Nicht wegen, sondern trotz Trump
Die Rückzugsentscheidung des Us-präsidenten aus Syrien gefährdete Schlag gegen Is-führer Bagdadi
Es dauerte bis zum dritten Spielabschnitt zwischen den „Nationals“und den „Astros“aus Houston um die „World Series“-meisterschaft ehe der Stadiumsprecher den Ehrengast erwähnte. Als der Schirm dann Bilder aus der VIPLOGE mit Präsident Trump zeigte, buhte das Publikum lautstark. Protestierer entrollten ein „Impeach Trump!“-banner, während von den Rängen „Sperrt ihn ein“-rufe kamen. So hatte sich der Präsident seinen Auftritt am Ende eines Tages, an dem er den Tod des am meisten gesuchten Terroristen der Welt verkündet hatte, gewiss nicht vorgestellt. Die Reaktion im Stadium korrespondiert mit dem verhaltenen Echo auf den nächtlichen Geheimeinsatz in der syrischen Idlib-provinz.
„Die Ironie besteht darin, dass die erfolgreiche Operation gegen Al-bagdadi ohne die nun abgezogenen Us-streitkräfte, die Hilfe der betrogenen Kurden in Syrien und unsere so oft herabgewürdigten Geheimdienste niemals möglich gewesen wäre“, fasst der Präsident des renommierten „Council on Foreign Relations“, Richard Haas, den überwiegend kritischen Tenor der Analysten zusammen. „Die Bedingungen, die diesen Erfolg möglich gemacht haben, bestehen in der Zukunft nicht mehr.“
Der entscheidende Hinweis
Die New York Times berichtet, der amerikanische Geheimdienst CIA habe den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort von Bagdadi im Sommer von einer seiner verhafteten Ehefrauen erhalten. Kurdische und irakische Geheimdienstler hätten die Angaben verifiziert und mit Spionen geholfen, die Bewegungen des Terroristenführers zu verfolgen.
Trumps abrupte Entscheidung, die Us-truppen aus Syrien abzuziehen, habe das Pentagon gezwungen, die peniblen Planungen zugunsten eines riskanten Nachteinsatzes aufzugeben. Bei den Spezialstreitkräften habe die Sorge bestanden, andernfalls sehr bald die Kapazitäten zu verlieren, eine solche Aktion auszuführen.
Übertreibung statt Realität
Verteidigungsminister Mark Esper bestätigte diese Einschätzung indirekt. Auf Reporterfragen sagte Esper, er wisse nicht, ob der Schlag gegen das Versteck Bagdadi's nach dem Abzug der Truppen möglich gewesen wäre. „Da muss ich mit meinen Kommandeuren drüber sprechen.“Esper hielt sich auch zurück, die epischen Schilderungen Trumps über das Ende des Terroristenführers zu bestätigen.
Er könne nicht sagen, ob Bagdadi in dem Tunnel „geweint“und „gewimmert“habe. Die von Trump gelobten filmreifen Aufnahmen des in den Lageraum des Weißen Hauses übertragenen Livestreams von Us-drohnen über dem Einsatzgebiet gaben das auch nicht her.
Als Übertreibung wird auch die Aussage des Präsidenten gewertet, das Is-kalifat sei „zu 100 Prozent ausgelöscht“worden. Der frühere Nato-oberkommandeur James Stavridis bringt den Expertentenor auf den Punkt. „Wir sind noch nicht fertig mit dem IS.“Clint Watts vom „Foreign Policy Research Institute“fürchtet, dank der aggressiven Rekrutierung tausender Kämpfer in Dutzenden von Ländern habe der IS auch nach dem Verlust ihres Führers die nächste Generation an Terroristen bereitstehen.
Die große Sorge besteht, was dann ohne Us-truppen vor Ort passiert. „Der Einsatz hat uns ganz klar daran erinnert, warum wir in Syrien bleiben müssen“, sagt Antiterrorexperte Marc Polymeropoulos. „Wir verlieren mit dem Rückzug unseren entscheidenden Vorteil.“