sehr bemerkenswerte Allianz – aber verschaffen der Christdemokratin von der Leyen jetzt doch noch die Chance auf den finalen Aufstieg, den absoluten Top-job. Die Wahl lässt sich durchaus begründen. Zwar hat alle Welt längst vergessen, dass von der Leyen 2011 „mein Ziel sind die Vereinigten Staaten von Europa“gesagt hatte – was damals vor allem als Attacke auf Merkel und Bewerbung um deren Job verstanden worden war. Aber jetzt passt das für den französischen Präsidenten und den ungarischen Regierungschef perfekt. Bei der Bundeswehr allerdings finden manche, klug beraten sei, wer von der Leyens Europaeuphorie in etwa so ernst nehme wie ihr Bekenntnis: „Mir ist die Truppe ans Herz gewachsen.“
Seit sie vor zwei Jahren im Zusammenhang mit der Affäre um den Oberleutnant Franco A. – der als angeblicher syrischer Flüchtling aufgeflogen und unter dem Vorwurf festgenommen worden war, rechtsextrem motivierte Anschläge vorzubereiten – der Bundeswehr insgesamt „ein Haltungsproblem“attestierte und „Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“: Seitdem sehnt sich die Bundeswehr nach einem oder einer neuen IBUK. So wird der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt in Friedenszeiten abgekürzt genannt.
Nun könnte es bald so weit sein. Und es wird manches getuschelt im Regierungsviertel. Laut zu hören ist indes, dass sich nicht bloß niemand drängt nach der politischen Führung der Armee – sondern dass sich, zusätzlich, auch keiner und keine wirklich aufdrängt.
Dazu muss man wissen, dass Angela Merkel wenig hält von Kabinettsumbildungen. Erst recht nicht von großen. Für sie wäre es deshalb am komfortabelsten, einen Staatssekretär aufrücken zu lassen. Erste Wahl ist da Peter Tauber (CDU), nicht nur Oberleutnant der Reserve, sondern obendrein hoch geschätzt bei der Truppe. Allerdings war derlei für Merkel noch nie ein Argument.
Lange Kandidatenliste
Selbstverständlich wird auch über Jens Spahn geredet, den Gesundheitsminister. Weil über ihn immer geredet wird, wenn Posten zu vergeben sind, die Aufstieg zumindest verheißen. Und Verteidigung zählt, anders als Gesundheit, zu den klassischen Ressorts. Außerdem könnte so Annette Widmann-mauz endlich dort ankommen, wo sie längst hin möchte – und fachlich auch eher als Spahn hin gehört.
Weil Merkel ihn – und damit die Jungen und die Konservativen – mit einem Ministeramt ruhigstellen wollte, blieb bei der Regierungsbildung 2018 für die ausgewiesene Gesundheitsexpertin nur die Stelle der Integrationsbeauftragten im Kanzleramt, die sie mehr pflichtbewusst als inspiriert auszufüllen versucht.
Und dann ist da noch Annegret Kramp-karrenbauer. Die Cduchefin muss nach etlichen dicken Patzern dringend ihr Standing verbessern – und, will sie Kanzlerin werden, bald nachweisen, dass sie auch größere Einheiten als das kleine Saarland im Regierungsgriff behalten kann.
Das Verteidigungsministerium wäre mehr als nur das sprichwörtliche Gesellenstück. Als Merkel 2013 das Haus von der Leyen anvertraute, wusste sie genau, was sie tat. Sie wollte eine tendenziell übermütige Konkurrentin bändigen, mindestens das. Hat funktioniert. Fragt man die Truppe, sogar deutlich zu lang.