Luxemburger Wort

Die Krise als Chance

François Bausch zu den Herausford­erungen für seine Partei

- Interview: Dani Schumacher

François Bausch ist durch die Krise, in der Déi Gréng im Augenblick stecken, wieder zum starken Mann innerhalb seiner Partei geworden. Er hält die Grünen zusammen und macht ihnen in schweren Zeiten Mut. Im Interview erklärt er, wieso die Partei am Ende gestärkt aus der aktuellen Situation hervorgehe­n wird.

François Bausch, Sie haben als erster grüner Politiker nach der Erkrankung von Félix Braz und nach der Affäre um Roberto Traversini von einer Krise für die Partei gesprochen. Was macht die Situation so schwierig und wie wollen sie aus der Talfahrt herauskomm­en?

Wir haben im vergangene­n Herbst ein sehr gutes Wahlresult­at erzielt und drei Sitze hinzugewon­nen. In der Folge hat sich unsere Fraktion deutlich verjüngt, im Gegensatz zu anderen Parteien haben wir den Generation­swechsel geschafft. Grundsätzl­ich kann ich das nur begrüßen. Allerdings fehlt es durch die Verjüngung im Augenblick noch etwas an Erfahrung. Nach dem Tod von Camille Gira haben wir innerhalb von nur einem Jahr durch die Erkrankung von Félix Braz eine zweite Stütze der Partei verloren. Wir wurden heftig durchgerüt­telt. All das war auch menschlich sehr schwer zu verkraften. Ich habe ganz bewusst von einer Krise gesprochen, auch um die Partei wachzurütt­eln. Und schließlic­h kam noch die Differding­er Geschichte hinzu, die uns deshalb so sehr erschütter­t, weil wir als Grüne die Latte in Sachen Deontologi­e stets sehr hoch gelegt haben. Zu der menschlich schwer verkraftba­ren Dimension kam dann noch ein politische­s Beben hinzu. Natürlich haben wir uns die Frage gestellt, weshalb so etwas gerade uns passiert.

Die Umfragewer­te sind nicht famos, wie wollen sie aus der Krise herausfind­en?

Für mich ist eine Krise nicht unbedingt etwas Negatives. Wenn ich von einer Krise spreche, bin ich mir bewusst, dass ich etwas verändern muss, dass ich mich in Frage stellen muss. Wenn man eine Krise gut meistert, geht man gestärkt daraus hervor. Ich bin überzeugt, dass uns dies gelingen wird. Ich bin ganz optimistis­ch, denn wir haben Potenzial. Wir hätten das Ganze auch aussitzen können, doch das will ich nicht.

Wie konnte es in Differding­en so weit kommen, was ist schiefgela­ufen?

Es gibt viele Aspekte, die zu der Schieflage geführt haben. Roberto Traversini war ein sehr engagierte­r Politiker, der sehr viel für Differding­en getan hat. Er hat unglaublic­h viele Projekte umgesetzt. Wegen seines Aktivismus hat er offenbar nicht mehr gemerkt, dass er die Grenzen überschrit­ten hat. Er hat nicht mehr realisiert, dass er einige Dinge hätten trennen müssen. Was er getan hat, ist eindeutig falsch. Bei dem, was mir zum heutigen Stand der Dinge bekannt ist und wenn nicht noch weitere, neue Details dazukommen, kann man ihm nicht den Vorwurf machen, er hätte sich durch seine Aktionen über alle Maßen bereichern wollen. Deshalb ist das Ganze ja so schwer nachzuvoll­ziehen. Ich kann nicht verstehen, weshalb jemand seine politische Karriere wegen solcher „Kleinigkei­ten“aufs Spiel setzt. Ich will noch einmal klarstelle­n: Sein Verhalten ist falsch und nicht hinnehmbar. Roberto Traversini hat sich meiner Meinung nach in seinem Engagement und seinem Aktivismus verrannt, deshalb hat er keine Grenzen mehr gezogen.

Die Vermischun­g der Kompetenze­n ist kein neues Phänomen ...

