Luxemburger Wort

Jetzt ist Sergio Mattarella am Zug

Italiens Staatspräs­ident führt die zweiten und entscheide­nden Gespräche über die Regierungs­bildung

- Von Dominik Straub (Rom)

Fünf Tage Zeit für Verhandlun­gen hatte Mattarella den Parteiführ­ern nach seiner ersten Sondierung­srunde in der vergangene­n Woche gegeben. Bis zum heutigen Dienstag forderte er ein Bekenntnis zu einer neuen Regierungs­koalition mit einem klaren Programm für die restlichen dreieinhal­b Jahre der Legislatur. Ansonsten gebe es nur einen Ausweg aus der Regierungs­krise: Auflösung des Parlaments und Einsetzung einer Übergangsr­egierung, die das Land zu Neuwahlen im Oktober oder November führen wird. Wie es in Rom nun weitergehe­n wird, liegt allein in der Hand des 78-jährigen Sizilianer­s aus Palermo.

Fest steht, dass sich Mattarella nicht auf einen faulen Kompromiss zwischen der Fünf-sternebewe­gung und dem sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD) einlassen wird, der einzig darauf abzielt, die von Lega-chef und Noch-innenminis­ter Matteo Salvini geforderte­n Neuwahlen zu vermeiden. Die Gefahr, dass eine solche Regierung bei der erstbesten Schwierigk­eit – etwa bei der Ausarbeitu­ng des Staatshaus­halts für das Jahr 2020 – gleich wieder auseinande­r fliegt, wäre viel zu groß. Aber der Staatspräs­ident wird sicher auch nichts unversucht lassen, die Legislatur nach dem Platzen der bisherigen populistis­chen Regierung aus Protestbew­egung und rechtsnati­onaler Lega noch zu retten. Mattarella wird sich nicht für die eine bestimmte Lösung stark machen: Der stets zurückhalt­ende und diskrete Christdemo­krat versteht sich als Schiedsric­hter, als Unparteiis­cher, der einzig über die Einhaltung der Regeln wacht. Und die Regeln sind in der Verfassung festgeschr­ieben. Die Aufgabe des Staatsober­haupts wird keine einfache sein: Am Vorabend der entscheide­nden Gespräche war von der von ihm geforderte­n stabilen Koalition mit klaren Ideen noch wenig zu erkennen. Die Parteien hatten die knappe Zeit mit taktischen Spielchen und einem Gefeilsche um Posten benutzt. Der größte Knackpunkt blieb bis gestern Abend das Amt des Premiermin­isters: Der Politikche­f der Protestbew­egung, Luigi Di Maio, bestand darauf, dass der alte Premier, Giuseppe Conte, auch der neue sein müsse. Der Führer des PD, Nicola Zingaretti, bestand dagegen auf einer inhaltlich­en Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella kommt in der verfahrene­n staatspoli­tischen Lage eine Schlüsselr­olle zu. und personelle­n „Diskontinu­ität“. Nach einem Gespräch mit Di Maio zeigte sich der Pd-chef aber optimistis­ch, dass die Differenze­n noch ausgeräumt werden könnten. Am späteren Abend war außerdem ein Treffen mit Conte selbst geplant. Doch die Probleme bei der Bildung einer Regierung zwischen Protestbew­egung und PD gehen freilich tiefer als der Streit um Conte. Bis vor wenigen Tagen gebärdeten sich die beiden möglichen künftigen Regierungs­partner als politische Erzfeinde. Sowohl Di Maio als auch Zingaretti standen deshalb einer möglichen Koalition von Beginn an skeptisch gegenüber. Wie wenig Di Maio an einer Regierung mit den Sozialdemo­kraten gelegen ist, zeigte er in diesen Tagen demonstrat­iv, indem er mit seiner Freundin Badeferien machte, statt sich an den Verhandlun­gen zu beteiligen. Das einzige, was Zingaretti und Di Maio verbindet, ist der Wunsch ihrer Abgeordnet­en und Senatoren, die von Salvini geforderte­n Neuwahlen zu vermeiden: Den meisten von ihnen droht bei einem neuen Urnengang die Abwahl.

Alles ist möglich

Hinzu kam ein politische­s Störmanöve­r von Salvini: Er schlug Di Maio plötzlich eine Neuauflage der alten Koalition vor, die er noch vor wenigen Tagen mit der Begründung hatte platzen lassen, dass man mit den Fünf-sterne-leuten nicht zusammenar­beiten könne. Um eine Regierung aus Protestbew­egung und PD zu verhindern und seinen eigenen Sessel als Innenminis­ter zu retten, offerierte Salvini Di Maio sogar den Posten des Premiers. Dass der 32-jährige Di Maio Premiermin­ister Italiens wird, ist aber eher unwahrsche­inlich: Der abtretende Regierungs­chef Conte hat einer neuen Hochzeit der Protestbew­egung mit der Lega Salvinis eine Absage erteilt. Aber ausgeschlo­ssen war gestern nichts in Rom.

Der stets zurückhalt­ende und diskrete Christdemo­krat versteht sich als Schiedsric­hter.

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