Schluss mit Steinwüsten
Umweltthemen sind immer präsenter in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Auch ihre Gewichtigkeit im individuellen wie auch kollektiven Entscheidungsprozess nimmt zu. Zurecht, denn an ihnen wird sich maßgeblich entscheiden, wie die Welt von morgen und somit auch das Leben zukünftiger Generationen aussehen werden. Dass die Grünen europaweit zur politischen Alternative zu traditionellen Parteien avancieren, die in ihrer Positionierung in Sachen Umwelt oftmals eher Zurückhaltung kultivieren, scheint eine logische Konsequenz dieser Entwicklung.
Gleichzeitig jedoch verschwindet aber das farbliche Pendant der grünen, treibenden Kraft langsam aus unseren Stadt- und Dorfbildern. Vermehrt sind vor Wohnhäusern und -blöcken Schottergärten zu sehen, in denen der Grünanteil sich meist auf einen Alibi-farbtupfer in Gestalt eines zurechtgestutzten Buchsbaums beschränkt: eine fragwürdige Ästhetik, die im Großherzogtum eine immer breitere Anhängerschaft findet.
Da Schönheit subjektiv ist und sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, wundert wenig, dass die einen dies als schlicht und elegant empfinden, während es auf andere öde und steril wirkt. Die Mode der Steingärten, die die Facebook-seite der „Gärten des Grauens“als Anthologie wahrlicher Hässlichkeit vorführt, birgt aber gleich zwei Probleme, die eine ernste, öffentlich geführte Auseinandersetzung erfordern.
Zum einen sind Schottergärten eine direkte und langfristig nachwirkende Bedrohung für pflanzlichen und tierischen Artenreichtum, da sie beiden die (über-)lebenswichtige Grundlage entziehen. Auflagen gegen Steingärten per kommunale Bauvorschriften, wie sie seit geraumer Zeit deutschlandweit immer öfter eingeführt werden, sind demnach kein ungerechtfertigter Eingriff in die Privatsphäre, sondern eine Notwendigkeit zur Eindämmung eines schädlichen Phänomens im Interesse der Allgemeinheit, da die im Sommer von Stein und Schotter gespeicherte Hitze zudem das Mikroklima und somit die Lebensqualität in Wohngebieten empfindlich verändern kann.
Darüber hinaus hat diese Mode auch eine weitaus bedrohlichere, psychologische Dimension. Sie vermittelt durch ihr geordnetes Erscheinungsbild nämlich ebenfalls latent eine nicht nur falsche, sondern geradezu unheilvolle Weltsicht, die glauben macht, dass Natur sich in eine pflegeleichte Schablone pressen lässt. Der vermeintlich kleinere Pflegeaufwand ist jedoch ein Trugschluss. Und auch sein Übergang zur Selbstverständlichkeit kann nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesellschaft gefährlich werden, da er zwangsläufig zu einer Art gleichgültiger Unbeteiligtheit führt. Doch alles Leben braucht stete Beachtung, aufmerksame Zuneigung und investierte Zeit.
Weg also mit den Steinwüsten! Was es nicht nur in unseren Vorgärten, sondern auch in der Welt anno 2019 braucht, ist, was Briten „TLC“nennen – „tender loving care“, also mitfühlende, liebevolle Zuwendung. Der erste Schritt dorthin ist einfach von der eigenen Bequemlichkeit ablassen und sich fragen: Wie kann ich dazu beitragen, dass diese Welt, in der wir leben, ein Stück weit lebendiger und lebenswerter wird?
Schottergärten bedrohen die Artenvielfalt und geben ein falsches Weltbild ab.
Kontakt: vesna.andonovic@wort.lu