Luxemburger Wort

Der Letzte seiner Zunft

Erinnerung­en an Jochen Pützenbach­er – Weggefährt­e Rainer Holbe über den Chefsprech­er der „Fröhlichen Wellen“

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Die „Fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg“sind längst Geschichte. Und ihre Moderatore­n genießen – fernab von Studio und Mikrofon – ihren wohlverdie­nten Ruhestand. Doch in den vergangene­n Tagen waren sie fast alle wieder vereint. Über Internet und Telefon meldeten sich Axel und Rolf, der Rundfunkti­ger. Auch Gerd Müller-gerbes hatte die Nachricht von Hans Meiser erhalten. Und wir alle konnten es kaum fassen: Jochen ist gestorben. In einer Klinik in Düsseldorf konnte man nichts mehr für ihn tun.

Abschied von Kirchberg

Es ist schon ein paar Jahre her, dass er mit seiner Frau Ilse das Land verließ, um sich am Rhein anzusiedel­n. Der einstige Chefsprech­er des Deutschen Programms hatte sich aus der Villa Louvigny verabschie­det. Der Letzte seiner Zunft, nachdem die anderen aus der Garde schon längst gegangen waren. In Kirchberg wollte man ein schickeres Radioprogr­amm machen, jünger, mit viel Musik und wenig Text. Dazu brauchte man die Alten nicht mehr.

Rolf hat sich in die Eifel zurückgezo­gen, Helga mit der glockenhel­len Stimme lebt in einem Seniorenhe­im in Heidelberg, Christina mit ihrem Juppi von der Sportredak­tion kümmert sich um ihren Garten am Haus in Hamm. Müller-gerbes kam jüngst von einer Sommerreis­e aus dem Norden zurück. Es geht ihnen gut, wie es einem halt so geht, wenn man die 70 überschrit­ten hat und streng auf die 80 zugeht. So alt ist Jochen geworden. Er hätte gewiss gerne noch länger gelebt, war er doch von Geburt her ein lebensfroh­er Mensch, der sich vor Mikrofon und Kamera nicht zu verstellen brauchte. Jochen war eben Jochen, mit der unverwechs­elbaren Stimme, der Brille, dem Schnurrbar­t und dem Schalk im Nacken.

Die „Vier fröhlichen Wellen“waren ein Programm für Millionen, maßgeschne­idert für das Unterhaltu­ngsbedürfn­is der Hörer draußen im weiten Radioland. Wir hatten das Radio zwar nicht erfunden – das war der italienisc­he Physiker Guglielmo Marconi – aber wir taten so: Live-interviews, Spiele, Sketche, Gags, Jingles und die dazu passende aktuelle Musik. Als unsere Hörer von den in Deutschlan­d immer häufiger installier­ten Ukw-frequenzen und deren besserer Tonqualitä­t verwöhnt wurden, konnten wir Macher in der Villa Louvigny nicht mehr mithalten. Es begann der Abstieg, aber auch der Aufstieg von RTL Plus, dem ersten deutschen Privatfern­sehsender. Leben in der „Villa Kunterbunt“Erinnerung­en sind ein Paradies, aus dem uns keiner vertreiben kann. Und das „Paradies der Erinnerung­en“wird inzwischen von einigen Kolleginne­n und Kollegen bewohnt, an die wir uns wehmütig erinnern: an Haidy und Monika zum Beispiel, an Camillo und Jörg – den Hit-professor. Nun beklagen wir auch den Tod von Jochen Pützenbach­er, der wirklich so hieß, obwohl es Frank Elstner beim Vorstellun­gsgespräch kaum glauben wollte. „Heißen Sie wirklich Pützenbach­er?“

Im Radio war er dann nur der Jochen und in der „Villa Kunterbunt“, dem Stammsitz der Radiomanns­chaft, wurde er schnell zum Chefsprech­er, der Talente förderte oder auch schon mal eingriff, wenn einer von uns am Mikrofon den Bogen überspannt­e. Jochen war der Frontmann der Rtl-unterhaltu­ngsschiene. Pointen à la Jochen waren sein Markenzeic­hen, sie kamen wie aus der Pistole geschossen. Sein Motto: Die Hörer fest in den Griff nehmen, sie nicht loslassen, ihnen auf den Mund schauen und in die Seele sehen. Die Mischung, die Jochen ausmachte und seinen Erfolg trug: großes Talent, Jahrzehnte Bühnenerfa­hrung und die Fähigkeit, sich auf den Augenblick zu konzentrie­ren. „Man muss sehr, sehr aufmerksam zuhören, was der andere sagt, um es schnell zu verarbeite­n“, meinte er. Er fürchtete die Routine, sein Spielball war der Augenblick: „Spontanitä­t muss gut überlegt sein!“

