Die Reportage
Zuzanna, die am Sonntag zum ersten Mal ihre Stimme abgeben darf, findet das lustig. Sie zückt ihr Handy und fotografiert den kopflosen Politiker auf der Brücke über die Silnica in Kielce. Dann ruft sie ihren Freund an, schickt ihm auch gleich das Bild und lacht: „Bei uns auf dem Dorf gibt es nur Plakate der Recht und Gerechtigkeit (PIS) und der Bauernpartei PSL. So was hier habe ich noch nie gesehen. Echt scharf!“
Hochburg der Pis-partei
Die Sonne taucht die breite Fußgängerpromenade in ein warmes Licht. Der leichte Wind vom Heiligkreuzgebirge lässt buntes Herbstlaub auf den Boden segeln. Das auch von der Promenade aus sichtbare Schloss der Krakauer Bischöfe erinnert daran, dass das zentralpolnische Kielce einst als private Bischofsstadt gegründet wurde. Heute ist die 200 000-Einwohner-stadt zwischen Krakau und Warschau vor allem für seinen Fußballverein Korona Kielce bekannt.
Außerdem ist die Heiligkreuzwojewodschaft mit ihrer Hauptstadt Kielce eine Hochburg der nationalpopulistischen Regierungspartei PIS. In manchen Dörfern wollen bis zu 90 Prozent der Wähler für die PIS stimmen. In der Stadt selbst sind es weniger, aber Wahlen werden in Polen von jeher auf dem Land gewonnen.
„Unser Erfolgsrezept?“, fragt Andrzej Prus, der Pis-parteisekretär in der Heiligkreuz-region, rhetorisch. „Wir reden mit den Leuten. Unsere Kandidaten fahren in die Dörfer, oft auch mehrmals. Und beim zweiten oder dritten Mal bringen sie Lösungen für die Probleme vor Ort mit.“Dadurch überzeuge man die oft politikfernen Bauern davon, dass die Partei glaubwürdig sei und die Sorgen der Bürger – auch und gerade derjenigen auf dem Dorf – ernst nehme.
Gefühl der Würde zurückgeben
Die Heiligkreuz-region gehört zusammen mit vier weiteren Wojewodschaften entlang der Grenze zu Litauen, Belarus und der Ukraine zur sogenannten Ostwand Polens, die auch oft abschätzig „Polen B“genannt wird. „Wir versuchen hier nicht nur, die Armut zu bekämpfen und die Wirtschaft so anzukurbeln, dass die Regionen zu ‚Polen A‘ aufschließen können. Vielmehr versuchen wir auch, den Menschen das Gefühl ihrer Würde zurückzugeben“, sagt Prus in der Pis-parteizentrale in Kielce.
In Mniow, einer Gemeinde gut 30 Kilometer von Kielce entfernt, hat die Pis-abgeordnete Anna Krupka zum Gespräch geladen. Im Korridor der Hauptschule, der zugleich als Versammlungsraum dient, sind niedrige Sportbänke aufgestellt. Von den über 9 000 Einwohnern, die sich über mehrere Dörfer verteilen, sind gerade mal 35 gekommen. Sie hocken in Mänteln und Anoraks auf den Bänken und hören der eleganten Dame aus Warschau zu, die ihnen eine halbe Stunde lang darlegt, welche Erfolge die Pis-regierung in den letzten vier Jahren zu verzeichnen hat. Immer wieder lässt die stellvertretende Tourismus- und Sportministerin einfließen, dass sie