Elf Jahre später
Frühere Weltranglistenzwölfte Tatiana Golovin feiert Comeback in Kockelscheuer
Kockelscheuer. Am 5. Mai 2008 bestritt Tatiana Golovin in Berlin ihre letzte Einzelbegegnung auf der WTA-TOUR. Offiziell verkündete die Französin danach nie ihr Karriereende, eine chronische Entzündung ihres Rückens schien das Spielen auf Profiniveau damals aber unmöglich zu machen. Am Samstag feierte Golovin im CK Sportcenter in Kockelscheuer ihr Comeback. Verständlich, dass der Medienrummel nach mehr als elf Jahren Abwesenheit groß war.
Der Presseraum der BGL BNP Paribas Luxembourg Open war ordentlich gefüllt, als Tatiana Golovin, ehemalige Nummer zwölf der Welt, ihre Erstrundenniederlage (3:6, 1:6) gegen die in der Qualifikation an fünf gesetzte Kaja Juvan (Slo/weltranglistenposition: 134) analysierte: „Das was heute auf dem Platz passiert ist, scheint mir logisch. Mein Ziel war es, meine Einstellung wiederzufinden und ich denke, dass diese im ersten Satz definitiv vorhanden war. Ich weiß nicht, ob meine Gegnerin mich kannte oder nicht, ich hatte aber den Eindruck, dass sie auf keinen Fall gegen mich verlieren wollte und so hat sie auch gespielt. Die ersten Spiele waren sehr ausgeglichen und umkämpft. Ich habe Willen, Aggressivität und Energie verspürt. Anschließend fehlte natürlich so einiges, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung ist dieses Duell für mich allemal. Dieser Auftritt hätte durchaus auch anders verlaufen können.“
Die Anspannung vor ihrem Comeback war nämlich groß. „Ich war im Zug auf dem Weg nach Luxemburg sehr aufgeregt, da spielten schon Emotionen mit. Der Bauch tat weh und ich war gestresst. Als ich dann zum ersten Mal trainierte, fühlte ich mich gleich viel besser“, beschrieb Golovin ihre Gefühlswelt. Schmerzen am Rücken verspürte die Französin am Samstag keine: „Ich habe schmerzfrei gespielt, möchte aber momentan noch nicht wissen, wie ich mich nach der kommenden Nacht fühle. An meiner Physis muss ich in den kommenden Wochen und Monaten hart arbeiten, ich glaube aber auch, dass diese von Tag zu Tag besser wird.“
Golovin betrat den Center Court mit langen Ärmeln und eng anliegenden Sportleggings unter ihrem Short. Auf die Frage hin, ob sie dieses Outfit aus medizinischen Gründen gewählt habe, lächelte die 31-Jährige und erklärte: „Ich weiß momentan eigentlich nicht, wie ich mich für ein Match anziehen soll. Als ich mir als Tv-kommentatorin Spiele angeschaut habe, fragte ich mich eigentlich immer, weshalb man unbedingt in Röcken auflaufen muss. Ich muss aber absolut noch an meinem Kleidungsstil arbeiten.“
Die Zeit drängt
Gründe für die Wiederaufnahme ihrer Tenniskarriere nennt Golovin einige: „Ich gehe das Risiko möglicher Schmerzen bewusst ein. Ich weiß nicht, wie mein Körper auf die Strapazen reagieren wird und genau diese Ungewissheit spornt mich an. Des Weiteren wollte ich mir später nicht vorwerfen, eine Chance ausgelassen zu haben. Andere Menschen, die unter der gleichen Krankheit leiden, gehen jeden Tag an ihre Grenzen und genau diese Leute haben mich inspiriert. Der medizinische Fortschritt macht heute vieles möglich. Außerdem möchte ich mich selbst finden.“
Als Datum für ihr Comeback hatte die gebürtige Russin eigentlich Anfang 2020 angegeben. Dass die nicht mehr in der Weltrangliste geführte Spielerin nach nur zwei Monaten intensiver Trainingsarbeit im Großherzogtum bereits wieder auf dem Platz stand, verdankt sie unter anderem der Wildcard des Veranstalters: „Ich bin Danielle (Maas) sehr dankbar, dass sie mir diese Chance gegeben hat. Meiner Meinung nach gibt es keinen richtigen Moment für einen derartigen zweiten Start. Zweifel und Wehwehchen sind immer da. Je länger man wartet, desto größer wird die Anspannung und der Druck. Und ich bin nun mal 31 Jahre alt, deshalb fehlt mir die Zeit, mich länger vorzubereiten und abzuwarten, was passiert. Ich liebe es, in der Halle zu spielen, ohne Wind und Sonne. Deshalb schien mir dieser Ort der richtige zu sein und ich bereue nichts, auch wenn es nicht auf Anhieb zum Sieg gereicht hat.“
Große Ziele
Die Ziele, die sich Golovin gesetzt hat, sind wahrlich keine kleinen. „Zunächst muss ich meine erste Begegnung gewinnen, dann hoffentlich viele weitere. Ich träume davon, noch einmal für die französische Fed-cup-auswahl nominiert zu werden und bei Grand Slams mitzuwirken. Und wer weiß, vielleicht reicht es ja sogar für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen“, untermauert Golovin die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens.
Bis es so weit ist, muss sich die zweifache Mutter aber noch Entschädigungen einfallen lassen, vor allem für ihre Tochter Anastasia: „Bevor ich nach Hause fahre, muss ich wohl noch Schokolade und Bonbons kaufen, damit ich überhaupt reingelassen werde. Ich glaube, sie erwartet sich eine Medaille.“Ob die Französin der Vierjährigen diesen Wunsch erfüllen kann, bleibt abzuwarten.
Andere Mütter wie Kim Clijsters und Serena Williams haben es jedenfalls eindrucksvoll vorgemacht.
Ich muss absolut noch an meinem Kleidungsstil arbeiten.