Disneys düstere Literaturvorlagen
Zurzeit verzaubert Disney Groß und Klein mit dem Remake des Klassikers „Der König der Löwen“. Nach Disney-tradition wird am Ende alles gut: Simba besiegt den mörderischen Onkel Scar und wird selbst König. Ein Realist fragt sich jedoch, ob Antilopen wirklich ihre Fressfeinde verehren und ob sich Simba nach seiner Krönung noch von Käfern ernährt. Wem die ständige, oftmals realitätsferne „Hakuna Matata“-philosophie der Disneyfilme zu viel wird, sollte einen Blick auf die nicht so kinderfreundlichen Literaturvorlagen werfen. So ist der Aladdin aus „Tausendundeine Nacht“ein gieriger Egoist. Er interessiert sich kein bisschen für Jasmine, sondern wünscht sich Reichtum, ein Schloss und die Prinzessin, um König zu werden. Er tötet sogar seinen Bruder, der ihm die Macht streitig macht. Im Märchen „Schneeweißchen“der Gebrüder Grimm ist es kein Kuss, der Schneewittchen wieder zum Leben erweckt, sondern das Stolpern eines Dieners beim Tragen des Sarges ins Schloss. Durch den Aufprall fällt das vergiftete Apfelstück aus dem Mund der Prinzessin. Was der Prinz mit dem scheinbar toten Mädchen vorhatte, bleibt der Fantasie überlassen. Daraufhin wird die böse Königin vom rachsüchtigen Schneewittchen bestraft: Sie muss so lange in glühenden Schuhen tanzen, bis sie tot umfällt. In «Sonne, Mond und Thalia» von Giambattista Basiles ist von Romantik auch nicht viel zu lesen. Anstatt vom Prinzen wachgeküsst zu werden, wird Dornröschen von diesem vergewaltigt. Die Schlafende gebärt Zwillinge und erwacht erst, als diese ihr den Flachsfaden aus der Hand saugen. Anders als die Disneyfilme offenbart die Literatur also durchaus einige negative Eigenschaften der Hauptcharaktere.