„Kompromisse sind schwierig“
Afd-vorsitzender Alexander Gauland schildert seine Partei als vehement und harmlos zugleich
In den ostdeutschen Ländern Sachsen und Brandenburg ist die AFD schon eine Volkspartei. Vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag liefern die Rechtspopulisten den bislang dort regierenden Parteien CDU und SPD ein Kopf-an-kopf-rennen. Die Christdemokraten schwächt zudem ein innerparteilicher Richtungsstreit: Der entlassene Ex-chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-georg Maaßen, fordert – gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbauer – einen Ruck nach rechts. Das ist Wasser auf die Mühlen der AFD. Das „Luxemburger Wort“fragte den Parteiund Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alexander Gauland, wie sein Verhältnis zu Maaßen ist, ob seine Partei jetzt an die Macht möchte – und ob der völkisch orientierte Afdstar Björn Höcke dabei Hindernis oder Hilfe ist. Rotwein oder Champagner, Herr Gauland: Womit belohnen Sie Herrn Maaßen für seine Wahlkampfhilfe?
Das ist Sache der CDU. Es ist natürlich töricht von Frau Krampkarrenbauer, ihn in die Nähe eines Ausschlussverfahrens bringen zu wollen. Aber das geht die AFD nichts an. Hätten Sie Herrn Maaßen gern in Ihren Reihen?
Wenn er in der CDU nicht mehr gelitten ist, würden wir ihn gerne aufnehmen. Aber ich fange nicht an, ihn zu locken. Es läuft gut für die AFD in Sachsen und Brandenburg …
…ja… … weshalb – über Herrn Maaßen hinaus?
Es gibt in den östlichen Bundesländern Probleme, die alle regierenden Parteien immer wieder weggedrückt haben. Die sind aber für die Menschen relevant – und wir sprechen sie an. Und da haben die Menschen das Gefühl, wir sind ihnen näher als die Regierenden. Die AFD verspricht die Vollendung der Wende. Setzen Sie ernsthaft die Bundesrepublik des Jahres 2019 gleich mit der DDR?
Nein, aber es gibt Entwicklungen, gerade auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit, die in diese Richtung weisen. Die politische Korrektheit ist der Anfang vom Ende der Meinungsfreiheit. Und Sie haben kein Problem damit, dass Wessis wie Sie, Björn Höcke und der Brandenburger Spitzenkandidat Andreas Kalbitz sich als Vollender der friedlichen Revolution inszenieren?
Mich müssen Sie da ausnehmen. Ich bin gebürtiger Chemnitzer und habe die DDR erst mit 18 verlassen; wenn also – dann bin ich ein Wossi. Und ich habe kein Problem damit, wenn Politiker, die im Westen geboren und aufgewachsen sind, dennoch ein Gefühl haben für die Probleme im Osten. Indem Sie dort mit der Parole werben: „Keine Angst vor der AFD“?
Ich sage: Was würde sich denn eigentlich verändern, wenn wir mitregieren? Aber ein Teil Ihrer Partei will das doch gar nicht …
… das stimmt so nicht. Wir diskutieren – und streiten auch – darüber, unter welchen Umständen man regieren kann. Ein Teil sagt: Die Anderen – also die CDU, sonst kommt natürlich niemand in Frage – müssen sich grundlegend verändern. Der andere Teil würde gern unser Programm etwas weicher spülen, damit es für die CDU passabler ist.
Und Sie?
Ich finde, man muss im konkreten Fall Angebote und Gefahren prüfen. Für uns sind Kompromisse schwierig, weil wir in Grundsatzfragen anderer Meinung sind als sämtliche anderen Parteien. Wir können nicht sagen: Es reicht uns, wenn sechzig Prozent der deutschen Grenze geschützt werden, wir verzichten auf die restlichen vierzig. Heißt konkret für die beiden Wahlen am kommenden Sonntag?
Natürlich gibt es gerade in Sachsen genügend Cdu-mitglieder, selbst Abgeordnete, die uns sagen: Wir würden ja gerne mit euch. Die AFD ist in Sachsen also schon viel weiter, als die CDU offiziell zugibt?
Jedenfalls gibt es dort an der Cdu-basis eine klare Mehrheit, die sagt: Wir wollen niemals mit Linken und Grünen – sondern viel lieber mit der AFD. Aber so lange Frau Merkel und Frau Krampkarrenbauer da oben sitzen, traut sich wohl selbst die Sachsen-cdu nicht. Apropos trauen: Viele Wähler trauen der AFD nicht – wegen Björn Höcke und seinen völkischen Ansichten. Jüngst haben selbst Sie – der ihn immer gestützt hat – Höcke öffentlich ermahnt …
… ich halte nach wie vor sehr viel von Herrn Höcke und sehe ihn im Zentrum der Partei. Er ist nicht das Problem, sondern einige selbst ernannte Gefolgsleute, die sich auf ihn berufen.
Sie meinen wen?
Wenn der Co-vorsitzende in Mecklenburg-vorpommern [Dennis Augustin] seine Npdmitgliedschaft verschwiegen hat – dann muss er die Partei verlassen. Und wenn die „falsche Fürstin“, wie wir sie nennen, aus Schleswig-holstein [Doris von Saynwittgenstein] den Holocaust als Erfindung der Engländer und Amerikaner bezeichnet hat – dann muss sie raus. Da kann es nicht sein, dass ein Parteitag sie wiederwählt. Aber das sind Leute, für die Höcke nichts kann.
Warum dann die Ermahnung?
Den Personenkult um ihn finde ich falsch. Und ich habe mit ihm darüber gesprochen. Ein Einzug mit Fahnen wie beim Kyffhäusertreffen [das Jahrestreffen des sogenannten „Flügels“, der nationalistisch-völkisch orientierte Teil der AFD, dessen Vorsitzender Höcke ist] – das geht bei einer basisdemokratischen Partei nicht.
Und – ist Höcke einsichtig?
Das Problem ist ja, wie gesagt, nicht er. Vielleicht sollte sich Höcke einfach von solchen Gefolgsleuten distanzieren?
Man muss das intern besprechen – aber von öffentlichen Aufforderungen halte ich gar nichts. Auch nicht von dem Brief, in dem hundert Funktionäre Höcke kritisieren.
Ich halte nach wie vor sehr viel von Herrn Höcke und sehe ihn im Zentrum der Partei.
Lieber verzichten Sie auf die bürgerlich-konservativen Wähler, die sich von ihm und dem Flügel abgeschreckt fühlen?
Es gibt viele Flügel-leute, die tief im bürgerlichen Leben verhaftet sind. Klingt, als hätte der zurückgetretene Nrw-vorsitzende recht, der Ihnen vorwirft, dass Sie alle Hände über alle Flügel-leute halten.
Ich habe überhaupt keine Hände zu halten.
Natürlich gibt es gerade in Sachsen genügend Cdumitglieder, selbst Abgeordnete, die uns sagen: Wir würden ja gerne mit euch.
Ich weiß gar nicht, wer alles zum Flügel gehört. Aber ja: Ich habe das noch von Frauke Petry eingeleitete Parteiausschlussverfahren gegen Höcke für falsch gehalten. Und der Vorstand hat es dann ja auch zurückgezogen.