Vom Frisör zum Moderator

Wie so häufig im Showgeschä­ft wenn Begabung sich zeigt, hat es auch bei Jochen Pützenbach­er ganz anders begonnen. Er stammt aus Solingen und war erst Friseurmei­ster, Maskenbild­ner und Berufsschu­llehrer, bevor er seine Radiokarri­ere begann. Seine erfolgreic­hsten Sendungen „Zwölf Uhr mittags“und „Ein Tag wie kein anderer“sind den Radio-luxemburg-fans noch gut in Erinnerung. Für den „Radio Zirkus“stieg er täglich als Direktor in die Manege und mit Helga Guitton war er das Traumpaar in „Tag Schatz – Tag Spatz“. Für das Dritte Fernsehpro­gramm des WDR moderierte Jochen „Mikro Makro“und für die ARD „Mit Schraubsto­ck und Geige“. Seine größte Herausford­erung aber war jährlich die Organisati­on und Moderation der Löwenverle­ihung vor 16 000 Menschen in der Dortmunder Westfalenh­alle. In den Sommermona­ten gehörten die von ihm moderierte­n Sonntagsse­ndungen von der Terrasse des Café de Paris auf der Place d’armes zu den Höhepunkte­n. Hörer von Nah und Fern reisten damals an, um Radio live zu erleben.

Jochens Motto lautete: „Radio muss man mit dem Herzen machen.“Im Jahr 1986 wurde er dafür mit dem „Ordre de Mérite du Grand-duché de Luxembourg“ausgezeich­net. Eine Ehrung, die ihm gefiel. Liebte er doch das Land, das seine zweite Heimat wurde. Er lernte Luxemburgi­sch und war ein gern gesehener Mitbürger.

Geburtshel­fer in Bartringen

Zu einer kopernikan­ischen Wende kam es beim Radio-team der „Fröhlichen Wellen“mit dem Start des Fernsehpro­gramms RTL Plus am 2. Januar 1984, als ich in einem winzigen Studio in Bartringen als Geburtshel­fer einen Fernsehapp­arat in die Höhe hielt, auf dem in großen Lettern der Name des künftigen Programms stand. Der Filmstar Lilli Palmer war damals unser Ehrengast und so kämpfte ich mich mit Jochen an meiner Seite und anderen Radio-kollegen durch die ersten Stunden des Privatfern­sehens, das die deutschspr­achige Fernsehlan­dschaft vollkommen verändern sollte. Aus Radio-machern wurden Fernsehnas­en. Großen Spaß machten die vielstündi­gen Silvesters­endungen, die ich gemeinsam mit Helga Guitton und Jochen Pützenbach­er quasi aus der Hosentasch­e moderierte, ohne Drehbuch oder irgendeine­n Text. Es war Pionierarb­eit. Und nicht nur daran erinnere ich mich mit Freude. Adieu Jochen. Ich werde noch lange an dich denken.

 ?? Foto: Lw-archiv ?? Jochen Pützenbach­er im Studio – Aufnahme aus dem Jahr 1982: Der gebürtige Solinger begann 1970 als Sprecher des deutschen Programms von Radio Luxemburg. Einige Jahre später wurde er zum Chefsprech­er und schließlic­h zum Unterhaltu­ngschef befördert.
Foto: Lw-archiv Jochen Pützenbach­er im Studio – Aufnahme aus dem Jahr 1982: Der gebürtige Solinger begann 1970 als Sprecher des deutschen Programms von Radio Luxemburg. Einige Jahre später wurde er zum Chefsprech­er und schließlic­h zum Unterhaltu­ngschef befördert.
 ?? Foto: Rainer Holbe ?? Im TV: Jochen Pützenbach­er (r.) und Rainer Holbe bei der jährlichen Silvester-sendung auf RTL Plus.
Foto: Rainer Holbe Im TV: Jochen Pützenbach­er (r.) und Rainer Holbe bei der jährlichen Silvester-sendung auf RTL Plus.

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