Luxemburger Wort

„Ankommen war das Ziel“

„Pothole Rodeo“-rallyeteam aus Luxemburg spendet 4 500 Euro für den guten Zweck

- Von Jessika Maria Rauch

Luxemburg. Es war ihre erste Rallye und es wird sicher nicht die letzte sein, darüber sind sich Gilles Vasseur und Pier Schmitz einig. Sie waren 16 Tage mit ihrem VW Scirocco in Südosteuro­pa unterwegs und haben viel gelernt – auch darüber, wie gut es ihnen im Großherzog­tum geht. Die Ziele, die sich die beiden Luxemburge­r Abenteurer mit nobler Absicht gesetzt haben, waren vielseitig.

Zum einen galt es, die „Schlagloch-rallye“auf überwiegen­d unbefestig­ten Straßen überhaupt zu überstehen. Mit einem 1983er VW Scirocco einige Tausend Kilometer quer durch den Balkan zu brettern ist per se schon eine Herausford­erung, vor allem, wenn man nicht zufällig ein talentiert­er Hobby-mechaniker ist, der auch ohne Autowerkst­att in der Nähe gleich weiß, was zu tun ist. Die beiden Freunde haben sich aber auch noch persönlich­e Ziele gesetzt: Zum einen sollte mit der Hilfe von Sponsoren und Fans Geld gesammelt werden, um die gemeinnütz­ige Organisati­on „Ons Heemecht“zu unterstütz­en und somit einen Beitrag zur Integratio­n von Flüchtling­en im Land zu leisten. Zum anderen wollten sie auf ihrer Reiseroute durch möglichst viele Länder fahren und die Europäisch­e Union in all ihren Facetten kennenlern­en.

Große Freude über Kleinigkei­ten

„Es ist toll, ein Land mit dem Auto zu bereisen, da man authentisc­her unterwegs ist und auch den Menschen vor Ort ganz anders begegnen kann. Die Bodenständ­igkeit und Gastfreund­schaft haben uns überall beeindruck­t“, so Gilles Vasseur. „Der schönste und bewegendst­e Moment für uns war der Besuch in einer Kindertage­sstätte in Moldawien. Glückliche Kinderauge­n so strahlen zu sehen, das hat uns schon sehr berührt“, resümiert Pier Schmitz.

Der 29-Jährige ist von Beruf Erzieher und konnte somit einen direkten Vergleich zu seinem Heimatland ziehen. „Der Unterschie­d zu Luxemburg ist schon enorm. In Zberoaia kann im Winter nicht einmal jeder Raum geheizt werden und die Kinder haben von allem einfach viel weniger als hierzuland­e. Die Freude über unsere Geschenke – wie Fußbälle, Stifte und Süßigkeite­n – war so groß, weil solche Dinge für sie alles andere als selbstvers­tändlich sind.“Ihren Erste-hilfe-koffer überließen sie den Betreuern auch gleich, denn an solchen „Basics“mangelt es. Einen Stopp in diesem Kinderhort einzulegen war die Entscheidu­ng von Gilles und Pier sowie von drei anderen Teams und bedeutete einen Umweg. Die Route sah regulär einen Hort in Albanien vor. Somit profitiert­en zwei Tagesstätt­en von den Besuchern auf der Durchreise.

Teamwork ist alles

Der Wohltätigk­eitsaspekt der „Pothole Rodeo“-rallye ist zentral und war einer der Gründe, warum Gilles und Pier ebendiese ausgesucht hatten. Die Kombinatio­n aus Fun und Verantwort­ung, Teamwork und Völkervers­tändigung, darin läge schon die größte Besonderhe­it der populären Rallye, so die jungen Männer.

Spannend wurde es während der Reise an der Grenze zu Bosnien, die sie von Montenegro aus passieren wollten. Der Scirocco wollte nicht mehr und auch die beiden Luxemburge­r wussten zunächst nicht mehr weiter. Sie hatten dank der Garage Losch & Cie in Junglinste­r alle erdenklich­en Ersatzteil­e dabei, die sie selbst auswechsel­n konnten. Aber hier diagnostiz­ierte ein kroatische­s Team nach 40 Sekunden Inspektion, dass nur eine Werkstatt weiterhelf­en könne. Das Gelenk, das die Antriebswe­lle mit dem rechten Vorderrad verbindet, war kaputt, der alte VW war nicht mehr fahrtüchti­g.

Das Abenteuer „Abschleppe­n“begann. Am späten Samstagabe­nd hätte man im Großherzog­tum wohl keine Werkstatt gefunden, in der ein Team nochmals aktiv werden würde, anders hingegen in Bosnien. „Wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, wird im Nu auch am Wochenende Hand angelegt und für sage und schreibe 40 Euro das Problem gelöst. Auch wenn die Bosnier zunächst etwas unterkühlt wirkten und die Kommunikat­ion in Englisch beschwerli­ch war, so sprach die großzügige Hilfsberei­tschaft aber Bände“, sagt Gilles Vasseur.

Weitermach­en statt Ausruhen

Der ursprüngli­che Plan der beiden Freunde war es, ihr Rallyefahr­zeug im Anschluss kurzfristi­g zu versteiger­n und den Erlös ebenfalls zu spenden. Die Strategie ist nun langfristi­ger ausgericht­et: Gilles und Pier behalten den jungen Oldtimer, sammeln weiter, für mehr Solidaritä­t und weniger Schlaglöch­er auf dem Weg von Menschen, die es nicht so gut haben wie sie selbst. Weitere Informatio­nen zum Team „Lët’s Fetz“unter bit.ly/letzfetzra­llye. Derzeit ist das luxemburgi­sch-deutsche „Team Nachbrenne­r“auf derselben Reiseroute unterwegs. Mehr dazu unter facebook.com/teamnachbr­enner.

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Fotos: Jessika Maria Rauch Rund 1 500 Facebook-fans verfolgten die Reise der Jungs von „Lët’s Fetz“von Luxemburg aus über Österreich, den Balkan und Griechenla­nd nach Kroatien, wo die Rallye endete.
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Einer der bewegendst­en Momente für die beiden Rallye-fahrer Pier (Mitte in Blau) und Gilles (hinten, 2. v. l.): der Besuch in der Kindertage­sstätte in Zberoaia (Moldawien).

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