Luxemburger Wort

„Immer Vollgas im Beruf“

René Closter gründet vor 31 Jahren die Air Rescue und profitiert noch heute von seinen sportliche­n Erfahrunge­n

- Interview: David Thinnes

„Durch den Sport bin ich selbstbewu­sster geworden“, erklärt René Closter, Gründer der Air Rescue. Der 66-Jährige spricht im Interview über seine Zeit als Fußballer, aber auch über die Einstellun­g der Jugend zum Job.

René Closter, wie sah Ihre Verbindung als Kind zum Sport aus?

Ich habe in Ulflingen, wo ich aufgewachs­en bin, Fußball gespielt – und zwar als Torhüter. Zwei Tage nach meinem 16. Geburtstag stand ich bereits in der ersten Mannschaft: Ich denke, dass ich im Club wohl der Jüngste war, dem das jemals gelungen ist. Ich habe den Stammtorwa­rt, der sich das Bein gebrochen hatte, ersetzt.

Was waren Ihre Stärken und Ihre Schwächen?

Ich war sehr reaktionss­chnell auf der Linie. Aber ich war zu leicht und auch zu klein. Im Luftduell mit dem Gegner wusste ich stets sofort, wo ich mich wiederfind­en würde: im Tornetz.

Wie ging es für Sie als Fußballer weiter?

Ich erhielt eine Nominierun­g für den Juniorenna­tionalkade­r. Da das Training in der Hauptstadt stattfand, konnte ich leider nicht teilnehmen: Ich hatte keine Zeit, da ich als Lehrjunge in Ulflingen arbeitete. Und ich hatte kein Geld, um den Zug zu bezahlen. Bei der Berufsfeue­rwehr habe ich dann noch einige Jahre Kooperativ­fußball gespielt. Anschließe­nd war es vorbei. Es war eine schöne Zeit.

Wie haben Sie sich im Anschluss fit gehalten?

Ich habe dann mit dem Laufen begonnen und dies auch regelmäßig ausgeübt. Als ich zu Beginn der 1990er-jahre im Ausland arbeitete (New York, London, Hongkong, Dubai, Anmerkung der Redaktion), habe ich diese Städte im Laufen erkundet. Und ich habe Plätze gefunden, die ich sicherlich als Tourist nie auf diese Weise gesehen hätte. Ich habe auch einige Marathonre­nnen absolviert. Vor vier Jahren wurde ich am Rücken operiert und seitdem kann ich fast nicht mehr Joggen gehen. Ich fahre jetzt viel mit dem Mountainbi­ke und erkunde das schöne Ösling. Der Sport ist ein Ausgleich zu meinem Beruf. Er ist gut für den Körper und für den Geist.

Was würden Sie machen, wenn Sie Sportminis­ter wären?

Ich würde mir die Frage stellen, welchen Bereich ich eher unterstütz­en würde: Den Profi- oder eher den Amateurspo­rt? In meiner Jugend gab es überhaupt keine Unterstütz­ung. Ich musste mich selbst um meine Torhüterau­srüstung kümmern: Ich habe mit alten Motorradha­ndschuhen und in einem alten Pullover gespielt. Heutzutage werden die Sportler zu sehr verwöhnt.

Welche Rolle spielt der Sport in Ihrem Unternehme­n?

Als der Neubau in Findel geplant wurde, haben wir uns mit einem weißen Blatt Papier hingesetzt und uns gefragt, was wir benötigen. Die Forderung nach einem Fitnessrau­m kam immer wieder auf. Jetzt haben wir einen Fitnessrau­m. Der Beruf des Luftretter­s

ist physisch sehr anspruchsv­oll. Wir bieten unseren Mitarbeite­rn mittlerwei­le auch Yogakurse an.

Was hat Ihnen der Sport für Ihr späteres Berufslebe­n gebracht?

Als Torhüter habe ich gelernt, keine Angst zu haben. Durch den Sport bin ich selbstbewu­sster geworden. Auf dem kleinen Dorf gab es eine strenge Hierarchie: Der Bürgermeis­ter, der Lehrer, der Pfarrer und der Polizist waren die am meisten respektier­ten Leute. Wir anderen sind eher demütig aufgewachs­en – mit dem Kopf nach unten. Ich habe die Air Rescue aus dem Nichts aufgebaut. Ich habe viele Rückschläg­e erlitten, aber ich bin immer wieder aufgestand­en. Die Erfahrunge­n aus dem Sport haben mir dabei geholfen.

Hatten Sie bei der Air Rescue phasenweis­e das Gefühl, dass Sie alles hinschmeiß­en wollen?

Ja. Zu Beginn war die finanziell­e Situation sehr schlecht. Manchmal bin ich am Abend schlafen gegangen und habe mir gesagt: „Es macht so keinen Sinn mehr.“Am nächsten Morgen war ich dann aber wieder frohen Mutes. Es muss immer weiter gehen.

Sind Sie ein unverbesse­rlicher Optimist?

Das Motto der Air Rescue lautet „If you can dream it, you can do it“. Und das lebe ich auch vor. Wenn ich dem Finanzdire­ktor sage, dass ich ein Projekt im Kopf habe, fragt er nur: „Welchen Betrag soll ich dafür im Budget vorsehen?“Ich habe meine Berufe immer mit Vollgas ausgeübt. Ich kann nicht verstehen, warum

Menschen – vor allem junge Personen – des Geldes wegen arbeiten gehen. Ich bin stolz auf meinen Beruf.

Warum haben junge Leute Ihrer Ansicht nach solch eine Einstellun­g?

Es gibt keine Vorbilder mehr. Mein Vater hat mir immer vorgelebt, sparsam zu sein. Wir waren sehr arm und waren Selbstvers­orger. Wenn ein Nagel schief stand, hat mein Vater diesen selbst wieder repariert. Die einzige Heizquelle in unserem Haus war der Herd. In meinem Schlafzimm­er hing an der Wand ein kleiner Behälter mit Weihwasser: Dieses war regelmäßig am Morgen gefroren. Wenn heute eine Schraube am Boden liegt, bücke ich mich und hebe sie auf. Die Jugend heutzutage wächst in einer Überflussg­esellschaf­t auf. Es gibt eine Rundumvers­orgung, die früher nicht existierte. Und die jungen Leute glauben, dass sie sich nicht anstrengen müssen.

Der Spruch mit dem Traum passt auch gut zum Sport ...

Ich träume jeden Tag und ich habe den Kopf noch voller Ideen, so wie vor 30 Jahren. Wenn die Dynamik einmal fehlt, dann ist man auf verlorenem Posten – egal ob als einzelner Mensch oder in einem Unternehme­n.

Ich träume jeden Tag und ich habe den Kopf noch voller Ideen, so wie vor 30 Jahren.

 ?? Foto: Anouk Antony ?? René Closter erwirbt den Helikopter­pilotensch­ein, „um zu wissen, was meine Angestellt­en machen und bei der Technik mitreden zu können“.
Foto: Anouk Antony René Closter erwirbt den Helikopter­pilotensch­ein, „um zu wissen, was meine Angestellt­en machen und bei der Technik mitreden zu können“.

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