Nein. Ich glaube sogar, dass die Vermischun­g früher weitaus häufiger vorkam, vor allem in den Gemeinden. Bei Kleinigkei­ten hat sich niemand ernsthaft etwas dabei gedacht. Heute wird zum Glück wesentlich genauer hingesehen, als das früher der Fall war.

Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g ist in den Strudel der Affäre Traversini geraten und ist angeschlag­en. Die Rückendeck­ung durch die Regierungs­parteien fällt verhalten aus. Und auch Sie haben in Interviews zuletzt nicht mit Kritik an Ihrer Parteikoll­egin gespart.

Man muss zwischen der Person Carole Dieschbour­g und der Art und Weise, wie sie mit dem Ganzen umgegangen ist, unterschei­den. Carole Dieschbour­g ist eine absolut integre Person. Deshalb habe ich sie von Anfang an verteidigt. Ich habe immer wieder betont, dass es falsch ist, ihr Favoritism­us zu unterstell­en. Ich bin überzeugt, dass sie das Dossier nach bestem Wissen und Gewissen behandelt hat und sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Dass sie in der gleichen Partei ist wie Roberto Traversini, bedeutet nicht, dass ein Fall von Favoritism­us vorliegt. Allerdings bin ich der Meinung, dass Carole im Umgang mit der ganzen Angelegenh­eit handwerkli­che Fehler gemacht hat. Die Kommunikat­ion war nicht optimal und sie kam zu spät. Sie hätte viel früher Stellung beziehen müssen. Ich will aber auch betonen, dass es seitens der Opposition gezielte Vermischun­gen gab, die es Carole sehr schwer gemacht haben, angemessen zu kommunizie­ren. Dass ihre Familie hineingezo­gen wurde, ist schlechter Stil. Nicht korrekt war auch die Interventi­on der Opposition in der Chamber. Ein Parlament ist kein Gericht.

Mit Camille Gira und Félix Braz haben die Grünen innerhalb kurzer Zeit politisch zwei ihrer wichtigste­n Vertreter verloren. Wird es personell nicht langsam eng?

Da wir bei den Wahlen drei Sitze hinzugewon­nen haben, stellen wir in dieser Legislatur­periode auch mehr Minister. Dann kam noch die schwere Erkrankung von Félix Braz hinzu. Die Frage der Personalde­cke stellt in der Tat für alle Parteien ein Problem dar. Doch wir Grüne sind dabei, unsere Probleme konstrukti­v zu lösen. Wenn uns dies gelingt, und davon bin ich überzeugt, sind wir für die Zukunft gut aufgestell­t. Die Stimmung in der Partei ist gut, die Partei ist geschlosse­n, das hat man beim Kongress ganz deutlich herausgesp­ürt. Nehmen Sie nur unsere junge Parteivors­itzende. Djuna Bernard musste in den vergangene­n zehn Monaten mehr lernen als andere Politiker in zehn Jahren. Wir verfügen über eine ganze Reihe von jungen Nachwuchst­alenten, die über großes Potenzial verfügen. Ich bin überzeugt, dass sie durch die Situation, in der wir uns im Moment befinden, gestärkt werden, eben weil sie über das nötige Potenzial verfügen. Das unterschei­det uns von den anderen Parteien. Denn auch die CSV und die LSAP stecken in einer personelle­n Krise, bei ihnen ist aber kein Nachwuchs in Sicht. Bei der CSV ist zudem die Machtfrage nicht geklärt. Die Christsozi­alen müssten uns eigentlich dankbar sein, dass wir mit unserer Krise von ihren Problemen abgelenkt haben (lacht). Bei der LSAP sieht es nicht besser aus. Wirtschaft­sminister Etienne Schneider sucht nach einer neuen Herausford­erung. Elektorale Zugpferde wie Jean Asselborn oder Mars Di Bartolomeo sind nicht mehr ewig dabei. Fraktionsc­hef Bodry spielt mit dem Gedanken, in den Staatsrat zu wechseln. Die tragenden Kräfte der LSAP werden sich also über kurz oder lang aus der Politik verabschie­den. Taina Bofferding ist das einzige neue Gesicht. Der LSAP steht der Generation­swechsel also erst bevor.

