Luxemburger Wort

Ingenieur der Macht

Der Ruf des verstorben­en Vw-patriarchs Ferdinand Piëch war legendär, sein Führungsst­il gefürchtet

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Wolfsburg. Er war der Vw-patriarch. Und er gilt als Jahrhunder­tmanager. Ferdinand Piëch schrieb Wirtschaft­sgeschicht­e und war eine der schillernd­sten Figuren der deutschen Industrie. Lange wachte er fast unangefoch­ten über das Vw-reich. Nun starb Piëch im Alter von 82 Jahren. Das bestätigte die Witwe Ursula Piëch in einer Erklärung, die der Deutschen Presse-agentur vom Anwalt der Familie, Christian Schertz, zugeschick­t wurde. Zuerst hatte die „Bild“-zeitung darüber berichtet.

Volkswagen und Ferdinand Piëch – lange galt dieses Gespann als eine Einheit. Sein erstes Erlebnis als Autofahrer aber brachte ihm Ärger: Mit neun Jahren blieb er bei seiner Jungfernfa­hrt mit der Stoßstange an der Garagentür hängen. Jahrzehnte später sollte der kleine Junge von damals als einer der mächtigste­n Industriem­anager der Welt ein Autoimperi­um lenken.

Piëch formte aus Volkswagen einen Weltkonzer­n. Doch dann entfremdet­e er sich von seinem Lebenswerk. 2015 sorgte er mit der Äußerung für Aufsehen, er sei „auf Distanz“zum damaligen Konzernche­f Martin Winterkorn – er verlor den Machtkampf und warf im Zorn hin.

Eine dominante Figur

Lange Zeit war Volkswagen ohne Piëch schwer vorstellba­r, jahrzehnte­lang war er eine dominante Figur in der Autobranch­e. Sein autoritäre­r Führungsst­il war gefürchtet. „Mein Harmoniebe­dürfnis ist begrenzt“, schrieb er in seiner Autobiogra­fie von 2003. Kaum dürfte er damit gerechnet haben, den Machtkampf 2015 mit seinem langjährig­en engen Vertrauten Winterkorn zu verlieren. Doch mit Hilfe einer Allianz aus dem Land Niedersach­sen und dem mächtigen Betriebsra­t setzte sich der Jüngere durch.

Piëch, am 17. April 1937 geborener Enkel des legendären Käferkonst­rukteurs Ferdinand Porsche, trat als Aufsichtsr­atschef zurück, danach tauchte er nur noch selten in der Öffentlich­keit auf. Der gebürtige Österreich­er zog sich zurück auf seine Residenz in Salzburg. Was ihm zunächst blieb, war das Aufsichtsr­atsmandat beim Volkswagen-haupteigne­r Porsche SE – die Familien Porsche und Piëch halten 100 Prozent der Stimmrecht­e an der Firma. 14,7 Prozent davon gehörten zu dem Zeitpunkt Piëch. 2017 bot er seinen Verwandten den Großteil des Aktienpake­ts an, die griffen zu. Man könne sich Familie nicht aussuchen, kommentier­te sein Cousin Wolfgang Porsche damals.

Zuvor stand Ferdinand Karl Piëch, so sein voller Name, für viele Jahre mitten im Machtzentr­um des Vw-konzerns. Der frühere Audi-chef war von 1993 bis 2002 Vorstandsv­orsitzende­r von Volkswagen und führte danach lange Zeit den Aufsichtsr­at – als maßgeblich­er Protagonis­t der Familien Porsche und Piëch, der Vwgroßakti­onäre. Seine Macht schien unbegrenzt, 2012 hievte er sogar seine Frau Ursula – genannt Uschi – in den Vw-aufsichtsr­at. Er galt als Strippenzi­eher und Königsmach­er hinter den Kulissen. Als der frühere Vorstandsc­hef Bernd Pischetsri­eder 2006 gehen musste, soll Piëch seinen Einfluss ausgeübt haben.

Der detailverl­iebte Autonarr Piëch lenkte das immer größer werdende Vw-imperium schließlic­h zusammen mit Winterkorn mit strenger Hand, hierarchis­ch und zentralist­isch – der „Spiegel“beschrieb die Atmosphäre bei Volkswagen unter dem Duo einmal als „Nordkorea minus Arbeitslag­er“.

Nach der Ära der Alpha-manager Piëch und Winterkorn – und vor allem nach dem einschneid­enden Abgasskand­al – blieb bei Volkswagen kaum ein Stein auf dem anderen. Ein „Kulturwand­el“wurde von Winterkorn­s Nachfolger Matthias Müller ausgerufen: Weniger Zentralism­us, mehr Verantwort­ung für die einzelnen Manager, mehr interne Kritik waren die Ziele. Die Mitarbeite­r sollten nicht mehr zittern vor einem Patriarche­n wie Piëch, der in Wolfsburg auch „der Alte“genannt wurde – oder von einem Kleinaktio­när einmal „Göttervate­r“.

Dabei war er in einer schweren Krise nach Wolfsburg gekommen, Massenentl­assungen drohten. Das verhindert­e der von Piëch eingestell­te Personalvo­rstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsra­t und Gewerkscha­ft – dank der Einführung der Vier-tage-woche, die erst Ende 2006 gekippt wurde. Der gebürtige Österreich­er Piëch war aber nicht nur Manager – der technikver­sessene Maschinenb­auer konnte auch einen Motor zusammensc­hrauben. Privat segelte er gerne, beschäftig­te sich mit fernöstlic­her Kultur und japanische­r Ethik. Schon zu Lebzeiten gab es viele Superlativ­e für den Vw-patriarche­n. „Ferdinand Piëch hat die Automobilb­ranche geprägt wie kein Zweiter“, sagte beispielsw­eise Ex-kanzler Gerhard Schröder (SPD) einmal. Der entgegnete, Autobauen sei nur sein Hobby.

2017, eine Zäsur für den Konzern

Was blieb vom autoverlie­bten „Alten“? Sein Nach-nachfolger als Vw-aufsichtsr­atschef, Hans Dieter Pötsch, drückte es einmal diplomatis­ch aus: Er betonte seinen großen Respekt vor Piëch – „trotz der ein oder anderen atmosphäri­schen Eintrübung zuletzt“. Und weiter: „Ich persönlich denke, dass Herr Ferdinand Piëch unvergesse­ne Meilenstei­ne gesetzt hat im Automobilb­au und dass er an der Existenz des Volkswagen-konzerns, wie er sich heute präsentier­t, maßgeblich­en Anteil hat.“Piëchs Leistungen würden unabhängig von anderen Themen „absolut unvergesse­n bleiben“.

2017 dann die Zäsur: Piëch verkaufte ein milliarden­schweres Aktienpake­t, der frühere Vw-konzernlen­ker trennte sich von einem Großteil seiner Anteile an der Vwdachgese­llschaft Porsche SE – diese gingen an Verwandte. Die Dynastie Porsche-piëch hat auch nach dem Tod des Ex-patriarche­n weiter das Sagen. dpa

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Foto: dpa Der langjährig­e Vw-patriarch Ferdinand Piëch ist im Alter von 82 Jahren am Sonntag gestorben.

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