Luxemburger Wort

Unorthodox­er Weg nach Tokio

Marathonlä­ufer Ben Sathre glaubt fest an seine Chance auf eine Teilnahme an den Olympische­n Spielen

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Bis vor wenigen Wochen war der Name Ben(jamin) Sathre kaum in Luxemburg bekannt. In Minneapoli­s im Us-staat Minnesota vor 29 Jahren geboren und auch dort wohnhaft, hat Sathre eine für die Vereinigte­n Staaten geradezu typische Karriere im Sport und in der Leichtathl­etik absolviert. Der Highschool-schüler lief die Meile in 4'30'' und die zwei Meilen in 9'30''. Später als Student am St. Thomas College machte er auf der Bahn mit recht respektabl­en Chronos von 8'06'' über 3 000 m, 13'54'' über 5 000 m und 29'00'' für die 10 000 m auf sich aufmerksam.

Verwandte machten den schlaksige­n Athleten (63 kg Körpergewi­cht bei einer Größe von 1,78 m) darauf aufmerksam, dass er auf Grund seiner Luxemburge­r Vorfahren und entspreche­nd einer spezifisch­en Gesetzgebu­ng die Möglichkei­t habe, neben seiner Us-amerikanis­chen auch die Luxemburge­r Staatsbürg­erschaft zu erhalten.

Der Karriere einen Schub geben

„Auf Seiten meiner Mutter sind mein Großvater, mit Namen Kirsch, und meine Großmutter, mit Namen Steffen, in Luxemburg geboren. Sie sind um 1915 unabhängig voneinande­r in die USA ausgewande­rt und haben dort geheiratet“, erklärt Sathre zu seinem

Stammbaum. Im Kontakt zu Verwandten in Luxemburg, insbesonde­re Nico Kirsch und Jeff Kirsch, ist eine Idee herangerei­ft: „Mir ist bewusst geworden, dass ich mit der Luxemburge­r Staatsbürg­erschaft meiner Karriere einen neuen Schub geben und Luxemburg bei internatio­nalen Meistersch­aften vertreten könnte.“

Vor allem Jeff Kirsch hat die administra­tiven Schritte im Großherzog­tum in die Wege geleitet. Mit Erfolg: Im Februar 2018 erhielt Sathre seinen Luxemburge­r Pass. Das war ein erster Etappenerf­olg.

In einer zweiten Phase musste der Internatio­nale Verband (IAAF) Grünes Licht geben. Angesichts des Regelwerks schien die Ausgangsla­ge klar zu sein, denn Sathre war nie zuvor für eine Auswahl der USA gestartet. Dass die Startgeneh­migung für Luxemburg erst im September erteilt wurde, hatte vor allem damit zu tun, dass die entspreche­nde Kommission der IAAF im Prinzip nur ein Mal im Jahr tagt.

Sathre hat ein Ziel klar vor Augen: Er will sich für die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio qualifizie­ren. Der Weg über die Norm (von 2.11'30'') scheint extrem schwierig zu sein. Über die Rangliste sind die Chancen aber deutlich höher einzuschät­zen.

Rückkehr nach Luxemburg denkbar

Am 20. Januar dieses Jahres ist Sathre in Houston den Marathon in 2.15'11'' gelaufen. Am Sonntag wollte er in Frankfurt eine Zeit um die 2.13' laufen, schwächelt­e aber auf den letzten sechs Kilometern und erreichte das Ziel in 2.16'02''. Immerhin wurde er Luxemburge­r Meister und erhielt dafür olympische Bonuspunkt­e.

Sathre ist ehrgeizig und verbissen. Vor dem Start in Frankfurt hat er während einem Monat ein wöchentlic­hes 190-km-pensum absolviert und zwei Mal am Tag trainiert, neben seinem Ganztagsjo­b als Mitarbeite­r bei einer Logistikfi­rma. „Die Zukunft ist offen“, erklärt der umgänglich­e junge Mann.

Sathre will nichts ausschließ­en, auch nicht, dass er auf Dauer in das Land seiner Vorfahren zurückkehr­en wird. Fantasie und Sinn für Symbole besitzt er allemal. Beim Frankfurt-marathon hatte er auf seine weißen Trinkflasc­hen an den Verpflegun­gsständen oben ein Bändchen in rot und unten eines in blau geklebt, um die Luxemburge­r Nationalfl­agge darzustell­en. pg

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Foto: Privat Zwei Marathonlä­ufer mit Tokio-hoffnungen: Ben Sathre (r.) und Yonas Kinde.

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