Herausforderung für Landwirtschaft
Hitze und Trockenheit stellen Bauern vor Probleme
Am ehesten und auch am stärksten wird die Landwirtschaft aufgrund ihrer existenziellen Abhängigkeit vom Wettergeschehen des Klimawandels betroffen sein. Mit steigenden Temperaturen und veränderten Niederschlagsmengen müssen Aussaat- und Erntezeiten angepasst werden. „Die Niederschlagsmengen übers ganze Jahr hinweg betrachtet blieben auch über einen längeren Zeitraum eher stabil“, so Andrew Ferrone, Meteorologe bei den technischen Landwirtschaftsdiensten (ASTA). „Was sich aber verändert hat, ist der hohe Verdunstungsgrad und die damit einhergehende Austrocknung der Böden.“Auch die Verlängerung der Vegetationsperiode, die laut Experten von aktuell 244 Tagen auf 276 Tage ansteigen könnte, wird früher oder später eine Sortenumstellung nach sich ziehen. So leidet insbesondere der Mais unter den trocknen Frühlings- und Sommermonaten. Bereits jetzt wird in Capellen erfolgreich mit Soja experimentiert, obwohl diese Nutzpflanze eigentlich heißere Klimazonen bevorzugt. Biolandwirt Christian Wilhelm hat dort die Hälfte der für
Ackerbohnen vorgesehenen Fläche in Sojafelder umgewandelt. Die sogenannte „Merlin“-sorte hat sich gut an das lokale Klima angepasst, auf zwei Hektar Ackerfläche konnten insgesamt fünf Tonnen Bohnen geerntet werden. Feldversuche mit anderen Pflanzensorten sind geplant.
Allerdings steigt auch das Risiko, dass sich bisher unbekannte Schadorganismen oder Parasiten in Luxemburg niederlassen und zu Ausfällen führen können. Andere Klimafolgen sind eine verstärkte Erosion beziehungsweise Verdichtung der Böden. Die meisten Agrarsektoren werden laut den Experten des LIST künftig vor großen Problemen stehen, insbesondere weil wegen der zunehmenden Wasserknappheit im Sommer, mit Ausnahme des Gemüsebaus, nicht auf künstliche Bewässerung zurückgegriffen werden kann. Auf der anderen Seite sorgen Starkregenereignisse, wie sie in den letzten Jahren mehrfach beobachtet wurden, zu Ernteausfällen und zum Abschwemmen von Ackerböden.
Allenfalls dem Weinbau könnten die steigenden Temperaturen entgegen kommen. Im Zuge des 11. Lëtzebuerger Wäibaudag am 6. Februar dieses Jahres referierten die List-wissenschaftler Jürgen Junk und Daniel Molitor vor interessierten Winzern über den Klimawandel. Hochwertigere Rebsorten, an die vor 30 Jahren noch niemand dachte, könnten in den besten Mosellagen gepflanzt werden. Allgemein könnten die höheren Temperaturen einen positiven Einfluss auf die Reife und die Qualität haben. Weißweinsorten an der Our sind dann sogar möglich. Zurzeit laufen Versuche mit der Sorte Cabernet Blanc in Vianden, Rivaner und Pinot Blanc könnten demnach dort durchaus schon reifen.
Dass der Wandel bereits eingesetzt hat, zeigt der Umstand, dass im 21. Jahrhundert noch kein schlechtes Weinjahr wegen zu wenig Wärme zu verzeichnen war. So kam es im 20. Jahrhundert noch vor, dass selbst Rivaner nicht ausreifte. Mittlerweile reifen Sorten wie Pinot und Riesling in fast allen Jahren aus. Die gemessenen Wärmewerte würden sogar ausreichen, um die typisch südfranzösischen Sorten Grenache oder
Syrah anzubauen. „Die höheren Temperaturen bringen aber nicht nur Vorteile“, so Andrew Ferrone. „Besonders Jungreben sind anfällig für trockene Phasen, zugleich nimmt die Gefahr des Sonnenbrandes zu. Dies war zum Beispiel in diesem Sommer der Fall.“Ferrone warnt zudem vor neuen Schädlingen, die sich mit den höheren Temperaturen ansiedeln könnten.
Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts haben die Winzer in Europa mit dem aus Kalifornien eingeschleppten Eipilz Falscher Mehltau (Plasmopara viticola) zu kämpfen.
Hinzu kommt die Gefahr durch einen möglichen Befall durch die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Das in Südostasien beheimatete Insekt wurde 2014 zum ersten Mal in Luxemburg nachgewiesen. Trockenheit und Hitze wie im Jahr 2015 drücken die Überlebensrate des Schädlings und bremsen die Vermehrung des Insekts, das auch gesunde Früchte ansticht und seine Eier ablegt. Feuchte und gemäßigte Temperaturen wie in diesem Jahr bewirken das Gegenteil.