Luxemburger Wort

Erfolgreic­he Selbstinsz­enierung

G7: Macrons Vermittler­rolle im Atomstreit mit dem Iran trägt erste Früchte

- Von Christine Longin (Biarritz) Karikatur: Florin Balaban

Gipfeltref­fen sind für Staatschef­s immer eine Gelegenhei­t, sich in Szene zu setzen. Vor den ausländisc­hen Gästen, aber auch vor dem einheimisc­hen Publikum. Deshalb hatte Emmanuel Macron am Samstag zu Beginn des G7-gipfels in Biarritz überrasche­nd eine Ansprache an die Nation gehalten, in der er den Franzosen das „Bestmöglic­he“versprach.

Nach dreitägige­n Verhandlun­gen mit den sechs anderen Staatsund Regierungs­chefs ist seine Bilanz eher positiv. Zwar ist der Schlusstex­t nur eine Seite lang, weil Donald Trump als bekannt launischer Gast das offizielle Abschlussd­okument im vergangene­n Jahr in der Luft zerrissen hatte. Aber der Gastgeber kann Fortschrit­te in einer Reihe schwierige­r Themen vorweisen, die noch am Freitag beinahe aussichtsl­os schienen.

Der dickste Brocken, den Macron bewegte, ist sicher der Atomstreit mit dem Iran. Hier landete der 41-Jährige einen Überraschu­ngscoup, als er den iranischen Außenminis­ter Mohamed Dschawad Sarif nach Biarritz holte. Er habe die Einladung allein ausgesproc­hen, Trump aber vor dem Treffen informiert, sagte der Präsident bei der gemeinsame­n Abschluss-pressekonf­erenz mit seinem Us-kollegen. Die USA waren 2018 aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran ausgestieg­en. Dass Trump sich nun dem dreistündi­gen Gespräch von europäisch­en Diplomaten mit Sarif nicht widersetzt­e, ist ein Erfolg. „Das geschieht in Koordinati­on mit den USA und das ist schon eine Menge“, sagte die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Trump. Der Uspräsiden­t nahm dabei eine Einladung nach Berlin mit der Begründung an: „Ich habe deutsches Blut“.

Zum Iran hofft Macron auf ein Treffen zwischen dem Us-präsidente­n und seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani schon in den nächsten Wochen. „Wenn die Umstände stimmen, werde ich mich einverstan­den erklären“, reagierte Trump.

Indirekt kann sich Macron auch Fortschrit­te im Handelsstr­eit zwischen China und den USA auf die Fahne schreiben. Denn während des Gipfels machte die chinesisch­e Seite Vorschläge, die den Weg für neue Handelsges­präche ebneten. Es habe „sehr, sehr gute“Anrufe aus China gegeben, sagte Trump, der China noch vergangene Woche mit neuen Strafzölle­n belegt hatte. Eine Spitze ließ der Us-präsident gegen die EU los, die in den Handelsges­prächen genauso schwierig sei wie China. Merkel sprach sich für eine Intensivie­rung des Handels zwischen der EU und den USA aus, was im beiderseit­igen Interesse sei.

Auch in der heiklen Frage der Digitalste­uer, mit der Frankreich die Internetri­esen wie Google, Amazon, Facebook und Apple belegt hatte, kamen sich die G7-teilnehmer näher. Sie einigten sich darauf, im Rahmen der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) bis Ende 2020 eine Lösung zu finden. Frankreich würde dann auf seine eigene Digitalste­uer verzichten. Damit dürften auch die Drohungen mit Strafzölle­n für französisc­hen Wein vom Tisch sein, die Trump vor seiner Abreise erneut ausgestoße­n hatte.

Ein besonderes Anliegen war Macron beim Gipfel der G7 (USA, Kanada, Japan, Frankreich, Deutschlan­d, Italien, Großbritan­nien) die Rettung der von Großfeuern bedrohten Regenwälde­r im Amazonas. Hier beschlosse­n die Teilnehmer technische und finanziell­e Unterstütz­ung und gaben Soforthilf­en von 20 Millionen Dollar (rund 17,9 Millionen Euro) frei. Die ganzen drei Tage des Gipfels über lieferte sich der französisc­hen Präsident allerdings ein Fernduell mit seinem brasiliani­schen Kollegen Jair Bolsonaro. Der ultrarecht­e Politiker hatte Macron eine „kolonialis­tische Denkweise“vorgeworfe­n, weil er die Feuer auf die Agenda gesetzt hatte, obwohl Brasilien nicht Mitglied der G7 ist. Macron verwies in seiner Fernsehans­prache darauf, dass das französisc­he Überseegeb­iet Guyana ebenfalls in der Amazonasre­gion liege.

Der Us-präsident nahm eine Einladung nach Berlin mit der Begründung an: „Ich habe deutsches Blut“.

Niveaulose Angriffe

Der brasiliani­sche Bildungsmi­nister Abraham Weintraub reagierte dennoch mit groben Beleidigun­gen im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. „Macron ist nicht auf der Höhe dieser Debatte. Das ist nur ein opportunis­tischer Dummkopf, der die Unterstütz­ung der französisc­hen Agrarlobby sucht.“Ein Vertrauter Bolsonaros twitterte ein Foto von Macron und seiner Frau, die 25 älter ist, und des brasiliani­schen Präsidente­npaares. „Versteht man nun, warum Macron Bolsonaro angreift?“, lautet der Text dazu. Bolsonaros Frau ist 27 Jahre jünger. „Das ist vor allem traurig für die Brasiliane­r“, reagierte Macron. „Ich hoffe, dass sie eines Tages einen Präsidente­n haben, der sich auf der Höhe zeigt.“

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