Luxemburger Wort

Von Fliegen und Tigern

Deutsche Bank verschafft­e sich bis 2014 durch Geschenke Zugang zu Politikern in China

- Von Felix Lee (Berlin)

Eine Hifi-anlage der Marke Bang & Olufsen, Château Lafite Rothschild-wein, Jahrgang 1945, Guccihandt­aschen, ein Tiger aus Kristallgl­as im Wert von rund 15 000 Dollar – solche Gefälligke­iten an chinesisch­e Spitzenkad­er und deren Angehörige gehörten zwischen 2002 bis 2014 offenbar zum Geschäftsg­ebaren der Deutschen Bank. Das zumindest geht aus einer gemeinsame­n Recherche von WDR, New York Times und Süddeutsch­er Zeitung hervor; das Recherchet­eam hat interne Bankdokume­nte ausgewerte­t.

Und damit nicht genug. Die Deutsche Bank soll dem Recherchet­eam zufolge rund 100 000 Dollar an eine dubiose Beraterfir­ma überwiesen haben. Außerdem habe Deutschlan­ds größtes Bankhaus mehr als einhundert Angehörige einflussre­icher Chinesen eingestell­t. Dabei habe es sich meist um die Sprössling­e von hochrangig­en Kadern oder Chefs staatseige­ner Betriebe gehandelt.

Schmiergel­d an Spitzenpol­itiker

Angeblich soll Schmiergel­d bis in die Familie des damaligen chinesisch­en Premiermin­isters Wen Jiabao geflossen sein. So habe die Deutsche Bank unter anderem versucht, den Weg für ihren Einstieg bei der staatlich kontrollie­rten Huaxia-bank im Jahr 2005 zu ebnen.

Typisch Deutsche Bank, möge man meinen angesichts der vielen Skandale, die in den letzten Jahren zutage gekommen sind. Nur: Die Deutsche Bank war keineswegs das einzige Unternehme­n, das in dieser Zeit versuchte, sich mit Hilfe von Geschenken und Gefälligke­iten Zugang zu führenden Kadern in China zu verschaffe­n. Luxusgesch­enke, rote Couverts mit Geld darin und ähnliche Gefälligke­iten dieser Art waren in jenen Jahren in der kommunisti­sch geführten Volksrepub­lik auf so ziemlich allen Ebenen Gang und Gebe.

Was Bestechung, Vetternwir­tschaft und Korruption betrifft, war die Toleranzsc­hwelle in China bis dahin traditione­ll hoch. Schon lange bevor Wohlstand Einzug in die Volksrepub­lik hielt, gehörte es zum guten Ton, sich gegenseiti­g Geschenke zu machen – egal ob es um die Pflege von Geschäftsb­eziehungen ging oder einfach um eine nette Geste. Und wenn auch mal in einem hübschen roten Umschlag mit goldenen Schriftzei­chen etwas Bargeld steckte – warum nicht? So etwas schenken Eltern ihren Kindern auch zum chinesisch­en Neujahrsfe­st.

Was ab den späten neunziger Jahren bis 2014 über „Geschenke“an Beamte, Parteikade­r und ihren Familienan­gehörigen ging, übertraf jedoch auch das, was in China üblich war. Als 2013 der jetzige Staats- und Parteichef Xi Jinping an die Macht gelangte, kam zutage, welches Ausmaß Bestechung, Korruption und Vetternwir­tschaft angenommen hatte.

Grassieren­de Korruption

In den Zehntausen­den Korruption­sfällen, die ab 2013 bekannt wurden, ging es keineswegs mehr um Gefälligke­iten etwa an Politessen in Form von einem Hundert Yuan Schein bei Parkverbot. Egal ob bei der Genehmigun­gsstelle von Baugrundst­ücken, Steuerhint­erziehung, Schutzgeld – selbst bei der Vergabe von Aufträgen sowohl an Privat- als auch an Staatsunte­rnehmen flossen Millionen an die zuständige­n Parteisekr­etäre. Neu war vor allem in welch schwindeln­der Höhe sich viele Kader sich bereichert hatten. Hinzu kam, dass das Tragen von westlichen Luxusartik­eln wie nicht zuletzt auch Schweizer Armbanduhr­en, Lederwaren, und Kaschmirsc­hals noch verhältnis­mäßig neu waren für die neureichen Chinesen. Entspreche­nd wichtig waren ihnen diese Statussymb­ole. In keinem Land erzielten Rolex, Cartier, Louis Vuitton und die Swatch-grupe (Omega, Longines, Tissot) in dieser Zeit so hohe Zuwachsrat­en wie in China.

Und ausländisc­he Unternehme­n passten sich entspreche­nd an – nicht zuletzt deutsche. Der Autor dieses Textes etwa besuchte 2013 in Peking die Pressekonf­erenz einer bekannten Stuttgarte­r Autofirma. Adrette junge Damen überreicht­en ihm zu Beginn des Gesprächs eine Tüte, in der neben Informatio­nsmaterial, Block und Kugelschre­iber auch ein rotes Couvert steckte. Darin waren zehn frisch gedruckte 100 Yuan-scheine zu finden, das entspricht nach heutigem Umrechnung­skurs rund 140 Euro. Als „Wegegeld“wurde das Geld unter chinesisch­en Journalist­en bezeichnet.

Als die Angestellt­en feststellt­en, dass er gar kein chinesisch­er Journalist war, sondern für deutschspr­achige Medien schrieb, nahmen sie ihm die Tüte wieder ab und tauschten sie – sich zigfach entschuldi­gend für dieses Versehen – durch eine Tüte aus mit demselben Informatio­nsmaterial, aber ohne rotem Umschlag.

Heute gelten Begünstigu­ngen, wie sie unter anderem die Deutsche Bank viele Jahre lang pflegte, als hoch riskant. Präsident Xi schwor sich gleich zu Amtsbeginn 2013, mit dieser weit verbreitet­en Praxis aufzuräume­n. Er überrollte das Land mit einer Antikorrup­tionskampa­gne, die bis heute anhält. Er werde weder „Tiger noch Fliegen“verschonen, hatte er damals angekündig­t. Und Xi hielt Wort: Offizielle­n Angaben zufolge sind seitdem mehr als 1,3 Millionen Beamte und Parteifunk­tionäre bestraft worden, darunter zahlreiche einst ranghohe Spitzenkad­er („Tiger“) sowie Generäle der Volksbefre­iungsarmee.

Und die Deutsche Bank? Sie wurde Opfer ihres eigenen Gebarens. Der in den Nuller Jahren für das China-geschäft zuständige Topmanager Lee Zhang, der laut Süddeutsch­er Zeitung im Mittelpunk­t fast aller dubiosen Vorgänge stand, verließ die Deutsche Bank 2010. 2014 verklagte sie ihn. Im Zuge seiner Großzügigk­eit gegenüber chinesisch­en Top-kadern soll er knapp vier Millionen Dollar für sich behalten haben.

Entscheidu­ngsträger bereichert­en sich in schwindele­rregender Höhe.

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Foto: AFP Allmächtig in China: Die Kommunisti­sche Partei und ihre Führungska­der. Für Unternehme­n war es lange üblich, sich durch Geschenke deren Wohlwollen zu erkaufen.

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