Wenn Senioren verschwinden
Rund 50 ältere Menschen werden der Polizei jedes Jahr als vermisst gemeldet
Luxemburg. Immer wieder gibt es im Großherzogtum Vermisstenmeldungen – von verschwundenen Kindern oder Jugendlichen, aber auch Senioren. Rund 50 Fälle sind der Polizei aus dem vergangenen Jahr bekannt, in denen nach älteren Menschen gesucht wurde. Im Jahr zuvor waren es 48. In einigen Ländern gibt es für solche Situationen den sogenannten Silver Alert, beispielsweise in den USA oder Griechenland. Dieses System kommt dort zum Einsatz, wenn ältere Menschen – oft mit einer Demenzerkrankung, wie beispielsweise Alzheimer – verschwinden. Über verschiedene Kanäle wird die Bevölkerung dann über das Verschwinden der Senioren informiert. Im Großherzogtum kennt man nur den Amber Alert, ein System, das bei Vermisstenmeldungen von Kindern zum Einsatz kommt (siehe Kasten). Das Pendant für verschwundene Senioren gibt es nicht.
Orientierungslos durch Krankheit
Aus ihrer alltäglichen Erfahrung weiß Lydie Diederich, Direktionsmitglied der Association Luxembourg Alzheimer (ALA), dass Demenzkranke zwar nicht regelmäßig verschwinden, das aber durchaus vorkommt. Denn ab einem gewissen Stadium kann Demenz Orientierungslosigkeit mit sich bringen: „Betroffene haben dann die Tendenz, wegzulaufen. Wenn sie eine offene Tür sehen, gehen sie hindurch und wollen sich beispielsweise auf den Weg nach Hause machen – obwohl sie sich bereits dort befinden. Das ist ihnen in dem Moment aber gar nicht bewusst“, erklärt Lydie Diederich. Sie erkennen einen gewohnten Ort nicht wieder und ergreifen erschrocken
Laut Lydie Diederich von der Association Luxembourg Alzheimer kann Demenz Orientierungslosigkeit mit sich bringen. die Flucht. Nur schwer finden Betroffene in ihrer Orientierungslosigkeit den richtigen Weg nach Hause.
Auch wenn es im Großherzogtum keinen Silver Alert gibt, ist trotzdem klar festgehalten, was gemacht wird, wenn Senioren verschwinden: „Zuerst wird das Haus und die Umgegend abgesucht. Vielleicht befindet die Person sich ja im Gebäude oder nur im Garten. Wird diese nicht gefunden, werden sofort die Angehörigen und die Polizei verständigt“, erklärt Lydie Diederich.
Die Polizei geht bei solchen Vermisstenmeldungen immer auf die gleiche Art und Weise vor: Zuerst wird überprüft, ob es Umstände gibt, durch die das Leben des Verschwundenen in unmittelbarer Gefahr ist – beispielsweise, weil lebensnotwendige Medikamente eingenommen werden müssen, oder die Person aufgrund ihres Alters sehr zerbrechlich ist. Trifft das zu, spricht die Polizei von einem „beunruhigenden“Verschwinden. Die vermisste Person wird dann dem sogenannten Schengen Information System (SIS) gemeldet – eine Datenbank, die von rund 30 verschiedenen europäischen Ländern genutzt wird.
In engem Kontakt mit der Familie sammeln die Beamten anschließend alle Informationen zu den Umständen des Verschwindens und zu dem Vermissten. Je mehr die Polizei weiß, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand schnell gefunden wird.
Eine Hilfe dabei ist die sogenannte Fiche démence. Sobald eine Person an Demenz erkrankt, kann die Familie dieses Formular auf den Webseiten der Polizei oder der Regierung herunterladen und präventiv ausfüllen. Das Papier enthält personenbezogene Daten, wie etwa den Namen oder die aktuelle Wohnadresse, aber auch eine Beschreibung und ein Foto der Person. Das ausgefüllte Formular wird zu Hause aufbewahrt und bei Vermisstenfällen an die Polizei weitergereicht. Sobald alle wichtigen Daten zusammengesammelt wurden, wird die Staatsanwaltschaft informiert. Eine Vermisstenmeldung mit Foto, wie es auch bei einem Amber Alert oft der Fall ist, wird laut Polizei ausschließlich auf Anfrage der Staatsanwaltschaft geschaltet. Allerdings nur, wenn die Angehörigen des Vermissten ihr Einverständnis geben.
Aktuelle Prozeduren reichen aus
Dem Justizministerium – das im April 2016 gemeinsam mit dem Ministerium für innere Sicherheit und der Polizei den Amber Alert präsentierte – liegen bisher keine Informationen vor, dass die bestehenden Prozeduren im Fall von Vermisstenmeldungen von Senioren nicht ausreichen. Aus dem Grund sei aktuell auch nicht angedacht, auf legislativer Ebene etwas zu ändern. Beim Ministerium für innere Sicherheit und bei der Polizei wollte man keine Aussage dazu treffen, ob sich die Einführung eines Silver Alert im Großherzogtum lohnen würde. Von der Staatsanwaltschaft war zu vernehmen, dass der Silver Alert in Luxemburg noch kein Begriff ist. Mehr Informationen über die Fiche démence unter: ►