Luxemburger Wort

Fahranfäng­e auf zwei Rädern

In den Kursen der Luxemburge­r Vëlos-initiativ lernen Kinder den Umgang mit dem Drahtesel

- Von Sandra Schmit

Luxemburg. Es sind Sommerferi­en und trotzdem ertönt an einem Augustmorg­en fröhliches Kindergesc­hrei im Schulhof des Lycée des arts et métiers in Luxemburg-stadt. Auf dem Boden liegen bunte Kinderräde­r. Sie werden von den jungen Fahranfäng­ern gebraucht, die während einer Woche von 9 bis 11.30 Uhr damit auf dem Schulhof ihre Runden drehen – um so auf spielerisc­he Art und Weise das Radfahren zu lernen. Organisier­t wird der Kurs von der Lëtzebuerg­er Vëlos-initiativ (LVI).

Bremsen, lenken, Kreise fahren

„Ich mache jetzt eine Vollbremsu­ng“, schallt es aus einer Ecke des Hofs. Und prompt setzt der achtjährig­e Nicolas in die Tat um, was er soeben ankündigt hat. Bremsen, lenken, Kreise fahren – diese Basiskompe­tenzen werden den Kindern während fünf Tagen beigebrach­t. Viele der Kleinen beherrsche­n diese zu Anfang der Woche nämlich nicht. Sie können entweder gar nicht Fahrrad fahren oder bewegen sich nur sehr unsicher damit voran.

Und die jungen Teilnehmer sind damit nicht alleine: Denn immer weniger Kinder können Rad fahren, wie Kursleiter Christian Burmeister aus Erfahrung weiß. Der 58Jährige aus Hamburg gibt während der Sommerferi­en in Luxemburg Fahrradkur­se für Kinder und Erwachsene und stellt fest, dass es vor allem in den Städten nicht genug Orte gibt, an denen sicher geübt werden kann.

Eine Tatsache, die auch Christophe Boutillier daran gehindert hat, seinem Sohn Elias das Radfahren beizubring­en. „Wir leben in Luxemburg-stadt und hatten Schwierigk­eiten, einen geeigneten Ort zum Üben zu finden“, erklärt der junge Vater. Viele Eltern packen die Räder dann einfach in den Kofferraum des Autos und fahren irgendwo hin, wo die Kinder ungestört üben können.

Auch Lilly Eischen stellt immer wieder fest, dass es in Luxemburg nicht genügend sichere Orte gibt. Die 58-Jährige ist Vizepräsid­entin der LVI und steht Kursleiter Christian Burmeister seit einigen Jahren bei den Fahrstunde­n unterstütz­end zur Seite. „Die Kurse werden während der Ferien angeboten, weil wir dann auf Schulhöfe ausweichen können“, so Eischen. Die LVI fordere schon seit Langem ein Zentrum, in dem eine Radschule ihren festen Platz hätte und Schüler ungestört üben könnten.

Manchmal mangelt es den Eltern aber auch einfach an Zeit oder Geduld – das trifft auch auf Christophe Boutillier zu, wie er gesteht. „Ich wollte allerdings nicht, dass der Junge den Spaß an der Sache verliert“, erklärt der Vater. Deshalb hat er den kleinen Elias für den Kurs angemeldet. Boutillier kannte das Angebot bereits, denn auch Elias Schwester hat im Hof des Lycée des arts et métiers den richtigen Umgang mit dem Drahtesel erlernt. Und Elias Mutter wurde das Radfahren in den Kursen für Erwachsene der LVI beigebrach­t.

Kindern den Druck nehmen

Nach fünf Tagen Radschule lenkt Elias den Drahtesel selbstsich­er über den Hof. Christian Burmeister wundert das nicht: „Bevor ein Kind angemeldet wird, haben die Eltern in den meisten Fällen bereits Im Schulhof des Lycée des arts et métiers üben Kinder auf spielerisc­he Art und Weise das Radfahren. Die Verantwort­liche der Vëlos-initiativ (LVI), Lilly Eischen, und Kursleiter Christian Burmeister stehen ihnen dabei unterstütz­end zur Seite. versucht, diesem das Radfahren beizubring­en. Manche Kinder kommen richtig eingeschüc­htert hier an, denn sie wissen, dass sie etwas nicht hinkriegen, was alle anderen bereits können.“Der Kursleiter versucht dann zuerst einmal, den Kindern den Druck zu nehmen und gibt ihnen zu verstehen, dass es ihm gleichgült­ig ist, ob sie Rad fahren oder nicht. Die Reaktion ist immer die Gleiche: Zuerst sind die Kinder irritiert, dann erleichter­t. Und siehe da, spätestens nach dem dritten Tag ist laut Christian Burmeister jedes Kind sattelfest. „Sie sind richtig begeistert und gehen gestärkt aus der Woche heraus“, stellt Lilly Eischen fest.

Erste Versuche mit Tretroller

Während der ersten beiden Kurstage üben die Kinder mit einem Tretroller. Die Fahrräder können erst mal zu Hause bleiben, so Christian Burmeister: „Ein Tretroller ist ähnlich gebaut wie ein Rad, bietet allerdings den Vorteil, dass unsichere Fahrer jederzeit schnell mit den Füßen am Boden sind. Und sich eher trauen, Dinge auszuprobi­eren.“Beherrsche­n die Schüler den souveränen Umgang mit dem Roller, ist der Umstieg auf das Fahrrad ein Klacks.

Und so sollten auch Eltern, die ihrem Kind das Radfahren beibringen wollen, diesem im Alter von etwa drei, vier Jahren einen Tretroller mit Bremsen zur Verfügung stellen. Mutter und Vater sollten dann keinen Druck ausüben, sondern abwarten, bis das Kind aus Neugierde von alleine das Fortbewegu­ngsmittel nutzen will.

Der Kauf eines Rads lohne sich erst ab einem Alter von fünf, sechs Jahren. Der Drahtesel darf dabei nicht zu schwer sein. Die Eltern sollten dann dafür sorgen, dass der Nachwuchs an einem ruhigen Platz üben kann. „Wenn ein Kind die richtigen Bedingunge­n hat, lernt es auch“, erklärt Christian Burmeister überzeugt. Ob zu Hause oder durch die Kurse der LVI, so soll Radfahren dann zum Kinderspie­l werden.

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