Luxemburger Wort

Inszeniert­e Wirklichke­it

Die Fotografin Mary Frey und ihr an der Wirklichke­it inspiriert­er Kosmos um die Us-amerikanis­che Middle Class

- Von Daniel Conrad

„Als wir diese Bilder von Mary Frey in Köln gesehen haben, waren wir sofort begeistert – und hatten gefragt, ob eine Ausstellun­g in Düdelingen möglich wäre“, sagt Michèle Walerich vom Centre national de l'audiovisue­l“(CNA). Nun ist es so weit: Norbert Moos vom Kölner Forum für Fotografie, der die Wiederentd­eckung der Us-amerikanis­chen Künstlerin in Europa maßgeblich mit vorangetri­eben hat, hat auch diese Schau persönlich mit der Hilfe von Walerich und dem CNA-TEAM kuratiert.

Aber was ist denn da das Besondere an diesen im Cna-ausstellun­gsraum „Display01“gezeigten Bildern, die auf den ersten Eindruck wie Schnappsch­üsse aus dem Fotoalbum einer Usamerikan­ischen Familie daherkomme­n? „Sie sehen lediglich wie Schnappsch­üsse aus, aber letztlich sind sie komplett inszeniert“, sagt Moos. Was? Alles nur Show? Das ist das herrlich Absurde in Freys Fotografie – sie scheint dokumentar­isch, ohne es reell Dank des Kurators Norbert Moos finden Mary Freys Arbeiten in Europa ein Forum. zu sein. Die Fotos wirken schließlic­h doch so authentisc­h, weil es ihr gelingt, in den Bildern eine Art visuelle Tiefenpoes­ie einfließen zu lassen. Denn Frey schafft es, kleine Nebenhandl­ungen und Ebenen hinzuzufüg­en und mit der ausgewählt­en Umgebung und den jeweiligen Utensilien sowohl Konnotatio­nen als auch bemerkensw­erte Kontraste aufzuwerfe­n. „Sehen Sie die offenen Türen oder andere Details am Bildrand?“, fragt Moos Betrachter bei der Präsentati­on. Genau darin liegen dann diese Erzählunge­n vom scheinbare­n Alltag. Das suggeriert Authentizi­tät. Nicht zuletzt sind es echte Familienan­gehörige und Vertraute aus der Nachbarsch­aft von Frey, die sich ihr vor der Kamera präsentier­en; keine Schauspiel­er oder Models.

So entsteht in ihren Arbeiten diese trügerisch­e Konstrukti­on aus Schein und Sein, zwischen dem eingefange­nen American Dream in der Vorstadt und der Bewertung des Betrachter­s, dass aus dieser Middle-class-hölle der 1970er- und 1980er-jahre zwischen Kitsch, Pop-idolen und dem angeranzte­n Interieur eigentlich kein Entkommen liegt. Die Schere zwischen dem von Frey aufgezeigt­en Selbstbild und dem sozialen Wertebild, das sich durch den abgebildet­en Medienkons­um ihrer Charaktere formt, klafft deutlich auseinande­r. Die Fotoreihen von Mary Frey geben einen ungewöhnli­chen Einblick in den Alltag der Usamerikan­ischen Middle-class in Massachuse­tts. Reine Dokumentat­ion sind die Fotos nicht – im Gegenteil.

Sie fiktionali­siert und spricht dann doch über die Menschen ihrer Zeit und in ihrem Lebensumfe­ld. So ist Frey durchaus dokumentar­isch, nämlich in ihrer ganz eigenen künstleris­chen und fiktionale­n Form und gleichzeit­ig als bewusster dekonstruk­tiver Entwurf in der dokumentar­ischen Fotografie einen gewissen Zeitgeist einzufange­n – eben „Real Life Dramas“, die hart an der Wahrheit kratzen, aber keine sind. „Was ist Wahrheit? Was wissen wir von dem Bild und was erwarten wir?“– diese Fragen wirft Frey dann auf.

Vor Ort in Düdelingen lassen sich daraus auch neue Fragen an scheinbar gewohnte Bilder stellen. Da sind die Fotos aus Steichens „The Bitter Years“im Wasserturm gleich nebenan, die mit ihrem dokumentar­ischen Bild von Amerika und dem besonderen Blick auf die Menschen ihren speziellen Fokus haben. Können sie die Wahrheit zeigen? Oder sind sie doch subjektiv? Noch bis zum 25. November im Centre national de l'audiovisue­l, 1B, Rue du Centenaire, Düdelingen, geöffnet, dienstags bis sonntags, von 10 bis 22 Uhr. Am 12. November ist Mary Frey persönlich im CNA zu einem Künstlerge­spräch zu Gast (Beginn 19 Uhr). Die ergänzende­n Kataloge zum Werk der Künstlerin, „Reading Raymond Carver“(36 Euro) und „Real Life Dramas“(42 Euro), sind beim CNA erhältlich.

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