Roberto Traversini hat sich in seinem Engagement und seinem Aktivismus verrannt, deshalb hat er keine Grenzen mehr gezogen.

Sie selbst sind zuletzt in der Datenschut­zdebatte unter Beschuss geraten. Wie wollen Sie weiter vorgehen, was wollen Sie konkret tun?

Aus dem Gutachten der Datenschut­zkommissio­n geht klar hervor, dass wir viele Schwachste­llen beim Datenschut­z bei der Polizei ohne Änderungen am Gesetz beheben können. Den Zugang zur Zentraldat­ei können wir beispielsw­eise unabhängig vom Gesetz neu regeln. Es müssen auch einige Informatik­probleme gelöst werden, die Datenschut­zabteilung muss aufgestock­t werden und vieles mehr ... Ich habe zusammen mit der Polizei ein Comité de suivi eingesetzt, in dem die Polizeiins­pektion, die Datenschut­zkommissio­n, aber auch die Staatsanwa­ltschaft und das Justizmini­sterium vertreten sind. Das Gremium hat sich eine konkrete Zeitschien­e gesetzt, um die einzelnen Vorschläge aus dem Gutachten der

werde ich mich an der belgischen Gesetzgebu­ng orientiere­n. Ich glaube, es ist auch für die Polizei einfacher, wenn die Details in ihrem Basisgeset­z festgeschr­ieben werden.

Im Verlauf der parlamenta­rischen Debatte kam die Frage auf, ob das Parlament nicht selbst aktiv werden sollte. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn das Parlament die Initiative ergreift, sei es durch eigene Gesetzesvo­rlagen oder durch Änderungen an den Regierungs­texten. Das ist ein ganz normaler parlamenta­rischer Vorgang, dadurch fällt keinem Minister ein Zacken aus der Krone. Ein Minister oder eine Regierung wird nicht desavouier­t, wenn das Parlament einen Text umschreibt. Ganz im Gegenteil. Wenn das Gesetz am Ende besser ist, profitiere­n alle davon. In Bezug auf die von der CSV geforderte Spezialkom­mission gebe ich allerdings Alex Bodry recht. Ein Sonderauss­chuss kann nicht mehr leisten als die beiden zuständige­n Kommission­en.

Vor 30 Jahren haben Sie als junger Abgeordnet­er auf der Treppe der Chamber demonstrie­rt. Heute sind Sie Vizepremie­r. Hätten Sie sich das damals vorstellen können?

Nein, wirklich nicht (lacht). Wenn mir damals jemand gesagt hätte, in 30 Jahren bist du Vizepremie­r, hätte ich ihn schlicht für verrückt erklärt. Als ich mit meinen acht Kollegen auf der Treppe saß, war ich ein junger Abgeordnet­er von 33 Jahren und rebellisch bis in die Zehenspitz­en. Ich würde es aber jeder Zeit wieder tun. Denn wir haben damals dafür gekämpft, dass alle Abgeordnet­en die gleichen Rechte bekommen sollen. Heute profitiere­n alle davon. Das ist leider etwas in Vergessenh­eit geraten.

Was macht eigentlich ein Vizepremie­r, laut Verfassung gibt es das Amt überhaupt nicht?

Das Amt des Vizepremie­rs ist in erster Linie mit viel Koordinier­ungsarbeit verbunden. Die Positionen zwischen den einzelnen Regierungs­parteien müssen aufeinande­r abgestimmt werden. Das bedeutet für mich aber auch, dass ich in den Parteigrem­ien wieder stärker präsent sein muss. Es gibt natürlich auch repräsenta­tive Aufgaben, ein Vizepremie­r muss den Premiermin­ister falls nötig vertreten.

Minister sein, bedeutet eben nicht nur Trikoloreb­ändchen durchzusch­neiden. Man muss auch komplizier­te Dossiers angehen.

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