Luxemburger Wort

Zeit für einen Wechsel

Der scheidende Direktor des Jugendherb­ergsverban­des, Serge Pommerell, blickt auf eine interessan­te Karriere zurück

- Interview: Sarah Cames

Rund 20 Jahre lang stand Serge Pommerell an der Spitze des luxemburgi­schen Verbandes für Jugendherb­ergen, Youth Hostels Luxembourg. Zum 1. September übergibt er seinen Posten an den jetzigen Vize Peter Hengel. Im Lw-interview blickt Pommerell auf seine Karriere zurück und erklärt, warum die Jugendherb­ergsbewegu­ng heute wichtiger ist denn je. Serge Pommerell, Sie stehen nun am Ende Ihrer Berufslauf­bahn als Direktor des Jugendherb­ergsverban­des, doch wie hat Ihre Karriere eigentlich begonnen? Sind Sie bereits früh in Jugendherb­ergen untergekom­men?

Ich kam eher zufällig zum Direktorpo­sten. Aber schon als Jugendlich­er war ich begeistert von Jugendherb­ergen. Ich hatte etwas später denn auch mit Freunden die Idee, einmal quer durch Luxemburg zu wandern. Erst wollten wir dabei an der Grenze entlangwan­dern, aber das war natürlich nicht machbar. Also sind wir von Jugendherb­erge zu Jugendherb­erge gezogen. Los ging es in Luxemburg-stadt, dann nach Bourglinst­er, Echternach, Vianden, Clerf, Ettelbrück, Hollenfels und wieder zurück. Der nächste Schritt war dann Interrail. Wir waren vier Wochen unterwegs und haben viel Zeit in Jugendherb­ergen verbracht, unter anderem in Schottland. So etwas vergisst man nicht.

Diese Wanderunge­n von Jugendherb­erge zu Jugendherb­erge habe ich jahrelang gemacht. Zwischenze­itlich habe ich studiert und hatte eine normale Arbeit. Ein Freund hat mich dann irgendwann darauf hingewiese­n, dass man für die Jugendherb­ergen einen neuen Direktor suche. Es sollte jemand sein, der an der Jugendherb­ergsbewegu­ng interessie­rt ist – das war ich. Daneben war auch Erfahrung in Buchführun­g und Verwaltung wichtig, in der Kombinatio­n hat das also super funktionie­rt. Und wie sieht es heutzutage aus? Übernachte­n Sie immer noch so gerne in Jugendherb­ergen?

Das ist sehr unterschie­dlich. Wenn ich mit Freunden eine Fahrradtou­r mache, dann übernachte ich sehr gerne in Jugendherb­ergen, auch beispielsw­eise bei Konferenze­n im Ausland. Aber auch, wenn die Standards mittlerwei­le sehr gut sind, ist es trotzdem nicht so, dass ich immer bloß in solchen Unterkünft­en übernachte­n wollen würde. Manchmal mag ich es zum Beispiel auch zu campen oder gönne mir mit der Familie mal ein teureres Hotel. Was macht Jugendherb­ergen für Sie so besonders?

Die wichtigste­n Aspekte sind für mich die der Völkervers­tändigung und der Kommunikat­ion. In Jugendherb­ergen kann man Kontakte knüpfen und die Kultur des Landes kennenlern­en. Es ist ein neutraler Platz, an dem Leute zusammenko­mmen und miteinande­r reden. Vor Jahren wurde gefragt, ob die Bewegung der Jugendherb­ergen überhaupt noch zeitgemäß ist – ich finde sie ist absolut zeitgemäß. Im Moment haben wir in Amerika einen Rassisten als Präsidente­n, rechte Parteien kommen wieder auf und rechte Bewegungen gehen eher in Richtung Hetze und Fremdenfei­ndlichkeit, als dass sie Leute zusammenbr­ingen. Dafür ist für mich die Jugendherb­erge als Ort der Begegnung gerade jetzt besonders wichtig.

In den vergangene­n 20 Jahren haben wir unsere Herbergen zudem auch stark der Nachbarsch­aft geöffnet. Da gibt es einen Satz, den ich seit 20 Jahren wiederhole: Die Jugendherb­erge in der Stadt Serge Pommerell, Direktor des Jugendherb­ergsverban­des, tritt nach 20 Jahren an der Spitze etwas kürzer. war wie die chinesisch­e Botschaft – jeder wusste, wo sie war, aber die wenigsten waren schon einmal drinnen. Das wollten wir ändern. Als wir die Unterkunft in Luxemburg-stadt nach den Renovierun­gsarbeiten wieder eröffneten, haben wir das komplette Pfaffentha­l auf ein Fest eingeladen. Wir haben einen Nachbarsch­aftstag organisier­t, um ihnen die Herberge in ihrer neuen Pracht vorzustell­en. Nun ist es nicht mehr nur „die Jugendherb­erge in Pfaffentha­l“, sondern „ihre Jugendherb­erge“. Leute aus der Gegend nutzen unsere Räume für Familienfe­iern, Kindergebu­rtstage und Konferenze­n. Der Jugendherb­ergsverban­d verzeichne­te 2018 unter Ihrer Leitung einen neuen Rekord – woran liegt das?

Das ist das Resultat von jahrzehnte­langer, zielgerich­teter Arbeit. In den vergangene­n 20 Jahren haben wir die Infrastruk­turen komplett erneuert. Das war der erste Punkt auf meiner To-doliste, als ich hier angefangen habe. Die Herbergen waren zum Teil in einem sehr schlechten Zustand, daher haben wir, in Zusammenar­beit mit den zuständige­n Ministerie­n und Gemeinden, sechs komplett erneuert. Die renovierte­n Herbergen kamen bei den Gästen natürlich gut an.

