Luxemburger Wort

Aufstand in der CDU

Das Thüringer Wahlergebn­is sendet Schockwell­en bis nach Berlin – vor allem in die Zentrale der Kanzlerin-partei

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Ich brauch' nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen wichtig ist. Mike Mohring

„Wir haben festgehalt­en“, sagt Annegret Kramp-karrenbaue­r. Und „unsere Beschlussl­age“. Und „hat Bestand“. Es ist mittags kurz nach eins am Tag nach der Thüringenw­ahl – und in der Zentrale der größten deutschen Regierungs­partei ist eine Revolte im Gange. Vor offenen Mikrofonen und laufenden Kameras.

Es geht um die Frage, ob – und falls überhaupt ja, dann wie – die CDU kooperiere­n darf mit der Linken. Sie stellt sich akut. Dunkelrot-schwarz ist eine von zwei möglichen Mehrheitsk­onstellati­onen im neu bestimmten Landtag. Sie hätte 50 von insgesamt 90 Sitzen. Die andere Mehrheit besteht aus Linken, SPD, Grünen und FDP. Sie hätte 47 Sitze – aber Fdp-spitzenkan­didat Thomas Kemmerich hat schon wissen lassen: „Wir werden mit Herrn Ramelow nicht über eine Zusammenar­beit sprechen.“Erst recht nicht über eine Koalition.

An dieser Stelle könnte Bodo Ramelow, Linker, amtierende­r Ministerpr­äsident und Wahlsieger mit 31,0 Prozent, beginnen, sich Gedanken über eine Minderheit­sregierung zu machen. Denn nach geltender Beschlussl­age der CDU gibt es keine Zusammenar­beit mit seiner Partei und mit der AFD.

Dass die Vorsitzend­e nun auf diesen Beschluss vom Dezember 2018 öffentlich pocht, sagt schon etwas. Noch mehr aber, was Mike Mohring, der aktuell in der Thüringer CDU alle Macht bei sich vereint, folgen lässt. Es ist die Wiederholu­ng dessen, was er die Republik und seine Bundespart­ei schon im Frühstücks­fernsehen hat wissen lassen: „Mir sind stabile Verhältnis­se wichtiger für das Land als parteipoli­tische Interessen.“Und: „Ich brauch' nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen wichtig ist.“Nun ergänzt Mohring, neben AKK stehend, die

CDU Thüringen habe „einen Gestaltung­sanspruch“. Und deshalb „führe ich jetzt das Gespräch mit Bodo Ramelow und lote aus, welche Vorstellun­gen er hat“.

Das – ist ein Aufstand. Er wird auch nicht kleiner durch das später nachgescho­bene Bekenntnis zu Beschlussl­age. „Die gilt“, so Mohring, „zunächst für alle.“Das „zunächst“aber hebt jede Verbindlic­hkeit auf.

Was Mohring sonst noch sagt, ist eine Abrechnung mit der Bundespart­ei. Und mit Kramp-karrenbaue­r, die ihr ja seit knapp einem Jahr vorsitzt. Dass sie die CDU auch führt, konnte sie nicht nachweisen. Prompt hat vormittags in den Gremien der Chef der Jugendorga­nisation Junge Union, Tilman Kuban, AKKS Eignung als Parteichef­in und Kanzlerkan­didatin in Frage gestellt – und für letzteres rasche Klärung verlangt. Aber Kuban, der ja auch aufbegehrt, hat Kramp-karrenbaue­r im Griff. Die Entscheidu­ng werde, sagt sie, wie vorgesehen erst auf dem Parteitag 2020 getroffen. Mohring indes setzt sie nichts entgegen. Er ihr schon. Für Berlin gelte: „Es gibt kein Weiter-so.“Der Bundespart­ei trauten die Wählerinne­n und Wähler nicht mehr. Den Thüringer Christdemo­kraten dagegen schon. Als Beweis führt Mohring an, dass die CDU Platz eins bei den Direktmand­aten belegt. Und dass die Kandidatin­nen und Kandidaten „im Durchschni­tt mehr als zehn Prozent“über dem Parteierge­bnis rangierten.

Es ist ein ziemlich starker Auftritt in Berlin. In Erfurt probt unterdesse­n noch einer den Aufstand. Gegen Mohring. Der Thüringer Vize-fraktionsc­hef Michael Heym spekuliert über ein „Bündnis aus AFD, CDU und FDP“und fordert: „Das sollte man nicht von vornherein ausschließ­en“.

Ohne es zu wollen, touchiert der Thüringer Heym damit die Schwachste­llen der Berliner Cdustrateg­ie. Die Gleichsetz­ung von Linken und AFD. Und die Vorstellun­g, West- und Ostdeutsch­e tickten 30 Jahre nach dem Mauerfall gleich. Die Linke jedoch ist zusammenge­nommen nicht annähernd so extrem wie die AFD insgesamt. Und in Ostdeutsch­land wird sie als etwa so links wahrgenomm­en wie die SPD in Westdeutsc­hland. In Thüringen, mit Ramelow, sogar eher als Mitte.

Mögliche Zusammenar­beit

In den Berliner Führungsgr­emien aber ist eine Zusammenar­beit für viele unvorstell­bar. Und gar eine Koalition, warnt etwa der Chef des Wirtschaft­sflügels, Carsten Linnemann, „wäre als Volksparte­i das Ende“. Dazu passt der Kommentar von Afd-chef Alexander Gauland: „Das nehmen die Wähler der CDU vor allem im Westen übel.“Der Thüringer Spitzenkan­didat Björn Höcke spekuliert: „Da könnten wir dann das Erbe antreten.“

Über dem Aufruhr bei den Christdemo­kraten gerät für diesen Tag das Elend der anderen Groko-partei fast aus dem Fokus. Die SPD gehe „absolut geschwächt“aus dieser Wahl, konstatier­t ihr oberster Thüringer in Berlin, Carsten Schneider. Realistisc­h betrachtet gilt das auch für die Bundes-cdu. Und es gibt Anzeichen, dass ihre Nervosität langsam sozialdemo­kratisches Niveau erreicht.

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Foto: dpa Cdu-parteichef­in Annegret Kramp-karrenbaue­r steht parteiinte­rn unter Beschuss. Die Junge Union stellt gar ihre Eignung als Parteivors­itzende und Kanzlerkan­didatin in Frage.
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