Spitz auf Knopf
Proteste in Hongkong: Eingreifen Pekings hätte schwerwiegende Folgen
Nach kurzer Ruhe ist es am Freitag in Hongkong wieder zu Protesten gekommen. Über das Wochenende werden neue Großdemonstrationen gegen die prochinesische Stadtregierung und gegen Peking erwartet – und wahrscheinlich auch neue Gewalt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur explosiven Lage in der Millionenmetropole Hongkong: Hat China bislang eigentlich noch keine Truppen in der Stadt?
Doch, und das ist auch kein Geheimnis. Nach dem Abschied der Briten 1997 zog Chinas Volksbefreiungsarmee ganz offiziell mit einer eigenen Garnison in die Stadt ein. Deren Stärke wird aktuell auf 5 000 bis 7 000 Soldaten geschätzt. Bislang war das eher von symbolischer Bedeutung. Normalerweise treten die Soldaten nicht groß in Erscheinung. In den vergangenen Tagen waren aber auch in der Innenstadt Militärlastwagen unterwegs. Warum gibt es denn überhaupt Angst vor einer militärischen Aktion?
Neben den üblichen Truppenbewegungen wurden zuletzt auch paramilitärische Einheiten direkt an der Grenze zusammengezogen. Staatsmedien sprachen zwar von „Übungen“, die allerdings direkt mit den Protesten in Hongkong in Verbindung gebracht wurden. Die Präsenz der Einheiten sei „eine deutliche Warnung“an die Randalierer, schrieb die staatliche Zeitung „Global Times“. Wenn Hongkong nicht allein den Rechtsstaat wieder herstellen könne, um die Unruhen zu beenden, müsse die Zentralregierung „unbedingt direkte Maßnahmen“ergreifen. Wie wahrscheinlich ist ein Einschreiten Pekings derzeit?
Zwar hat China ein Drohkulisse aufgebaut. Dennoch dürfte eine militärische Konfrontation derzeit für Peking nicht die favorisierte Option sein. Eine möglicherweise blutige Eskalation, wie 1989, als Soldaten am Platz des Himmlischen Friedens in Peking Demokratie-proteste niederschlugen, würde schwerwiegende Folgen haben. Viele Beobachter glauben, dass Peking derzeit darauf hofft, dass Hongkong die Lage selbst unter Kontrolle bringt. Wie wichtig ist Hongkong für China überhaupt?
Im Vergleich zur zweitgrößten Volkswirtschaft China hat die Sonderverwaltungszone zwar nur eine winzige Wirtschaftsleistung. Dennoch ist die Finanzmetropole für China noch immer von Bedeutung. Die Stadt mit ihrem liberalen Finanzsystem ist für internationale Investoren die Brücke für Geschäfte mit dem chinesischen Festland. Einige der größten chinesischen Konzerne sind an der Hongkonger Börse gelistet. Beobachter verweisen darauf, dass auch die Familien mächtiger Kader vom Sonderstatus Hongkongs profitierten. Viele mächtige und reiche Chinesen sollen Vermögen in Hongkong haben und es von dort in andere Teile der Welt schaffen.
Welche Konsequenzen könnte eine Eskalation haben?
Ginge Peking mit übermäßiger Gewalt vor, würde dies eine internationale Ächtung zur Folge haben. Möglich wären dann auch Sanktionen. Chinas Wirtschaft ist schon jetzt durch den Handelskrieg mit den USA geschwächt. Auch aus diesem Grund kommt die Krise für Chinas Führung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Wie denken Chinesen in der Volksrepublik über die Krise?
Chinas zensierte Medien beschreiben fast ausschließlich die Ausschreitungen und chaotischen Szenen in Hongkong. Von friedlichen Demonstrationen ist überhaupt nicht die Rede. Viele Chinesen zeigen kein Verständnis für die Situation. In Gesprächen heißt es oft, dass Hongkong derzeit zu gefährlich sei, um es noch zu besuchen. Ein hartes Vorgehen dürfte in der Bevölkerung viele Unterstützer finden. dpa