Mit der Mauer kam der Tod
Seit dem Bau des Grenzzauns bei San Diego hat sich die illegale Zuwanderung verlagert
Ihre letzte Ruhestätte ist ein kahler Acker. Versteckt liegt er hinter dem Friedhof des südkalifornischen Städtchens Holtville, abgetrennt durch einen Maschendrahtzaun, Schilder warnen die Besucher vor Klapperschlangen. Statt Grabsteinen, Kreuzen oder Blumenschmuck liegen nur Hunderte von Backsteinen in Reih und Glied auf dem Boden – stumme Zeugen der Leben, die hier, wenige Kilometer von Mexiko entfernt, begraben sind. die Logik des Präsidenten, müsse der Zaun nur auf die gesamten 3 144 Kilometer Grenze verlängert werden. Doch wer San Diego heute besucht, merkt schnell, dass die Geschichte des Zauns auch eine von Tod und Leid ist – und dass er nur bedingt dabei hilft, illegale Migranten fernzuhalten. Von Drogen ganz zu schweigen.
San Diego war in den achtziger Jahren der Ground Zero der illegalen Zuwanderung. Obwohl der Grenzabschnitt nur 3 Prozent der gesamten Grenzlänge zu Mexiko ausmacht, trugen sich dort 40 Prozent aller illegalen Grenzübertritte zu. Fast 630 000 Migranten fing der amerikanische Grenzschutz 1986 ab, die aus Tijuana kommend ins Land strömten – umgerechnet mehr als 1 700 pro Tag. Schilder auf der Interstate 5 warnten vor herumrennenden Personen auf der Fahrbahn; vor allem alleinstehende junge Mexikaner auf der Suche nach Arbeit drängten damals nach Kalifornien. Um sie aufzuhalten, errichtete Präsident George H. W. Bush 1989 hier einen ersten Grenzzaun; sein Nachfolger Bill Clinton fügte einen zweiten hinzu.
Seitdem reichen sich die Präsidenten das Grenzprojekt weiter wie einen Staffelstab. Entlang von 1 130 Kilometern der 3 144 Kilometer langen Grenze zu Mexiko steht heute eine Absperrung: Einmal ist es eine Betonmauer, andernorts sind es zehn Meter in die Luft ragende Stahlstreben, dann wieder kniehohe Fahrzeugsperren. In San Diego selbst stehen heute mancherorts gleich drei Generationen von Grenzzäunen, der Kleinste drei, der Größte zehn Meter hoch. Pufferzonen grenzen die Zäune zusätzlich ein; Beamte verjagen jeden, der sich der Grenze unwissentlich nähert. Hinzu kommen die „virtuellen Mauern“, nämlich Helikopter, Drohnen und Bodensensoren. Tatsächlich ging mit der Errichtung der beiden Grenzzäune die Zahl der illegal Eingewanderten im Sektor San Diego massiv zurück, zwischen 1996 und 1997 um 40 Prozent – deutlich mehr als in anderen Sektoren zur gleichen Zeit. Allerdings erhöhte die Regierung zugleich die Zahl der Beamten und Helikopter im Einsatz entlang der Grenze.
„Aus Sicht des Grenzschutzes in San Diego ist die Mauer eine Erfolgsgeschichte“, sagt Michael Lettieri, Wissenschaftler am Center for U.s.-mexican Studies der University of California San Diego. Er sitzt in einem Café auf der amerikanischen Seite der Grenze, wenige hundert Meter von Tijuana entfernt, und deutet auf den mächtigen, rostroten Grenzzaun vor sich, an dem gerade ein Pick-up-truck der Grenzschutzbehörde vorbeifährt. „Dieser Abschnitt ist seit den neunziger Jahren derart gut bewacht, dass er für illegale Grenzübertritte nicht mehr beliebt ist.“
Weite man den Blick über San Diego hinaus, sagt Lettieri, zeige sich allerdings ein anderes Bild. Die