„Nicht wie ihr“und das Sportbusiness
Debütroman um das Seelenleben eines Profifußballers landet auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis
„Einen guten Film zu machen, ist meiner Meinung nach aber wesentlich schwerer als ein gutes Buch zu schreiben, deshalb halte ich Kino, egal ob es als Serie oder als Film angelegt ist, für die größte Kunstform unserer Zeit [...]“Das sagt der Autor Tonio Schachinger in einem Interview mit dem „Börsenblatt des Deutschen Buchhandels“; der Autor, der mit seinem Debütroman „Nicht wie ihr“auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht, welcher im Rahmen der Frankfurter Buchmesse in der nächsten Woche vergeben werden wird.
Diskreditiert er damit das eigene Medium? Lobeshymnen hat es für diesen seinen ersten Roman gegeben, ironischerweise sind schon Filmrechte angefragt worden. Mit Insiderwissen glänze er, gebe Einblicke nicht nur letztlich in die abfällige Sprache eines Fußball-siegertypen, der sich letztlich selbst nicht richtig kennt, gar weit überschätzt – oder vielleicht doch mehr zu bieten hat, als ihm bewusst ist? Er entwirft diesen österreichischen Nationalspieler. Ivo, diesen Player auf allen Gebieten, der 100 000 Euro die Woche verdient und einen Bugatti fährt, in den nicht mal die Familieneinkäufe passen, und der es als Migrant weit gebracht hat – bis in die Premier League.
Leichtigkeit und Tiefe
Und doch ist er so wütend, abfällig und von ihn ausnutzenden Schmarotzern umgeben – bis ihn die Affäre mit seiner einstigen Jugendliebe erst in die Untreue, dann ins Grübeln führt. „Begeisternd ist zudem die Boxkraft des Tons und die Stilsicherheit des Autors, sein Gespür für Milieus, Jargons, Stimmungen, Tragikomik“, lobt die diesjährige Buchpreis-jury.
Jenseits einer stark gewählten Perspektive irgendwo zwischen Ich-erzähler und Beschreibung ist es auch „dieser rotzige, witzige und originelle Ton des Erzählers, der vom ersten Satz an fesselt.
Gespickt mit Wiener Milieusprache und herrlichen Fußballmetaphern gibt der Roman Einblick in das Schauspiel des Profisports und entlarvt seine Spieler als Schachfiguren auf einem kapitalistischen Spielfeld“, jubelt sein Verlag in der Pressemitteilung. Das ist durchaus richtig – „pudern“lernt man aus ganz neuer Perspektive kennen und die leichte Lesbarkeit – erzeugt mittels eines durchgehenden Präsenz' und kurzer Sätze – erreicht eine starke Tiefe um diese Figur und ihr Umfeld. Und das ohne dabei unauthentisch zu klingen. Allzu leicht ist dieser Ton nicht zu finden.
Aber ist das zu viel literarisch ausgeheultes Mitleid für die ach so geschundenen Fußball-millionäre? Zu viel Lobhudelei für Schachinger, nur weil er es schafft, mit dem Thema Fußball möglicherweise mal ein neues Lesepublikum für den Roman zu begeistern? Dieses Milieu muss man eben auch mögen oder in es eintauchen wollen.
Doch taucht Schachinger über Ivo nicht nur in das Business ein, sondern fächert breite Kontexte auf: Fremdheit, Nationalismus, verdeckte Selbstzweifel blitzen immer wieder auf. Das stärkt diesen Roman. Beim Namedropping echter Profis (und deren Bewertungen) kommen zudem echte Fußballfans voll auf ihre Kosten. Vielleicht ist Schachinger damit letztlich kein Gewinner des Buchpreises, aber sein Roman mindestens einen Blick wert. Tonio Schachinger: „Nicht wie ihr“, Kremayr & Scheriau, 304 Seiten, 22,90 Euro.