Nachholbedarf
Medikamente, Forschung, Handel – Rund um Cannabis entwickelt sich derzeit eine Industrie, die weltweit Gründer und Investoren anzieht. Auch Luxemburg will mitverdienen: Die alte Kulturpflanze – so der Plan der Regierung – soll für den Anbau, den Verkauf und den Konsum erlaubt werden – damit wäre Luxemburg das erste Land in Europa, das diesen Schritt geht.
Das Großherzogtum trifft damit einen Nerv: Auf der ganzen Welt interessieren sich immer mehr Unternehmen für Hanf, besser gesagt für dessen weibliche Pflanzen. Die Blüten sind aufgrund ihrer berauschenden Inhaltsstoffe wertvoller als die Fasern, aus denen schon länger Kleider, Papier, Seile, Biodiesel und vieles mehr entstehen. Getrocknet werden die Blüten zu Marihuana; aus dem gepressten Harz der Hanfpflanze entsteht unter anderem Haschisch. Doch was Kiffer als Entspannungsmittel rauchen, wird jetzt immer öfter in Form von Ölen oder Tees benutzt. Cannabis gilt außerdem als köstliche Zutat für Getränke und Lebensmittel oder als Zusatzstoff in der Kosmetik. Schon überall auf der Welt ist ein Wettrennen auf das grüne Gold zu beobachten: Die Branchen Gesundheit, Kosmetik und Wohlbefinden profitieren bereits sehr stark von der steigenden Nachfrage; auch Hanflebensmittel und Getränke sind stark im Kommen. Bis 2028 soll laut einer Studie das Marktvolumen allein in Europa auf 123 Milliarden Euro wachsen.
Nun will Luxemburg bei der Legalisierung von Cannabis Vorreiter in Europa sein. Das Credo: Wer schneller liberalisiert, gewinnt. Das mag stimmen: Nur wer liberale Gesetze und das nötige Umfeld für Unternehmen und Landwirte schafft, sichert sich ein Stück vom Kuchen. Dabei darf man nicht vergessen, dass bereits viele ausländische Unternehmen im Cannabis-business die Nase vorn haben und regelrecht von Kreativität sprudeln. Viele etablierte Unternehmen und Start-ups punkten mit innovativen Geschäftskonzepten. Online-plattformen wie Leafly.com aus den USA oder Newsweed aus Frankreich setzen auf Informationen rund um Gesetze, Wirkung und Geschäfte. „Growth Market“aus London gilt als erste Werbeagentur auf dem neuen Markt. In Kanada expandieren Konzerne wie Aurora und Canopy Growth international. Seit kurzem sind auch die ersten Hanf-fonds auf dem europäischen Markt erschienen.
Von Innovations- und Pioniergeist ist auf Firmenseite in Luxemburg derzeit nicht viel zu spüren. Sowohl in der Gründerszene als auch am Finanzplatz ist von Cannabisprojekten keine Rede. Vor allem auch in der Forschung tut sich in Luxemburg so gut wie gar nichts, obwohl doch gerade in diesem Gebiet viel Kapital steckt: Cannabis gilt als schmerzstillend, beruhigend und entkrampfend und kann daher als wirksames Medikament eingesetzt werden. Luxemburger Unternehmer, die sich bereits vor mehreren Jahren für die Cannabis-forschung aussprachen, wurden ausgebremst, die eingereichten Projekte etwa bei Luxinnovation auf Eis gelegt. Somit hat Luxemburg einen wertvollen Vorsprung verspielt. Nun gilt es, das Versäumte nachzuholen. Und zu hoffen, dass das gigantische Wirtschaftspotenzial am Ende nicht in Rauch aufgeht.
Luxemburg buhlt um Milliardenmarkt mit Cannabis.