Dialog und Druck
Obwohl Kritiker bereits das Ende politischer Mammuttreffen eingeläutet haben, hat der G7gipfel von Biarritz bewiesen, dass der Austausch zwischen Politikern durchaus sinnvoll und überraschend fruchtbar sein kann. Auch wenn es altmodisch klingt, ist und bleibt Dialog der Königsweg zu Kompromissen.
Emmanuel Macron hatte bewusst tief gestapelt, als er vor dem Gipfel ankündigte, auf eine Abschlusserklärung verzichten zu wollen. Indem er das verkrustete Format aufbrach, sorgte er für frischen Wind und neue Möglichkeiten.
Das Fazit von Biarritz liest sich so: Der französische Präsident glänzte in seiner Rolle als G7-gastgeber und bewies, dass er ein Politiker von Weltformat ist, während der Elefant im Porzellanladen, Donald Trump, sich ungewohnt sanftmütig verhielt. Macrons Überraschungscoup, den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif einzuladen, könnte Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen zwischen den USA und Iran bringen. Auch im Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China sollen sehr bald wieder Verhandlungen aufgenommen werden. Last but not least zeigte sich der neue britische Premierminister Boris Johnson ausgesprochen Eu-freundlich.
In Biarritz wurde auch eine 20-Millionen-dollar-hilfe für den Kampf gegen das Feuerinferno am Amazonas beschlossen. Was sicherlich gut gemeint ist, ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zudem wird das Angebot von Brasília empört als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen.
Dabei ist der Regenwald in Amazonien die „grüne Lunge“des Planeten. Durch die über 80 000 Brandherde allein in Brasilien – über 80 Prozent mehr als noch im Vorjahr – wird viel gespeichertes CO2 freigesetzt, das die globale Klimaerwärmung verstärkt. Bei der Zerstörung des Regenwalds geht es also um eine globale Menschheitsfrage, die grenzübergreifend gelöst werden sollte.
Erschwert wird die Lösungssuche durch einen Partner wie den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der ein Klima geschaffen hat, das Brandrodung durch Viehzüchter ermutigt, und der den Westen als Feind für seine Zwecke instrumentalisiert. Über die Vernunft wird man keinen Zugang zum „Tropen-trump“finden. Die einzige Sprache, die der Populist versteht, ist die des wirtschaftlichen Drucks. Der einstige Hinterbänkler im brasilianischen Parlament wurde maßgeblich dank der Unterstützung der Agrarlobby zum Präsidenten gewählt. Und es ist vor allem die Agrarindustrie, die Bolsonaro zur Vernunft bringen kann.
Heute ist Europa der zweitwichtigste Handelspartner von Brasilien. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-staaten liegt fertig ausgehandelt auf dem Tisch. Bevor Europa jedoch den Vertrag kappt, sollte es das Gespräch mit Brasilien im Rahmen des nächsten G20-gipfels suchen. Nicht via soziale Netzwerke, sondern von Angesicht zu Angesicht. Ein respektvolles Gespräch kann manchmal Wunder wirken.
Ein respektvolles Gespräch kann manchmal Wunder wirken.
Kontakt: francoise.hanff@wort.lu