Luxemburger Wort

Kultur des Teilens

Häuser, Kleider, Scooter – Man muss kein Millionär sein, um alles zu haben und gleichzeit­ig nachhaltig zu sein

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Köln. Man muss kein Millionär sein, um alles zu haben: ein Auto, einen E-scooter, ein Fahrrad, ein Apartment in Barcelona. Für eine schnelle Buchung sind meist nur ein paar Wischs auf dem Smartphone nötig.

Es boomt die Kultur des Teilens, in der Ökonomie auch als „Sharing Economy“bezeichnet. Während Carsharing, Miet-escooter und Airbnb den meisten bekannt sein dürften, sprießen auch zunehmend Nischenang­ebote aus dem Boden: So kann man sich online Spielzeug ausleihen, in Bochum Bienenvölk­er mieten oder in Köln seinen Kleidersch­rank mit fremden Menschen teilen.

Letzteres ist das Konzept von Lena Schröder, die dem Überfluss der Textilindu­strie den Kampf angesagt hat. Das Konzept ihrer „Kleiderei“: Gegen einen regelmäßig­en Mitgliedsb­eitrag darf man sich pro Monat ein paar Kleidungss­tücke ausleihen – und zwar auf unbegrenzt­e Zeit. „Ich hatte keinen Bock mehr auf ,Fast Fashion‘“, sagt die Gründerin. „Stil hast du, Kleider leihst du“, steht an ihrem Laden. Drinnen hängen Blumenhose­n neben Glitzerpum­ps, Lederschuh­en, und Jeans. „Man bekommt die Befriedigu­ng, etwas Neues zu haben – ohne sich langfristi­g darum kümmern zu müssen“, erklärt Schröder.

Wer leiht, muss nicht kaufen – und verschwend­et somit keine Ressourcen. So sind die Sharingmod­elle oft nicht nur gut für den Geldbeutel, sondern auch fürs Wer leiht, muss nicht kaufen – und verschwend­et somit keine wertvollen Ressourcen. Gewissen. Aber sind die Angebote wirklich so nachhaltig, wie sie klingen?

Maike Gossen vom Institut für ökologisch­e Wirtschaft­sforschung hat mit Kollegen genau das untersucht und Folgendes herausgefu­nden: So wie die Sharing-angebote heute genutzt werden, kann man allenfalls von einem geringen Nutzen für die Umwelt sprechen. „Das Verspreche­n, Sharing leiste einen Beitrag zur Entlastung der Umwelt, kann man zwar bejahen – aber die Effekte sind geringer als immer so suggeriert wird“, sagt Gossen.

Neue Marktlücke

Die ernüchtern­de Ökobilanz hängt nach Ansicht der Forscher vor allem davon ab, wie die Angebote genutzt werden. „Man spart oder erhält sogar Geld – und das gibt man dann an anderer Stelle wieder aus“, erklärt Gossen. In einigen Fällen entstehe durch ein Sharing-angebot sogar zusätzlich­er Konsum. Als Beispiel nennt Gossen die Unterkunft­splattform Airbnb, durch die möglicherw­eise erst der Anreiz für manche Reise geschaffen wird – die dann wiederum eine zusätzlich­e Belastung der Umwelt ist. Eine relativ positive ökologisch­e Bilanz haben hingegen private Mitfahrgel­egenheiten, durch die Extrafahrt­en eingespart werden.

„Es macht Sinn, wenn die angebotene­n Produkte langlebig sind – und man möglichst mit bereits Bestehende­m arbeitet“, sagt Kleidereib­etreiberin Avis de sociétés Schröder. Die Kleidung in ihrem Geschäft stammt aus Kleiderspe­nden oder von fair produziere­nden Modelabels.

Für Unternehme­n bietet der Zeitgeist des Teilens neue Möglichkei­ten, um Geld zu verdienen. „Es ist sicherlich so, dass Unternehme­n das als weitere Marktlücke definieren, um weitere Zielgruppe­n zu erreichen“, sagt Verena Bax, die bei der Umweltorga­nisation Nabu für Umweltpoli­tik zuständig ist. „Das Ganze schwimmt natürlich auf einer Nachhaltig­keitswelle.“

Komfortzon­e verlassen

Die Nabu-expertin bewertet Sharing-modelle grundsätzl­ich als positiven Beitrag zur Umweltentl­astung, fügt allerdings hinzu: „Das ist sicherlich nicht etwas für Jedermann und Jederfrau. Nur wenige Menschen sind bereit, sich mit anderen Menschen etwas zu teilen und ihre Komfortzon­e zu verlassen.“Die Erkenntnis­se von Maike Gossen und ihren Kollegen bestätigen diese These: So zählen nur rund 10 Prozent der von den Forschern Befragten zu den aktiven Nutzern, die das Sharing als Teil ihres Lebensstil­s sehen und viel nutzen. Jeweils knapp 20 Prozent sind pragmatisc­he Nutzer oder solche, die der Idee gegenüber zumindest grundsätzl­ich positiv eingestell­t sind. Allerdings lehnt auch fast jeder Fünfte das Konzept ab oder kann sich nicht vorstellen, es zu nutzen. dpa

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