Neuer Kronzeuge gegen Trump
In der Ukraine-affäre bringt ein hochrangiger Us-offizier den Präsidenten in Erklärungsnot
Oberst Vindman hat mit eigenen Ohren gehört, wie Us-präsident Trump den neuen ukrainischen Regierungschef Wolodymyr Selenskyj bei einem Telefonat vom 25. Juli dieses Jahres bedrängte, eine Untersuchung gegen Joe Biden, seinen Sohn Hunter und den angeblichen Verbleib eines Servers mit E-mails von Hillary Clinton einzuleiten. Das Verhalten Trumps irritierte ihn so sehr, dass er sich beim Justiziar im „Nationalen Sicherheitsrat“, John A. Eisenberg, beschwerte. „Ich hielt es für nicht richtig, von einer ausländischen Regierung Ermittlungen gegen einen Us-bürger zu verlangen, und ich war besorgt über die Konsequenzen für die Unterstützung der Ukraine durch die Us-regierung“, sagt Vindman in einer vorab an die New York Times geleakten schriftlichen Erklärung, die er gestern zu Beginn seiner Befragung durch den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses abgeben wollte.
Während der „Whistleblower“, dessen Beschwerde zu dem Amtsenthebungsverfahren im Kongress geführt hatte, den Inhalt des Telefonats zwischen dem Us-präsidenten und Selenskyj nur aus zweiter Hand erfuhr, und Trump lediglich das Memorandum des Gesprächs öffentlich gemacht hat, hörte der Ukraine-experte persönlich mit bei jenem Gespräch, mit dem alles begann.
Die Demokraten haben damit neben dem Us-botschafter in der Ukraine, William B. Taylor, einen weiteren Kronzeugen in dem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Vindman ist dabei die erste Person, die aus eigenem Wissen bezeugen kann, wie akkurat das Memorandum ist, das der Präsident von dem Gespräch mit Selenskyj öffentlich gemacht hatte. Das wortwörtliche Protokoll bleibt weiterhin unter Verschluss auf einem Server im Weißen Haus, der eigentlich für Staatsgeheimnisse reserviert ist. Vindman, ein Sohn von Einwanderern aus der Ukraine, der für eine Kriegsverletzung im Irak ein „Purple Heart“erhielt, beschreibt sich als „Patrioten“, dem es nicht um Parteipolitik oder den amtierenden Präsidenten, sondern „die Verteidigung unseres Landes“geht.
Er habe verstanden, wie Ermittlungen gegen die Bidens die überparteiliche Unterstützung für die Ukraine-politik gefährdeten. „Das hätte die nationale Sicherheit der USA unterminiert.“Ähnlich akribisch wie Botschafter Taylor zeichnet Vindman nach, wie seit einem ersten Telefonat Trumps mit Selenskyj nach dessen Wahl im April immer neue Bedingungen gestellt wurden.
Formelle Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens
Er sei besorgt darüber gewesen, wie der Hausanwalt des Präsidenten, Rudy Giuliani, eine Politik verfolgt habe, die dem offiziellen Kurs der USA entgegenlief. Nach einem Treffen mit ukrainischen Regierungsvertretern am 10. Juli im Weißen Haus, beschwerte sich Vindman über Trumps Eu-botschafter Gordon Sondland, der die Forderungen des Präsidenten nach Ermittlungen gegen die Demokraten als Vorbedingung für alles weitere vorgetragen hatte.
Speakerin Nancy Pelosi will den Rückenwind aus den Ausschussbefragungen nutzen, um morgen im Repräsentantenhaus einen formalen Beschluss über den Beginn eines Amtsenthebungsverfahrens zu fassen. Damit kommt sie einem Wunsch des Präsidenten entgegen, dessen Justiziar Anfang Oktober das Fehlen einer formellen Abstimmung als Grund für die Nicht-zusammenarbeit nannte. In einem Schreiben ihrer Fraktion betont Pelosi, dies sei rechtlich nicht erforderlich. Politisch nehme eine solche Abstimmung Trump aber die Ausrede, den Abgeordneten Dokumente und Zeugen vorzuenthalten.