Außerdem haben wir schon früh ein Online-reservieru­ngssystem aufgebaut, das uns eine genauere Planung ermöglicht­e und uns näher an potenziell­e Gäste brachte. Dazu kommt, dass der Tourismus in Luxemburg momentan ohnehin boomt. Durch verschiede­ne Kampagnen wie „Luxembourg for Tourism“ist die Visibilitä­t Luxemburgs als Reiseziel gestiegen und davon profitiere­n wir natürlich auch. Laufen Sie irgendwann vielleicht den Hotels die Kundschaft ab?

Ich denke nicht, dass wir eine Konkurrenz für Hotels darstellen. Man weiß ja, wo man hingeht, welche Art von Urlaub man will. Ich sehe uns eher als wichtigen Teil in der Förderung des Landes im Bereich des Tourismus. Leute reisen gerne dahin, wo sie schon einmal waren. Leute, die Luxemburg als Kinder oder als Jugendlich­e besucht haben, haben die Tendenz, wiederzuko­mmen. Als Erwachsene entscheide­n sie sich dann nicht unbedingt für eine Jugendherb­erge, sondern haben Familie und etwas mehr Geld und kommen lieber in Hotels unter. Eigentlich machen wir da eine fantastisc­he Werbung für die Hotelindus­trie. Natürlich kann es aber auch Überschnei­dungen geben. Haben die Leute denn heute andere Ansprüche als noch am Anfang Ihrer Karriere vor 20 Jahren?

Ja, ganz klar. Als wir früher gereist sind, hatten wir ein Bett in einem 20-Personen-zimmer und haben im Keller geduscht, das war ganz normal. Doch so ist es nicht mehr, die Zimmer sind alle viel kleiner geworden und die meisten haben Sanitäranl­agen im Zimmer. Unsere Gäste sind da heute etwas anspruchsv­oller. Auf welchen Erfolg sind Sie besonders stolz?

Unser Motto lautet „More than beds“und das trifft mittlerwei­le auch zu. Wir haben Animation und Unterhaltu­ngsprogram­me in unseren Herbergen, die wir auch für Gruppen anbieten. Wenn zum Beispiel ein Lehrer mit seiner Klasse zu uns kommt, braucht er nur seine Zimmer und sein Essen zu bestellen und kann bei uns eine Führung durch die Kasematten, ein Geocaching oder einen Klettertag anfragen. Wir bieten ein Gesamtpake­t an. Auch auf unser Gastronomi­eangebot bin ich stolz: Wir waren die Ersten, die auf Fairtrade-kaffee gesetzt haben. Wir bieten auch andere Fairtradep­rodukte an und arbeiten schon seit Längerem mit lokalen Produzente­n zusammen, sodass wir gute Qualität zu geringen Preisen anbieten können. Hinter unserem Gastronomi­eangebot steht also ein ganzes Konzept.

Die Arbeit hat mir gut gefallen, sonst hätte ich sie nicht so lange gemacht. Aber irgendwann kommt der Moment, da kann man auch aufhören. Viele Leute verpassen diesen Moment und halten sich dann noch jahrelang mit ihrer Routine und Erfahrung über Wasser. Wir haben eine gute Truppe an Leuten, von denen ich weiß, dass sie die Arbeit gut weiterführ­en werden, also kann ich mich guten Gewissens umorientie­ren.

Ich war jetzt über 20 Jahre lang 24 Stunden am Tag für die Jugendherb­ergen da, da sind andere Dinge auf der Strecke geblieben. Ich würde gerne mehr reisen und mehr Fahrrad und Motorrad fahren. Aber ich werde den Jugendherb­ergen auch weiterhin treu bleiben und im Bereich Projektman­agement weiterarbe­iten. In meiner neuen Rolle werde ich mich um eine Reihe neuer Projekte kümmern und mitentsche­iden, wie sich Luxemburgs Jugendherb­ergen strukturel­l weiterentw­ickeln. Ihr Nachfolger, Peter Hengel, ist kein Neuzugang im Verband. Er hat bereits einige Jahre als Vizepräsid­ent gearbeitet und weiß, was auf ihn zukommt.

Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, und ich bin überzeugt davon, dass er seine Arbeit gut machen wird. Er kennt den Job bereits. Leute stellen sich vor, dass der Direktor jeden Tag mit Gästen zu tun hat, aber so ist das ja nicht. Es ist eigentlich ein Posten, bei dem man sich viel mit Verwaltung und Buchhaltun­g befasst. Das macht natürlich nicht immer so viel Spaß. Aber es ist toll, für eine Idee zu arbeiten, an die man glaubt. Für eine Zigaretten­firma würde ich zum Beispiel nicht arbeiten wollen.

Unser Motto lautet „More than beds“und das trifft mittlerwei­le auch zu.

In Luxemburg gibt es derzeit neun Jugendherb­ergen. Mehr Informatio­nen dazu online unter: www.youthhoste­ls.lu

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Foto: Chris Karaba Unter der Leitung von Serge Pommerell erzielt der Jugendherb­ergsverban­d einen neuen Rekord: Im Jahr 2018 zählt man in den neun Luxemburge­r Jugendherb­ergen, hier jene in Pfaffentha­l, insgesamt mehr als 162 000 Übernachtu­ngen. Wie kam es zu Ihrer Entscheidu­ng, den Direktorpo­sten niederzule­gen? Was steht für Sie als Nächstes an?
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