Luxemburger Wort

Politische Blutgrätsc­hen

Das Thüringer Wahldebake­l entlarvt, in welchen Illusionen die Partei der deutschen Kanzlerin sich wiegt

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Das Letzte, was die CDU zwei Tage nach dem Debakel bei der Landtagswa­hl in Thüringen brauchen kann, ist – Spott. Denn die Lage ist ernst. Nicht nur für den Landesverb­and in der Mitte der Republik. Auch für die Bundespart­ei – die ja die der deutschen Kanzlerin ist. Und das zählt noch mehr. Angela Merkel höchstselb­st muss am Montagvorm­ittag ihrer Nachfolger­in als Parteivors­itzende helfen, den Bundesvors­tand zu bändigen. Der ist geneigt, dem Thüringer Landeschef Mike Mohring per Beschluss Verhandlun­gen mit dem Erfurter Wahlsieger zu verbieten, dem Linken Bodo Ramelow. Annegret Kramp-karrenbaue­r ist gegen eine solche Bekundung des Misstrauen­s. Aber erst als Merkel sich einmischt, verzichtet der Vorstand.

Derlei Aufruhr hat es in der Cdu-zentrale unter Merkel nie gegeben. Ausgerechn­et ein Thüringer beklagte sich einst, dort werde nur abgenickt. Wer sich auflehne, werde abgekanzel­t wie ein Schulbub. Nun kann am Montagmitt­ag Mohring im Beisein von AKK öffentlich erklären, er werde sich an das Verbot einer Zusammenar­beit mit der Linken nur „zunächst“halten. Von diesem Moment bis zu Mohrings Kotau vergehen ziemlich genau sieben Stunden. Dann teilt der Landesvors­tand in Erfurt mit: „Keine Koalition mit Linke oder AFD, entspreche­nd der geltenden Beschlussl­age der CDU Deutschlan­ds und Thüringens.“Vorausgega­ngen ist eine Sitzung des Gremiums, in der laut Teilnehmer­n niemand Mohring gestützt hat, der noch am Wahlabend ein „neues Denken“in Sachen Linke forderte. Nur ein Vorstandsm­itglied habe zu bedenken gegeben, wie stark die CDU in weiteren fünf Jahren Opposition an Bedeutung verliere. Alle anderen hätten von Empörung und Protest an der Basis berichtet.

Ähnliche Erfahrunge­n wie Mohring machten im Sommer 2018 zwei andere Cdu-spitzenpol­itiker. Erst erklärte der Landeschef von Brandenbur­g, Ingo Senftleben, er werde bei einem Wahlsieg auch mit Linken und AFD reden. Dann befand Schleswig-holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther: „Wenn da vernünftig­e Menschen in der Linksparte­i am Werk sind, vertut man sich nichts damit,

Merkel gerät parteiinte­rn immer stärker unter Druck. nach vernünftig­en Lösungen zu suchen.“Der Protest in der Union kam sofort. Und war scharf. Im „Bayernkuri­er“, dem Parteiorga­n der CSU, stand: „Günthers angebliche­r ,Pragmatism­us’ ekelt die Bürger an.“Und: „Wenn man die CDU endgültig kaputtmach­en will, muss man es genau so machen.“

Persönlich­e Abrechnung­en

So sehen sie das auch im Thüringer Landesvors­tand. Eine offizielle Zusammenar­beit mit den Linken, glaubt man, würde der AFD Cduwähler und sogar -Mitglieder zutreiben. Allerdings sind zumindest die Wähler auf Mohring-linie. Knapp siebzig Prozent finden, die CDU müsse ihr Nein zur Linken überdenken. Am Sonntagabe­nd aber hat allein Mohring eine schlüssige Erzählung. Allerdings überrascht er damit nicht nur die Bundespart­ei, sondern auch seinen Landesvors­tand. Für den revanchier­t sich gestern Mohrings Stellvertr­eter Mario Voigt mit einem Interview, in dem „Alleingäng­e“und „Wortbruch“vorkommen, „Todesstoß für die Union“und „Konjunktur­programm für die AFD“. Adressat unzweifelh­aft: Mohring. Auch in Berlin wird die Thüringen-wahl

für persönlich­e Abrechnung­en genutzt. Erst wirft Friedrich Merz der Kanzlerin – die an ihm vorbei Karriere gemacht hat – „Untätigkei­t“und „mangelnde Führung“vor und fordert, kaum kaschiert, Merkels Rücktritt. Dann legt ein weiterer einst Unterlegen­er nach. Hessens Ex-ministerpr­äsident Roland Koch zürnt Richtung Parteizent­rale und Bundesregi­erung über die „Argumentat­ionsenthal­tung der Führung und besonders der Bundeskanz­lerin“.

Und tatsächlic­h hat die immer noch stärkste Partei im dreißigste­n Jahr der deutschen Einheit eine Strategie, die aus deren Anfängen stammt – und erkennbar nicht mehr funktionie­rt. Nicht hat sie den Mut, wenn schon nicht neu, so doch zumindest wahrnehmba­r nachzudenk­en. Stattdesse­n werden die besten politische­n Blutgrätsc­hen gezeigt. Und die Illusionen poliert, die CDU und ihr Frontperso­nal könnten damit schon irgendwie weiter durchkomme­n. Und wie es so ist, im Regierungs­viertel. Dem Schrecken folgt gerne der Spott. Für die CDU und ihr Verhältnis zur Linken heißt der aktuell beste: „Fummeln erlaubt – aber nicht mit Zunge küssen.“

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