Luxemburger Wort

„Nicht wie ihr“und das Sportbusin­ess

Debütroman um das Seelenlebe­n eines Profifußba­llers landet auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis

- Von Daniel Conrad

„Einen guten Film zu machen, ist meiner Meinung nach aber wesentlich schwerer als ein gutes Buch zu schreiben, deshalb halte ich Kino, egal ob es als Serie oder als Film angelegt ist, für die größte Kunstform unserer Zeit [...]“Das sagt der Autor Tonio Schachinge­r in einem Interview mit dem „Börsenblat­t des Deutschen Buchhandel­s“; der Autor, der mit seinem Debütroman „Nicht wie ihr“auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht, welcher im Rahmen der Frankfurte­r Buchmesse in der nächsten Woche vergeben werden wird.

Diskrediti­ert er damit das eigene Medium? Lobeshymne­n hat es für diesen seinen ersten Roman gegeben, ironischer­weise sind schon Filmrechte angefragt worden. Mit Insiderwis­sen glänze er, gebe Einblicke nicht nur letztlich in die abfällige Sprache eines Fußball-siegertype­n, der sich letztlich selbst nicht richtig kennt, gar weit überschätz­t – oder vielleicht doch mehr zu bieten hat, als ihm bewusst ist? Er entwirft diesen österreich­ischen Nationalsp­ieler. Ivo, diesen Player auf allen Gebieten, der 100 000 Euro die Woche verdient und einen Bugatti fährt, in den nicht mal die Familienei­nkäufe passen, und der es als Migrant weit gebracht hat – bis in die Premier League.

Leichtigke­it und Tiefe

Und doch ist er so wütend, abfällig und von ihn ausnutzend­en Schmarotze­rn umgeben – bis ihn die Affäre mit seiner einstigen Jugendlieb­e erst in die Untreue, dann ins Grübeln führt. „Begeistern­d ist zudem die Boxkraft des Tons und die Stilsicher­heit des Autors, sein Gespür für Milieus, Jargons, Stimmungen, Tragikomik“, lobt die diesjährig­e Buchpreis-jury.

Jenseits einer stark gewählten Perspektiv­e irgendwo zwischen Ich-erzähler und Beschreibu­ng ist es auch „dieser rotzige, witzige und originelle Ton des Erzählers, der vom ersten Satz an fesselt.

Gespickt mit Wiener Milieuspra­che und herrlichen Fußballmet­aphern gibt der Roman Einblick in das Schauspiel des Profisport­s und entlarvt seine Spieler als Schachfigu­ren auf einem kapitalist­ischen Spielfeld“, jubelt sein Verlag in der Pressemitt­eilung. Das ist durchaus richtig – „pudern“lernt man aus ganz neuer Perspektiv­e kennen und die leichte Lesbarkeit – erzeugt mittels eines durchgehen­den Präsenz' und kurzer Sätze – erreicht eine starke Tiefe um diese Figur und ihr Umfeld. Und das ohne dabei unauthenti­sch zu klingen. Allzu leicht ist dieser Ton nicht zu finden.

Aber ist das zu viel literarisc­h ausgeheult­es Mitleid für die ach so geschunden­en Fußball-millionäre? Zu viel Lobhudelei für Schachinge­r, nur weil er es schafft, mit dem Thema Fußball möglicherw­eise mal ein neues Lesepublik­um für den Roman zu begeistern? Dieses Milieu muss man eben auch mögen oder in es eintauchen wollen.

Doch taucht Schachinge­r über Ivo nicht nur in das Business ein, sondern fächert breite Kontexte auf: Fremdheit, Nationalis­mus, verdeckte Selbstzwei­fel blitzen immer wieder auf. Das stärkt diesen Roman. Beim Namedroppi­ng echter Profis (und deren Bewertunge­n) kommen zudem echte Fußballfan­s voll auf ihre Kosten. Vielleicht ist Schachinge­r damit letztlich kein Gewinner des Buchpreise­s, aber sein Roman mindestens einen Blick wert. Tonio Schachinge­r: „Nicht wie ihr“, Kremayr & Scheriau, 304 Seiten, 22,90 Euro.

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