Luxemburger Wort

IS bleibt „große tickende Zeitbombe“

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Erivan/idlib. Zuletzt hatte sich Abu Bakr Al-bagdadi Ende März in einer Videobotsc­haft an seine Anhänger gewendet. Den ergrauten Bart mit Henna gefärbt, saß der Dschihadis­tenführer wohlgenähr­t im Kreise seiner engsten Getreuen. Mit matter Stimme hatte der Chef der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) erstmals den Verlust seines vor gut fünf Jahren proklamier­ten „Kalifates“zugegeben. Die Niederlage, behauptete Al-bagdadi, ermögliche jedoch die Chance zu (noch) größeren Siegen. Als neue „Wirkungsge­biete“, aus denen „Treueschwü­re“gekommen seien, nannte der selbst ernannte „Kalif“Mali und Burkina Faso, den Jemen, den Kaukasus sowie die Türkei, wo die Terrormili­zen noch immer gut vernetzt sind. Daran wird auch der Tod des 48-Jährigen nichts ändern. Auch wenn der IS fast alle seine Stützpunkt­e in Syrien und dem Irak verloren hat, bleiben die Kopfabschn­eiderbande­n nach Einschätzu­ng der syrischen Kurdenmili­z „YPG“„eine große tickende Zeitbombe“. Die Tatsache, dass Abu Bakr Al-bagdadi in der weitgehend von Dschihadis­tenmilizen kontrollie­rten Provinz Idlib zur Strecke gebracht wurde, zeigt zudem, wie gering die ideologisc­hen Differenze­n zwischen den islamische­n Extremiste­n in Wirklichke­it sind. Nach Berichten aus Beirut war es vermutlich die dem Terrornetz­werk Al Kaida nahestehen­de Dschihadis­tenorganis­ation

Al-bagdadi in einer Videobotsc­haft aus dem Jahr 2019.

„Hayat Tahrir al-sham“(HTS), die sich früher Nusra-front nannte, die Al-bagdadi und seiner Familie Unterschlu­pf gewährt hatte. Viele ehemalige Mitglieder des IS haben sich dieser Gruppierun­g angeschlos­sen. Ziel des IS ist die Proklamati­on eines Emirats nach dem Vorbild der afghanisch­en Taliban in der Provinz Idlib, welches de facto bereits besteht. Überdies träumen die nordsyrisc­hen Dschihadis­ten davon, die von ihnen kontrollie­rten Gebiete weiter nach Osten auszudehne­n. Die Chancen, dass dies gelingt, stehen nach dem Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien gar nicht schlecht. Schließlic­h werden die Soldaten Erdogans von einer Koalition aus islamische­n Extremiste­ngruppen unterstütz­t. Um nicht aufzufalle­n, hat die Regierung in Ankara ihren radikalen Helfershel­fern den scheinbar harmlosen Namen „Syrische Nationalar­mee“gegeben. Dass in dieser Truppe auch Gefolgsleu­te von Abu Bakr al-bagdadi kämpfen, wird gerne verschwieg­en. mw

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