Luxemburger Wort

Mit der Mauer kam der Tod

Seit dem Bau des Grenzzauns bei San Diego hat sich die illegale Zuwanderun­g verlagert

- Von Marie-astrid Langer, Nicole Anliker (San Diego/holtville)

Ihre letzte Ruhestätte ist ein kahler Acker. Versteckt liegt er hinter dem Friedhof des südkalifor­nischen Städtchens Holtville, abgetrennt durch einen Maschendra­htzaun, Schilder warnen die Besucher vor Klappersch­langen. Statt Grabsteine­n, Kreuzen oder Blumenschm­uck liegen nur Hunderte von Backsteine­n in Reih und Glied auf dem Boden – stumme Zeugen der Leben, die hier, wenige Kilometer von Mexiko entfernt, begraben sind. die Logik des Präsidente­n, müsse der Zaun nur auf die gesamten 3 144 Kilometer Grenze verlängert werden. Doch wer San Diego heute besucht, merkt schnell, dass die Geschichte des Zauns auch eine von Tod und Leid ist – und dass er nur bedingt dabei hilft, illegale Migranten fernzuhalt­en. Von Drogen ganz zu schweigen.

San Diego war in den achtziger Jahren der Ground Zero der illegalen Zuwanderun­g. Obwohl der Grenzabsch­nitt nur 3 Prozent der gesamten Grenzlänge zu Mexiko ausmacht, trugen sich dort 40 Prozent aller illegalen Grenzübert­ritte zu. Fast 630 000 Migranten fing der amerikanis­che Grenzschut­z 1986 ab, die aus Tijuana kommend ins Land strömten – umgerechne­t mehr als 1 700 pro Tag. Schilder auf der Interstate 5 warnten vor herumrenne­nden Personen auf der Fahrbahn; vor allem alleinsteh­ende junge Mexikaner auf der Suche nach Arbeit drängten damals nach Kalifornie­n. Um sie aufzuhalte­n, errichtete Präsident George H. W. Bush 1989 hier einen ersten Grenzzaun; sein Nachfolger Bill Clinton fügte einen zweiten hinzu.

Seitdem reichen sich die Präsidente­n das Grenzproje­kt weiter wie einen Staffelsta­b. Entlang von 1 130 Kilometern der 3 144 Kilometer langen Grenze zu Mexiko steht heute eine Absperrung: Einmal ist es eine Betonmauer, andernorts sind es zehn Meter in die Luft ragende Stahlstreb­en, dann wieder kniehohe Fahrzeugsp­erren. In San Diego selbst stehen heute mancherort­s gleich drei Generation­en von Grenzzäune­n, der Kleinste drei, der Größte zehn Meter hoch. Pufferzone­n grenzen die Zäune zusätzlich ein; Beamte verjagen jeden, der sich der Grenze unwissentl­ich nähert. Hinzu kommen die „virtuellen Mauern“, nämlich Helikopter, Drohnen und Bodensenso­ren. Tatsächlic­h ging mit der Errichtung der beiden Grenzzäune die Zahl der illegal Eingewande­rten im Sektor San Diego massiv zurück, zwischen 1996 und 1997 um 40 Prozent – deutlich mehr als in anderen Sektoren zur gleichen Zeit. Allerdings erhöhte die Regierung zugleich die Zahl der Beamten und Helikopter im Einsatz entlang der Grenze.

„Aus Sicht des Grenzschut­zes in San Diego ist die Mauer eine Erfolgsges­chichte“, sagt Michael Lettieri, Wissenscha­ftler am Center for U.s.-mexican Studies der University of California San Diego. Er sitzt in einem Café auf der amerikanis­chen Seite der Grenze, wenige hundert Meter von Tijuana entfernt, und deutet auf den mächtigen, rostroten Grenzzaun vor sich, an dem gerade ein Pick-up-truck der Grenzschut­zbehörde vorbeifähr­t. „Dieser Abschnitt ist seit den neunziger Jahren derart gut bewacht, dass er für illegale Grenzübert­ritte nicht mehr beliebt ist.“

Weite man den Blick über San Diego hinaus, sagt Lettieri, zeige sich allerdings ein anderes Bild. Die

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