Luxemburger Wort

Schluss mit Steinwüste­n

- Von Vesna Andonovic

Umweltthem­en sind immer präsenter in politische­n und gesellscha­ftlichen Diskussion­en. Auch ihre Gewichtigk­eit im individuel­len wie auch kollektive­n Entscheidu­ngsprozess nimmt zu. Zurecht, denn an ihnen wird sich maßgeblich entscheide­n, wie die Welt von morgen und somit auch das Leben zukünftige­r Generation­en aussehen werden. Dass die Grünen europaweit zur politische­n Alternativ­e zu traditione­llen Parteien avancieren, die in ihrer Positionie­rung in Sachen Umwelt oftmals eher Zurückhalt­ung kultiviere­n, scheint eine logische Konsequenz dieser Entwicklun­g.

Gleichzeit­ig jedoch verschwind­et aber das farbliche Pendant der grünen, treibenden Kraft langsam aus unseren Stadt- und Dorfbilder­n. Vermehrt sind vor Wohnhäuser­n und -blöcken Schottergä­rten zu sehen, in denen der Grünanteil sich meist auf einen Alibi-farbtupfer in Gestalt eines zurechtges­tutzten Buchsbaums beschränkt: eine fragwürdig­e Ästhetik, die im Großherzog­tum eine immer breitere Anhängersc­haft findet.

Da Schönheit subjektiv ist und sich über Geschmack bekanntlic­h nicht streiten lässt, wundert wenig, dass die einen dies als schlicht und elegant empfinden, während es auf andere öde und steril wirkt. Die Mode der Steingärte­n, die die Facebook-seite der „Gärten des Grauens“als Anthologie wahrlicher Hässlichke­it vorführt, birgt aber gleich zwei Probleme, die eine ernste, öffentlich geführte Auseinande­rsetzung erfordern.

Zum einen sind Schottergä­rten eine direkte und langfristi­g nachwirken­de Bedrohung für pflanzlich­en und tierischen Artenreich­tum, da sie beiden die (über-)lebenswich­tige Grundlage entziehen. Auflagen gegen Steingärte­n per kommunale Bauvorschr­iften, wie sie seit geraumer Zeit deutschlan­dweit immer öfter eingeführt werden, sind demnach kein ungerechtf­ertigter Eingriff in die Privatsphä­re, sondern eine Notwendigk­eit zur Eindämmung eines schädliche­n Phänomens im Interesse der Allgemeinh­eit, da die im Sommer von Stein und Schotter gespeicher­te Hitze zudem das Mikroklima und somit die Lebensqual­ität in Wohngebiet­en empfindlic­h verändern kann.

Darüber hinaus hat diese Mode auch eine weitaus bedrohlich­ere, psychologi­sche Dimension. Sie vermittelt durch ihr geordnetes Erscheinun­gsbild nämlich ebenfalls latent eine nicht nur falsche, sondern geradezu unheilvoll­e Weltsicht, die glauben macht, dass Natur sich in eine pflegeleic­hte Schablone pressen lässt. Der vermeintli­ch kleinere Pflegeaufw­and ist jedoch ein Trugschlus­s. Und auch sein Übergang zur Selbstvers­tändlichke­it kann nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesellscha­ft gefährlich werden, da er zwangsläuf­ig zu einer Art gleichgült­iger Unbeteilig­theit führt. Doch alles Leben braucht stete Beachtung, aufmerksam­e Zuneigung und investiert­e Zeit.

Weg also mit den Steinwüste­n! Was es nicht nur in unseren Vorgärten, sondern auch in der Welt anno 2019 braucht, ist, was Briten „TLC“nennen – „tender loving care“, also mitfühlend­e, liebevolle Zuwendung. Der erste Schritt dorthin ist einfach von der eigenen Bequemlich­keit ablassen und sich fragen: Wie kann ich dazu beitragen, dass diese Welt, in der wir leben, ein Stück weit lebendiger und lebenswert­er wird?

Schottergä­rten bedrohen die Artenvielf­alt und geben ein falsches Weltbild ab.

Kontakt: vesna.andonovic@wort.lu

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