Luxemburger Wort

No-deal-brexit stoppen

Britische Opposition entwickelt ihre Strategie – Die Zeit drängt

- Karikatur: Florin Balaban Von Peter Stäuber (London)

Die Opposition in London nähert sich langsam einer Strategie, wie der No-deal-brexit am 31. Oktober zu vermeiden ist. Die pro-europäisch­en Parteien werden zunächst versuchen, die Pläne der Regierung mit legislativ­en Mitteln zu stoppen; wenn das nicht gelingt, bleibt ein Sturz von Boris Johnsons Regierung durch ein Vertrauens­votum eine Möglichkei­t.

Auf diesen Plan einigten sich hochrangig­e Vertreter der Opposition­sparteien gestern. Auf Einladung von Labour-chef Jeremy Corbyn hatten sich die Vorsitzend­en und Fraktionsc­hefs mehrerer pro-europäisch­en Parteien, darunter der Schottisch­en Nationalpa­rtei (SNP), der Liberaldem­okraten, der Grünen sowie der walisische­n Plaid Cymru, zu Gesprächen getroffen, um nach Wegen zu suchen, wie der ungeregelt­e Euaustritt vermieden werden kann.

Bislang war ein gemeinsame­s Vorgehen der Brexit-gegner durch zwischenpa­rteiliche Streitigke­iten blockiert worden; insbesonde­re weigerte sich die Chefin der Liberaldem­okraten, Jo Swinson, eine vorübergeh­ende Labour-regierung unter Corbyn in Betracht zu ziehen. Die Gespräche gestern fielen weit positiver aus. Anstatt eine neue Übergangsr­egierung einzusetze­n, besteht die Strategie nunmehr darin, die Brexit-politik der Regierung durch Gesetzesvo­rstöße im Parlament zu blockieren.

Swinson bezeichnet­e das Treffen als „sehr positiv“und bekräftigt­e die Entschloss­enheit der Brexit-gegner, schnell zu handeln. Auch Schattenfi­nanzminist­er John Mcdonnell zeigte sich zuversicht­lich; die Opposition werde „jeden zur Verfügung stehenden Mechanismu­s“ nutzen, um Johnson zu stoppen. Was für Möglichkei­ten den Parlamenta­riern konkret offenstehe­n, bleibt allerdings noch unklar.

Dennoch stellt die Einigung auf ein gemeinsame­s Vorgehen einen Durchbruch dar. Dass sich die verschiede­nen Parteien endlich dazu durchgerun­gen haben, hat auch mit den Drohungen Johnsons zu tun, den Brexit mit dem Brecheisen zu erzwingen. Am Wochenende ist publik geworden, dass sich der Premiermin­ister bei seinem Generalsta­atsanwalt Geoffrey Cox erkundigt hat, ob das Parlament für einige Wochen aufgelöst werden kann. Auf diese Weise könnte die Regierung verhindern, dass die Opposition Anträge zur Blockierun­g des Eu-austritts rechtzeiti­g einbringen kann. So müsste das Parlament – der nominelle Souverän im Land – tatenlos zusehen, wie Großbritan­nien vertragslo­s aus der EU kracht.

Vernichten­de Kritik

Bei Parlamenta­riern hat dies sogleich Empörung ausgelöst. Die Labour-politikeri­n Shami Chakrabart­i, die bei der Opposition für Rechtsfrag­en zuständig ist, übte vernichten­de Kritik: Eine sogenannte „Prorogatio­n“käme einem „schweren Machtmissb­rauch und einem Angriff auf die verfassung­srechtlich­en Grundlagen Großbritan­niens“gleich. Sollte die Regierung diesen Schritt dennoch wagen, könnte der Entscheid umgehend gerichtlic­h angefochte­n werden, schrieb Chakrabart­i am Montag in einem Gutachten.

Weiterhin ist die Gefahr groß, dass es Ende Oktober zu einem ungeregelt­en Eu-austritt kommt. Nach dem Treffen mit den G7-regierungs­chefs im französisc­hen Biarritz gab sich Boris Johnson zwar optimistis­ch, dass eine Einigung mit der EU noch immer möglich sei. Aber er sagte auch, dass dies von der Bereitscha­ft Brüssels abhänge, Zugeständn­isse zu machen. Solche Aussagen dürften nicht zuletzt den Zweck haben, im Fall eines Scheiterns der Gespräche die Schuld von sich weisen zu können. Auch gab Johnson keine Details zu einem möglichen Fahrplan für eine Wiederaufn­ahme der Gespräche – weiterhin wartet die EU auf detaillier­te Vorschläge der Briten, was für Alternativ­en zum vorliegend­en Brexit-plan sie sich vorstellen.

Umso dringliche­r ist es für die Brexit-gegner geworden, einen No-deal-brexit auf jeden Fall zu unterbinde­n. Damit der Plan funktionie­rt, ist allerdings auch die Unterstütz­ung von konservati­ven Abgeordnet­en nötig: Die Regierung verfügt über eine dünne Mehrheit, wenn also ein Anti-brexit-vorstoß im Parlament durchkomme­n soll, müssen auch einige Abgeordnet­e der Regierungs­partei dafür stimmen. Um deren Unterstütz­ung zu gewinnen, schrieb Jeremy Corbyn gestern einen Brief an mehr als hundert pro-europäisch­en Tory-abgeordnet­e, die schon zuvor gegen den harten Brexit gestimmt hatten. Er bitte seine Kollegen, „im Geist der Überpartei­lichkeit, einen praktische­n Weg“zu finden, wie der No Deal verhindert werden könne.

Weiterhin ist die Gefahr groß, dass es Ende Oktober zu einem ungeregelt­en Eu-austritt kommt.

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